Gewerkschafter kritisiert unter anderem den Zuwachs an artfremden Aufgaben.
2,4 Millionen Überstunden bei der bayerischen Polizei. Das klingt erst einmal nicht gut. Im Gespräch mit Hubert Froesch relativiert sich dieser Eindruck – gerade im Hinblick auf die unterfränkischen Einsatzkräfte. Aber eines bleibt für ihn gewiss: Es besteht Handlungsbedarf.
Hubert Froesch ist seit 42 Jahren bei der Polizei. Seit 25 Jahren ist er Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) in Unterfranken. Er hat vieles gesehen und erlebt. Eines hat sich in all den Jahren für ihn nicht verändert: Die Polizei leidet unter Personalmangel.
Auf 15 bis 25 Prozent bezifferte Froesch die Personallücke in den unterfränkischen Polizeidienststellen bei seiner Antrittsrede als Gewerkschaftsvorsitzender im Jahr 1993. „Und da stehen wir im Wesentlichen immer noch.“ Schuld seien einst die Sparaktionen und die verfehlte Personalpolitik unter Edmund Stoiber gewesen, als bayernweit hunderte Stellen abgebaut und die Ausbildung zurückgefahren wurden. Vieles habe sich in den letzten Jahren unter Seehofer verbessert. Aber nicht alles. Immer neue Aufgaben kommen auf die Polizei zu.
Wunsch: Tatsächliche Mehrung
Zirka 42000 Beamte zählt die bayerische Polizei. „Die Sollstärken der Präsidien wurden seit Anfang der 90er Jahre unter Berücksichtigung der stark gestiegenen Aufgaben und Belastungen nur unzureichend erhöht“, kritisiert Froesch. „Bei der bayerischen Polizei sind seit einigen Jahren die Ausbildungskapazitäten voll ausgereizt.“ Trotzdem könnten damit nur die Pensionsabgänge ausgeglichen werden. In den zehn Jahren zwischen 2015 und 2025 gehen mehr als die Hälfte der bayerischen Beamten in Pension. Die Polizeigewerkschaft fordert deshalb, die hohen Einstellungsquoten auch über das Jahr 2025 beizubehalten, um eine tatsächliche Mehrung der Personalstärke zu erreichen.
Anhand der Kitzinger Inspektion lässt sich das Dilemma gut beschreiben. Auch dort standen und stehen viele Pensionierungen an. Bei rund 100 Mitarbeitern liegt die Sollstärke bei der PI Kitzingen. Tatsächlich machten im abgelaufenen Jahr durchschnittlich 75 Beamte Dienst. Ein Minus von rund 25 Prozent. „Kitzingen ist, neben anderen hochbelasteten Dienststellen, besonders betroffen“, sagt Froesch. Bei 64 Stunden liegt hier die durchschnittliche Zahl der Überstunden. Bei den Mitgliedern des Schichtdienstes gar bei rund 84 Überstunden.
Vorführungen vor Gericht
Schuld daran sind unter anderem Aufgaben, die für Gewerkschafter wie Hubert Froesch nicht nachvollziehbar sind: „Hoch qualifizierte Kollegen werden für Dinge eingesetzt, die andere Firmen genauso gut erledigen könnten“, kritisiert er. Beispiel: Vorführungen vor Gericht. Muss ein Angeklagter vom Gefängnis zum Gerichtsgebäude gebracht werden, dann sind Polizeibeamte gefordert. „Das haben wir drei bis vier Mal pro Woche“, bestätigt der Vertreter der Polizeigewerkschaft in Kitzingen, Joachim Schinzel. Mitunter geht ein ganzer Arbeitstag für die Fahrten der Angeklagten und deren Bewachung im Gerichtssaal drauf. Bis nach Ingolstadt, München oder Erfurt müssen die Beamten mit den Angeklagten fahren. Für Froesch ein Unding. „Polizeibeamte sitzen in bayerischen Gerichten zu Hunderten herum und fehlen auf der Straße.“ Die Justizhilfe der bayerischen Polizei habe sich zu einer erheblichen Belastung in den Dienststellen entwickelt. Sein Vorschlag: Justizbeamte übernehmen diese Aufgabe. „Dann muss in diesem Bereich halt ein Personalkonzept entwickelt werden und Personal ausgebildet und aufgestockt werden“, fordert er.
Weiteres Beispiel: Die Begleitung von Schwertransportern. Seit Jahren werden von der Politik Änderungen angekündigt und versprochen. Warum gut ausgebildete Polizisten dafür abgestellt werden müssen, ist dem Gewerkschafter schleierhaft. Mindestens eine Streife wird dafür abkommandiert – mitunter wird sie kurzfristig angefordert. Weil die Marktbreiter Brücke an der A7 für Schwertransporter gesperrt ist, kamen auf die Kitzinger Kollegen im abgelaufenen Jahr besondere Belastungen zu. 260 solcher Transporte standen an. Statistisch gesehen beinahe einer pro Tag. In manchen Fällen werden bereits private Firmen mit der Begleitung dieser Schwertransporte betraut. „Aber immer geht das nicht“, wirbt Schinzel um Verständnis. Ein überbreites Fahrzeug bedeutet schließlich einen Eingriff in den fließenden Verkehr. „Da braucht es zur Absicherung schon die Polizei.“