Kampf- oder Schmusehund?

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Jürgen Fuhrmann schießt einen Ball an Nala vorbei – kann Dominik Necas seine junge Hündin auch jetzt kontrollieren?
Fotos: Robert Wagner
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Der Mann mit Hut und Mantel. Eben Feind – jetzt Freund?
Robert Wagner
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Für potenziell gefährliche Hunde gibt es einen "Wesenstest". Ist der überhaupt sinnvoll?

Wenige Momente später stehen Dominik Necas, Hündin Nala und Hunde-Sachverständiger Jürgen Fuhrmann eng zusammen. Nala bleibt ruhig, geht den Mann im Mantel nicht an. Der Test ist bestanden. Fuhrmann ist einer von nur vier öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen in Unterfranken. Außerdem ist er Ausbilder für Polizeihunde in Nürnberg. Der Sachverständige prüft, ob ein Hund ein Kampfhund ist – obwohl er selbst den Begriff „Kampfhund“ gerne vermeidet.

„Beim Hundewesenstest gibt es viele Vorurteile und einigen Irrglauben“, sagt Fuhrmann. Es gehe eben nicht in erster Linie darum, dass ein Hund nicht auf Aggressionen reagieren darf. Es gehe viel mehr darum, dass der Halter seinen Hund kontrollieren kann. Drei bis Vier Stunden dauert ein Test – bei Tierärzten, die den Test auch machen dürfen, gehe es meist schneller, sagt Fuhrmann. Es gibt zwar Richtlinien, doch die konkrete Umsetzung unterscheide sich stark. Prinzipiell gehe es beim Wesenstest um zwei Punkte:

Erstens: Ist der Hund ein Kampfhund? „Eigentlich ist die Frage schon beantwortet, wenn ich dem Halter zur Begrüßung die Hand geben kann“, sagt Fuhrmann schmunzelnd. Denn als „Hund mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit“ gilt nur derjenige, der ein „undifferenziertes“ Angriffsbedürfnis besitzt – also ohne Grund angreift. Etwas anderes ist es, wenn er sein Territorium verteidigen will oder einen gesteigerten Jagdinstinkt aufweist.

Das heißt aber nicht, dass diese Verhaltensweisen keine Konsequenzen haben können. Denn der Sachverständige kann, zweitens, „Sicherheitsrechtliche Auflagen“ empfehlen. Die gehen von Leinenzwang über Maulkorbpflicht bis dahin, dass einem Halter das Führen des Hundes verboten werden kann. Zuständig dafür ist die jeweilige Gemeinde.

Entscheidend ist laut Fuhrmann die Frage, ob Hund und Herrchen zusammenpassen: „Wenn mir beim Gassi gehen eine Frau, die vielleicht 50 Kilo wiegt, mit ihrem 60-Kilo Rottweiler entgegenfliegt, dann kann da etwas nicht stimmen.“

Dominik Necas kann das nicht passieren. Der muskulöse Mann hat Nala jederzeit unter Kontrolle. Die Hündin hat ihren Test bereits bestanden. Auf zwölf Seiten hat der Sachverständige ihre Daten, den Hintergrund und die Testergebnisse notiert. Wie ist die Beziehung von Nala und ihrem Herrchen, hat er Autorität über die Hündin? Wie reagiert die Cane Corso-Hündin auf Umweltreize wie Passanten, Verkehrslärm oder gar einen Schreckschuss? Wie reagiert sie auf andere Hunde, auf andere Tierarten?

Das Ergebnis: Nala ist nicht aggressiv, reagiert völlig gutartig und auf Aggressionen defensiv. Von der Gemeinde wurde ihr deshalb ein „Negativzeugnis“ ausgestellt. „Das heißt, sie gilt nicht als Kampfhund.“ Ein solches Zeugnis können nur Hunde der Liste Zwei erhalten – Hunde auf der Liste Eins gelten stets als gefährlich (siehe Infokasten).

Der Ursprung der modernen Kampfhundeverordnungen und -gesetze ist laut Jürgen Fuhrmann im Jahr 1990 zu suchen. Damals hatten verschiedene Medien ausführlichst über Angriffe von Hunden berichtet. „Die Bildzeitung und Günther Jauch – die haben uns das damals eingebrockt“, sagt der Sachverständige. An Aussagen wie diesen wird schnell klar: Ein großer Fan dieser Gesetzgebung ist er nicht.

Die Unterteilung von gefährlichen und ungefährlichen Hunderassen sei Unsinn. Vielmehr müsse der einzelne Hund und vor allem sein Halter in den Fokus rücken. „Wenn die Halter genug Sachverstand hätten, bräuchten wir weder Rassenlisten noch Kampfhundeverordnungen“, sagt Fuhrmann.

„Die Bildzeitung und Günther Jauch haben uns das eingebrockt.“
Jürgen Fuhrmann Ausbilder von Polizeihunden

Die Überprüfung einer Rasse sei außerdem schwierig: „Das ist richtig haarig“, sagt Fuhrmann – manchmal gebe es Hunde, die alle Merkmale einer Rasse hätten und ihr trotzdem nicht angehörten. Der Liste Eins gehört dann auch noch der „Bandog“ (englisch für Kettenhund) an. „Das ist überhaupt keine eigene Rasse, das ist Quatsch“, sagt Fuhrmann.

„Grundsätzlich wäre es sinnvoll, mehr Sachkunde bei allen Hundehaltern zu fordern, nicht nur bei Kampfhunden“, sagt Fuhrmann. Das sieht Hundehalter Necas ähnlich: „Für eine Waffe brauche ich einen Waffenschein, aber einen Hund, der ebenso gefährlich sein kann, darf ich einfach so halten.“

Eine verpflichtende Hundeschulung halten beide Männer für sinnvoll – allerdings praktisch kaum umsetzbar. Denn bei den Hundeschulen sehen beide große Unterschiede. Da gebe es Hardcore-Schulen, die nur mit Drill arbeiten, genauso wie die „Watebällchenfraktion“, bei der jedes laute Wort zu viel ist. Aber: „Einen Kangal nur mit Leckerli dazu bringen, den Postboten in Ruhe zu lassen, das ist schwierig“, sagt Jürgen Fuhrmann. Sein Vorwurf: Es fehlen einfach Ausbildungsstandards.

Probleme entstünden nicht nur daraus, dass die Halter ihre Hunde schlecht behandeln oder absichtlich aggressiv erziehen. Vielmehr sei es oft so, dass das Verständnis für die Hunde fehle. „Die lieben zwar ihre Hunde, aber sie verstehen nicht deren Körpersprache.“ Eine artgerechte Haltung und Erziehung sei dann schwierig. Dominik Necas sieht diese Gefahr gerade bei Haltern, die sich einen Hund als Statussymbol oder Schmuckstück zulegen. „Das kann ich überhaupt nicht verstehen.“

Jürgen Fuhrmann gibt ein Beispiel: Menschen mit Hut und Mantel oder mit Krücken wirkten natürlich erst einmal verstörend auf Hunde. Das sei eine normale Reaktion. „Der Hund probiert dann verschiedene Verhaltensweisen aus – wegducken und verstecken, aber auch knurren.“ Wenn er knurrt und der Mensch schreckt zurück – was die normale Reaktion ist – dann hat der Hund damit Erfolg. Er erlernt so die falsche Reaktion.

Richtig und wichtig wäre es demnach, den Hund früh mit solchen Situationen in Berührung zu bringen – und ihm unmissverständlich zu verstehen zu geben, dass eine solche Reaktion falsch ist – und er vor Menschen mit Hut, Mantel oder Krücken keine Angst haben braucht.

Wichtig dafür sei auch die Körpersprache des Herrchens oder Frauchens. „Ich bin davon überzeugt, dass es so etwas wie Telepathie zwischen Mensch und Hund gibt“, sagt Fuhrmann. Die Sicherheit und Ruhe des Halters übertrage sich auch auf das Tier. Wenn man Dominik Necas und Nala zusammen stehen sieht, mag man das wohl glauben. Zum Abschied reicht er die Hand. Nala, die rund 60 Zentimeter hohe und 50 Kilogramm schwere Cane-Corso-Hündin ist ebenso freundlich und lässt sich bereitwillig streicheln.

Rechtliche Grundlagen

Laut Artikel 37 LStVG sind Kampfhunde Hunde, „bei denen auf Grund rassespezifischer Merkmale, Zucht oder Ausbildung von einer gesteigerten Aggressivität und Gefährlichkeit (...) auszugehen ist“. Welche Hunde betroffen sind, kann die Landesregierung festlegen. Unterschieden werden zwei Gruppen (Listen):

Erstens: Pit-Bull, Bandog, American Staffordshire Terrier, Staffordshire Bullterrier und Tosy-Inu gelten stets als Kampfhunde.

Zweitens: Bei insgesamt 14 Rassen, unter anderem Bullterrier, Cane Corso, American Bulldog und Rottweiler, wird vermutet, dass sie Eigenschaften eines Kampfhundes haben. Dies kann mit Hilfe eines Wesenstest und einem anschließenden Negativzeugnis widerlegt werden.