Frauen in der Armutsfalle: Expertin gibt Tipps zur optimalen Vorsorge - zwei Gruppen sind besonders gefährdet
6 Min
Daniela Röllinger
Finanzberaterin Claudia Behringer
Finanzberaterin Claudia Behringer möchte Frauen Mut machen, sich um ihre Finanzen zu kümmern. "Das ist wichtiger denn je und einfacher, als man denkt", sagt die Fachberaterin für ...
Viele Frauen befassen sich zu wenig mit Finanzen. Das kann schlimme Folgen haben, weiß Claudia Behringer – im Fall einer Scheidung, beim Tod des Partners oder wenn im Alter das Geld nicht reicht. Die gebürtige Volkacherin ermuntert Frauen, sich zu informieren und rechtzeitig vorzusorgen.
Frauen und Rente – reicht es im Alter? Claudia Behringer kennt die Antwort auf diese Frage: Es reicht oft nicht. Sie will Frauen Mut machen, sich mit dem Thema Geld zu befassen, unter anderem in Kursen der VHS Kitzingen, aber auch mit einem Buch, das die gebürtige Volkacherin verfasst hat.
„Geld ist der Schlüssel zur Freiheit.“ Ein Satz von Coco Chanel, den Sie gerne zitieren. Was ist dran an diesem Satz?
Claudia Behringer: Wir können uns mit Geld und Finanzwissen Wohlstand schaffen. Geld ist auch ein Mittel zur Zielerreichung. Wir könnten die Ungerechtigkeiten in der Welt vermindern, wenn wir mehr Finanzwissen hätten. Geld macht nicht glücklich. Aber es kann Energie und Freude geben und damit auch Freiheit. Aber wir beachten Geld zu wenig.
Aber wir alle haben doch täglich mit Geld zu tun?
Ja, das Geld kommt aufs Konto und solange etwas da ist, geben wir es aus. Gerade jetzt denken viele, das Geld sei eh nichts wert und konsumieren, ohne groß nachzudenken. Dabei ist es wichtig, das Geld einzuteilen und die Finanzen zu planen.
Wie genau kann eine solche Planung aussehen?
Es ist wichtig zu wissen, wie viel Geld wir kurz-, mittel- und langfristig für unsere Ziele brauchen. Für die fixen Ausgaben muss ein Budget da sein, sie machen etwa 50 bis 60 Prozent der Ausgaben aus, bei hohen Mieten sogar mehr. Und wir müssen schauen, wofür wir Geld ausgeben. Wer kennt das nicht: Beim Einkaufen nimmt man sich etwas mit, das man eigentlich gar nicht braucht, das uns aber ein gutes Gefühl gibt. Es ist durchaus erlaubt, sich etwas zu gönnen, aber es muss bewusst geschehen und von Wert für einen selbst sein. Das ist mehr als bloßer Konsum. Schnell und aus einer Lust heraus ausgegebenes Geld fehlt für unser späteres Leben. Viel sinnvoller ist es, jeden Monat Geld anzulegen. Dazu sollten wir uns Finanzwissen aneignen. Das ist einfacher, als man denkt und nimmt uns die Angst vor der Geldanlage. Finanzwissen müsste dringend schon in der Schule und im Studium vermittelt werden.
Wird es aber zu wenig. Viele verstehen schon beim Börsenbericht im Fernsehen oder bei einem Bankgespräch kaum etwas.
Ein Börsenbericht ist auch nicht der richtige Einstieg. Man kann sich ins Thema einlesen, zum Beispiel im Internet, in Büchern, in Zeitschriften, oder sich beraten lassen. Die Finanzwelt ist nicht so kompliziert, wie viele meinen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Frauen schnell Freude an ihren Finanzen finden, wenn sie erst mal anfangen, sich damit zu befassen. Und sie sind die besseren Anleger, weil sie langfristig denken.
Aber anfangs schreckt das Thema Frauen ab, wenn ich das aus Ihren Worten richtig heraushöre.
Die jüngeren Frauen nicht mehr so sehr, die interessieren sich für Finanzen, sind wagemutiger als die älteren, gehen selbst an die Börse. Aber die Zwischengeneration und die Älteren, die befassen sich viel zu wenig mit Geld. Man darf nicht vergessen, dass es Frauen erst ab 1958 erlaubt war, ein eigenes Konto zu eröffnen, ihr Geld anlegen durften sie erst ab 1976. Ältere können es daher oft nicht, das „Mittelalter“ macht es so weiter, wie die Eltern es vorgelebt haben. Dazu kommt: Viele Frauen geben die Verantwortung lieber ab – und sie trennen nicht in meins, deins, unser.
Getrennte Konten sind eine gute Lösung. Ein eigenes, eines für den Partner, ein gemeinsames für den Haushalt, Urlaube und so weiter. Wenn etwas schiefläuft in der Ehe und der Mann hat alles organisiert und hat alleine alle Vollmachten, ist das nicht förderlich. Deshalb will ich den Frauen Mut machen, das Thema Finanzen in der Familie anzusprechen. 80 Prozent meiner 30- bis 40-jährigen Klientinnen berichten mir, dass in den Familien nicht über Geld, Anlagen und Vorsorge gesprochen wird. Das hängt auch damit zusammen, dass Frauen sich oft nicht wertschätzen: Was leiste ich eigentlich? Was ist das wert? Was verdiene ich? Darüber müssen sie nachdenken.
Wie sieht es denn nun mit den Finanzen der Frauen im Alter aus?
Schauen wir uns die Zahlen doch mal an, im Jahr 2020 zum Beispiel: Die Durchschnittsrente der Frau betrug 730 Euro, die des Mannes 1210 Euro. Der Unterschied ist gravierend. Dazu kommt: Wenn sie Kinder bekommen, werden Frauen oft zu Familienfrauen und verdienen nach einem Jahr Elterngeld wenig oder gar nichts und verzichten deshalb oft darauf, weiter zum Beispiel in die betriebliche Altersvorsorge einzuzahlen. Auch das wirkt sich im Alter aus. Aber zu den Zeiten, in denen die Kinder klein sind, fehlt Frauen und auch Männern das Bewusstsein für diese Folgen.
Die Familiengründung hat also größere finanzielle Folgen für die Frau als für den Mann.
Tatsache ist, dass viele Frauen in Teilzeit weiterarbeiten. Durch das Ehegattensplitting wechseln sie in Steuerklasse 5, da bleibt fast nichts übrig. Also entscheiden sie sich für einen Minijob. Und spätestens mit Eintritt der Rente gehören sie dann der Katz', um es mal salopp auszudrücken.
Gibt es Gruppen, die besonders häufig betroffen sind?
Alleinerziehende sind sehr benachteiligt in der Gesellschaft. Und auch Frauen in sozialen Berufen und in der Landwirtschaft bekommen eine sehr geringe Rente.
Welche Frauen suchen bei Ihnen Beratung oder besuchen Ihre VHS-Vorträge?
Der größte Teil ist 50 bis 60 Jahre alt und frisch geschieden. Sie sind oft völlig mit der Situation überfordert: Was sollen wir jetzt machen? Dass es zu diesen Situationen kommen kann, darüber wird viel zu wenig gesprochen und nachgedacht. Ich möchte den Frauen zurufen: Wacht auf!
Und geht rechtzeitig zum Finanzberater?
Auch in der Finanzberatung ist viel falsch gelaufen. Viel zu oft steht das Produkt im Vordergrund und nicht der Mensch. Es wäre so wichtig, die Beratung auf den Einzelnen abzustimmen, auf das, was er oder sie hat, will, vom Leben erwartet. Das Geld ist zu knapp geworden für Experimente. Und jeder sollte wissen, in was er investiert. Mit Rüstungsunternehmen mag vielleicht in der nächsten Zeit Geld zu verdienen sein – aber will man das wirklich? Für eine enkeltaugliche Welt wäre es besser, in Nachhaltigkeit zu investieren.
Früher war das alles einfacher ...
Ja, wir hatten ein Sparbuch, eine Lebensversicherung und einen Bausparvertrag und die Welt war in Ordnung. Heute sieht es ganz anders aus.
Bei aller Komplexität: Was ist das Wichtigste, was man wissen muss?
Am Wichtigsten ist es, zu verstehen, was der Zinseszinseffekt bedeutet. Dadurch lässt sich errechnen, was beispielsweise 100 Euro auf eine bestimmte Spardauer bringen. Dann sollte man wissen, wie viel Geld man im Alter braucht, um zu errechnen, wie viel man sparen muss, um das zu erreichen. Schon mit 50 Euro, die man selbst zur Seite legt, oder die Großeltern für ihre Enkel anlegen, lässt sich viel erreichen. Wobei man nicht nur auf die bloßen Zahlen blicken darf.
Das Geld verliert ja an Wert. Nehmen wir 20.000 Euro Tagesgeld mit 0 Prozent Zins. Bei 2 Prozent Inflation liegt die Kaufkraft nach vier Jahren nur noch bei 16.406,97, nach zehn Jahren bei 13.511,28 Euro, nach 30 Jahren bei 11.041,42 Euro. Aber momentan ist die Inflation viel höher, der Wert sinkt also noch sehr viel stärker. Bei vier Prozent bleiben von den 20.000 Euro nach 30 Jahren gerade noch 6166,37 Euro Kaufkraft.
Wie sollte Geld am besten angelegt werden?
Die Mischung ist wichtig. Zum einen Aktien, die langfristig arbeiten können und behalten werden sollten, auch wenn es mal kurzfristig bergab geht. Es gab immer Krisen, immer ein Auf und Ab. Langfristig lohnt sich das Aktieninvestment. Dazu kommen Anleihen. Und Immobilien – in Form von Immobilienfonds oder eigenen Immobilien, wenn man es sich leisten kann. Es hilft, im Alter mietfrei wohnen zu können. Und als Vermieter generiert man Einnahmen. Aber Immobilien dürfen auch nicht überbewertet werden.
Weil?
Sie können immer Probleme mit sich bringen. Nach einer gewissen Zeit muss renoviert und saniert werden. Und es ist nicht leicht, die richtigen Mieter zu finden.
Wie man vorsorgen kann, haben Sie erklärt. Wann soll man damit beginnen? Muss man schon beim ersten Job an die Rente denken?
Unbedingt – und von Anfang an das Geld gut einteilen, mindestens zehn Prozent wegsparen. Je mehr und je früher das möglich ist, desto früher kann man sich eine finanzielle Freiheit aufbauen.
Beim Blick auf die Rente ist es wichtig, auch an Abzüge, Steuern, Sozialversicherung und die schon angesprochene Inflation zu denken. Am besten ist es, eine Vermögensaufstellung fürs Alter zu machen – so lassen sich vorhandene Lücken so früh wie möglich ausgleichen. Und man darf sich nicht auf den Partner verlassen. Es gibt vermögende Frauen, die nach dem Tod ihres Mannes keine Ahnung haben, wie sie die Aufgaben bewältigen sollen. Aber es gibt auch Frauen, die merken erst nach dem Tod des Mannes, dass kein Geld da ist. Sie stehen vor dem Nichts – und wenn zusätzlich zur Trauer noch Geldnot kommt, ist das kaum zu bewältigen.
Artikel enthält Affiliate Links
*Hinweis: In der Redaktion sind wir immer auf der Suche nach nützlichen Produkten für unsere Leser. Es handelt sich bei den in diesem Artikel bereitgestellten und mit einem Einkaufswagen-Symbol beziehungsweise einem Sternchen gekennzeichneten Links um sogenannte Affiliate-Links/Werbelinks. Wenn du auf einen dieser Links klickst bzw. darüber einkaufst, bekommen wir eine Provision vom Händler. Für dich ändert sich dadurch nichts am Preis. Unsere redaktionelle Berichterstattung ist grundsätzlich unabhängig vom Bestehen oder der Höhe einer Provision.