Ein Gewerkschafter mit Leib und Seele

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Alter schützt vor Demonstrationen nicht. Alois Klebes (rechts) nimmt mit den Mitgliedern des Seniorenkreises der IG Metall immer wieder an Kundgebungen teil – so wie hier in Schweinfurt.
Foto: Klebes
Eine Lungenkrankheit macht Alois Klebes das Atmen schwer. Genug Luft für seine Gewerkschaftsarbeit hat der Kleinlangheimer aber allemal.
Foto: Ralf Dieter

Alois Klebes über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der IG Metall

Er ist der Seniorenbeauftragte der IG Metall im Kreis Kitzingen. Und das ist irgendwie logisch. Wer sonst sollte diese Arbeit übernehmen als Alois Klebes?

Sein Leben ist die Gewerkschaft. Er steht hinter ihren Zielen, ihren Werten und er schätzt die Gemeinschaft. Seit 50 Jahren ist der Kleinlangheimer Gewerkschaftsmitglied, seine Frau Edith seit 49 Jahren. Bei der Frage, ob Gewerkschaften auch in Zukunft wichtig sein werden, schaut der ansonsten so höfliche und fröhliche Alois Klebes sein Gegenüber an, als sei es nicht von dieser Welt. „Natürlich“, sagt er dann. „Denken Sie nur an die IT-Branche. Die armen Kerle müssen rund um die Uhr erreichbar sein. Das geht doch nicht.“

Wegweisende Schafkopfabende

Zeit seines Arbeitslebens hat sich Alois Klebes für die Belange der Arbeitnehmer eingesetzt. Mit 24 Jahren war er schon der Betriebsratsvorsitzende bei der Firma Baumüller in Kitzingen. Gelernt hatte er vorher bei der Firma Rothe. Jeden Tag ist er dafür mit dem Moped von seinem Heimatort Königheim in Tauberfranken nach Kitzingen gefahren. Eine Stunde hin, eine zurück. Nach dem ersten Winter hat er sich ein Zimmer beim damaligen Betriebsschlosser der Firma Fehrer in der Siedlung genommen. Am Abend hat der mit seinem Betriebsratsvorsitzenden und dessen Kollegen von Huppmann Schafkopf gespielt. Der junge Alois wurde als „Brunskarter“ eingebunden – und infizierte sich mit dem Gewerkschaftsvirus. „Wir brauchen ein gutes und funktionierendes Gegengewicht zu den Arbeitgebern“, ist er auch heute noch überzeugt. Ohne die Gewerkschaften würde die Schere zwischen Arm und Reich noch weiter auseinanderklaffen. Für die Rechte der Arbeitnehmer hat er Zeit seines aktiven Berufslebens gekämpft. Als größte Erfolge bezeichnet er die Durchsetzung der Lohnabsicherung im Krankheitsfall in den 60/70er Jahren. „Heute eine Selbstverständlichkeit.“ Auch an die Einführung der 35-Stunden-Woche denkt er gerne zurück. „So konnten wir hunderttausende Arbeitsplätze retten.“

Manchmal geht es nur mit Druck

Der 69-Jährige kann sich gut an so manche Auseinandersetzung erinnern, an Demonstrationen, Kundgebungen und harte Verhandlungsrunden. Eine faire Argumentation war ihm dabei immer wichtig. Eine gute Vorbereitung entscheidend für den Erfolg. Seine Erfahrung: „Manchmal geht es nur mit Druck.“ Ende der 90er Jahre wollten viele Betriebe aus den Tarifverträgen aussteigen – auch sein Arbeitgeber, für den er letztendlich 43 Jahre lang treue Dienste leistete. In den Verhandlungen habe man sich gegenseitig „dicke Brocken an den Kopf geworfen“, erinnert er sich. Doch die Gemeinschaft war ein schweres Pfund für die Gewerkschafter. „Kitzingen war wie ein gallisches Dorf“, erinnert sich Klebes. Fast 80 Prozent der Baumüller-Belegschaft war in der Gewerkschaft organisiert, im Gusswerk waren es sogar bis zu 90 Prozent. „Das hat uns bei den Verhandlungen natürlich geholfen“, weiß Klebes. Auf Gewerkschaftsseite sei der damalige Bevollmächtigte Walther Mann zur Hochform aufgelaufen. Mit der Drohung, die gesamte Belegschaft innerhalb von 15 Minuten ins Verhandlungsbüro zu rufen, hatte die Arbeitgeberseite jedenfalls nicht gerechnet. „Nach vier Tagen war unser Arbeitgeber wieder im Tarifvertrag drinnen“, erinnert Klebes sich und spricht vom „schönsten Sieg als Gewerkschafter“.

Natürlich gab es auch Niederlagen. Das Aufkommen der Leiharbeit liegt Alois Kleber noch heute schwer im Magen. Seine Forderung: Wer Vollzeit arbeitet, der muss davon auch leben können. Den Anstieg des Mindestlohnes auf mittlerweile 9,19 Euro hält er für gut. „Aber eigentlich müsste der viel höher liegen“, sagt er. „Bei mindestens zwölf Euro.“ Besser noch, es würde überall nach Tarif bezahlt. „Dann bräuchten wir gar keinen Mindestlohn.“

Rente als Dauerbrenner

Am meisten Sorgen bereitet ihm die Rentenpolitik. „Von der Rente muss man doch leben können“, fordert er. Das sei aber in viel zu vielen Fällen nicht der Fall. Wer 45 Jahre nur den Mindestlohn bezogen hat, der ist im Rentenalter auf staatliche Zuwendungen angewiesen. Die durchschnittliche Rente für Frauen liegt bei 654 Euro. Für Alois Klebes ein Skandal. „Es geht doch nicht an, dass man betteln muss, wenn man ein ganzes Leben gearbeitet hat.“ Einen Ausweg wüsste er. „Warum machen wir es nicht wie die Österreicher?“, fragt er. Dort zahlen auch Beamte und Selbstständige ins System ein und der Beitragssatz liegt deutlich über dem deutschen. Die Folge: Im Schnitt bekommen die Österreicher rund 670 Euro mehr Rente als die Deutschen.

Als Seniorenbeauftragter der IG Metall bleibt Alois Klebes am Ball, diskutiert diese und viele andere Themen mit seinen Mitgliedern. Einen Termin pro Monat organisiert er. Zwischen 30 und 50 der insgesamt rund 500 Mitglieder kommen. Der Kleinlangheimer versteht sich nach wie vor als Informationsgeber und Unterstützer. Eine Kur wird abgelehnt? Sterbegeld muss beantragt werden? Der 69-Jährige hilft. Seit beinahe 25 Jahren gibt er jungen Mitgliedern außerdem regelmäßig Seminare zu ausgewählten Gewerkschaftsthemen. Etwa 1200 Teilnehmer hat er geschult. Und viele dabei ganz nebenbei mit dem Gewerkschaftsvirus infiziert.