In einem Schützenhaus Ruhe finden? Was paradox klingt, ist in Iphofen Tatsache: Beim Schießtraining geht es darum, zu sich zu kommen. Waffennarren sucht man vergebens.
Es klingt unglaublich. Aber Georg Sulzbacher beteuert, dass die Geschichte stimmt. Vor Jahrzehnten habe er gesundheitliche Probleme bekommen. „Mein Herz hat verrückt gespielt. Ich bin überhaupt nicht mehr zur Ruhe gekommen. Heute würde man sagen: Ich war nah am Burnout.“ Sein Arzt gab ihm damals den Rat, er solle sich ein Hobby suchen, bei dem er ganz bei sich ist und an nichts anderes denkt. „So bin ich zu den Schützen in Iphofen gekommen“, erzählt der Kitzinger Immobilienmakler. „Und die haben mich quasi geheilt.“
Geheilt – das heißt im Fall des 75-jährigen Georg Sulzbacher: „Es geht mir richtig gut, die Herzbeschwerden haben sich schon nach kurzer Zeit im Schützenverein gebessert und waren dann ganz weg.“ Worauf das zurückzuführen ist? Sulzbacher ist sicher: „Dadurch, dass man beim Schießtraining komplett aus der Alltagshektik rauskommt und sich nur auf sich, seine Atmung und sonst nichts konzentriert, kommt der Körper zur Ruhe. Das braucht jeder Mensch mal, das ist einfach gesund.“
Sulzbachers Worte können viele Schützenkollegen bestätigen. Udo Bernhardt zum Beispiel. Den Schießsport fand der Maschinenbautechniker zwar schon immer interessant, doch es dauerte lang, bis ihn der Weg ins Schützenhaus führte. Erst vor gut einem Jahrzehnt „bin ich zusammen mit meinem Nachbarn halt mal hin“, erinnert sich der Iphöfer. Mittlerweile hat er unzählige Stunden in dem zweigeschossigen Schützendomizil gleich neben der Karl-Knauf-Halle verbracht: „Wenn ich schieße, bin ich in einer anderen Welt. Da kann ich komplett abschalten.“ Bernhardt hat seine Treffsicherheit akribisch immer weiter verbessert, gehört inzwischen zu den Besten seiner Wertungsklasse. „Viele von uns sind, wie ich, eher Spätberufene“, sagt der 64–Jährige, „aber dafür mit Leidenschaft dabei.“
Selbst Verantwortung übernehmen
Doch es gibt auch junge Schützenbrüder. Tobias Zuckrigl gehört dazu. „Erst hab' ich Gewehr geschossen“, erzählt der Auszubildende zum Fachinformatiker. „Dann hab' ich spaßeshalber mal Pistole ausprobiert und bin dabei geblieben.“ Im Vergleich zu Mannschaftssportarten wie Fußball gefällt dem Iphofer am Schießsport, dass man mittelprächtige Leistungen nicht auf Mitspieler oder den Schiri schieben kann. „Da muss man schon selbst die Verantwortung übernehmen und sich fragen: 'Woran lag es, was kann ich verbessern?'“
Grundsätzlich schätzt auch Zuck-rigl das Gefühl, beim Schießen „den Kopf freizukriegen und richtig abschalten zu können“. So oft es geht, kommt er deshalb von seinem Ausbildungsort München zum Schießtraining und zu den Vereinsabenden, die dienstags und freitags im Iphöfer Schützenhaus stattfinden.
Am Schießstand lädt er seine Waffe. Er schließt kurz die Augen, konzentriert sich. Sein Atem fließt ganz ruhig. Er blickt auf, hebt den gestreckten Arm, richtet die über ein Kilo schwere Waffe an einer zehn Meter entfernten Zielscheibe aus. Er atmet aus, lässt die Pistole dabei leicht, fast unmerklich sinken. Einen Moment steht er wie festgefroren da. Bevor er wieder Luft holt, drückt er ab.
Per Knopfdruck kommt die an einer Seilanlage befestigte Schießscheibe zu ihm. Direkt in der Mitte ist ein Loch. Ein Zehner, ein guter sogar! Tobias Zuckrigl ist zufrieden und sagt: „Jeder hat so seine eigene Art und Schießtechnik. Manchmal ist man richtig 'im Flow', dann läuft es einfach.“