Kochen hinter Gittern

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JVA Würzburg
Seit 14 Jahren einmal pro Woche freiwillig ins Gefängnis – für die Sulzfelderin Andrea Luckert ist das selbstverständlich. Hier ein Blick auf die Zellen in der Würzburger JVA.
JVA Würzburg
Foto: Daniel Peter
Andrea Luckert
Foto: Guido Karp
Es ist angerichtet: der Koch-Kreis nach getaner Arbeit.
Foto: Andrea Luckert

Einmal pro Woche klingelt Andrea Luckert in Würzburg am Gefängnis, um anschließend hinter Gittern zu verschwinden. Oft geht sie nachdenklich wieder fort.

Einmal pro Woche klingelt Andrea Luckert in Würzburg am Gefängnis, um anschließend hinter Gittern zu verschwinden. Freiwillig. Ehrenamtlich. Immer mit dabei: Zwei schwere Taschen, in denen sich Zutaten befinden, um in den nächsten beiden Stunden mit Frauen zu kochen, die eingesperrt sind. Frauen, die in Untersuchungshaft sitzen und eine ungewisse Zukunft vor sich haben. Und die für jede Abwechslung unendlich dankbar sind.

„Ehrenamtlich zu arbeiten war für mich immer klar.“

Andrea Luckert kocht in der JVA mit Untersuchungshäftlingen

Mittwochs, 17.30 bis 19.30 Uhr. Diese Zeit ist seit nunmehr 14 Jahren bei der Sulzfelderin (Lkr. Kitzingen) fest reserviert. Nach ihrer Arbeit als Verwaltungsangestellte beim Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) in Würzburg macht die 58-Jährige auf dem Heimweg einen Abstecher zur Justizvollzugsanstalt (JVA) Würzburg. Eine Herzensangelegenheit: „Ehrenamtlich zu arbeiten war für mich immer klar!“

Als sie über den SkF die Möglichkeit bekam, sich auch in ihrer Freizeit einzubringen, stand schnell fest: Kochkurse sind der ideale Weg, um die einsitzenden Frauen auf andere Gedanken zu bringen. Zumal es beim Gemüse-Schnippeln leichter fällt, ins Gespräch zu kommen, über die Sorgen und darüber zu sprechen, was die Zukunft bringen könnte.

Jedes Mal Vorfreude auf die Kochrunde

Ein Angebot, das gerne angenommen wird. Die Inhaftierten müssen sich über einen sogenannten Rapportschein anmelden, um dann dreimal beim Kochen teilzunehmen. Tags zuvor macht sich Andrea Luckert Gedanken, was auf dem Speiseplan steht und geht einkaufen. „Das war schnell ein Selbstläufer“, betont die Ehrenamtliche und freut sich jedes Mal auf die kleine Kochrunde. Zusammen gebrutzelt wird in einer kleinen Vierer-Gruppe, das hat sich als am sinnvollsten erwiesen.

Nach der Anmeldung und der Kontrolle an der Torwache sind es noch sieben bis acht weitere Türen bis zur Küche auf der Frauenstation. Inzwischen sind die Schränke gut gefüllt. Gab es in den Anfangsjahren kaum Geschirr, hat sich das längst geändert. Inzwischen steht neben Kerzen und Blumen sogar Porzellan zur Verfügung, die Zeit der Blechteller ist – zumindest während des gemeinsamen Kochens – vorbei.

Ein schön gedeckter Tisch gehört dazu. Wobei viele Frauen das so nicht kennen – wie sie überhaupt auch mit Kochen oft wenig am Hut haben.

„Ich bin mit allen per Sie - ich will nicht die Freundin spielen!“

Dass sie das Angebot trotzdem annehmen, sagt viel über den Wert des Kurses aus. Die Teilnehmerinnen müssen zudem etwas zahlen – der kleine Obolus von zwei Euro ist bewusst gewählt. Weil das finanziell trotzdem niemals ausreicht, wird das Angebot regelmäßig durch Spenden finanziert.

Ein paar Regeln hat die 58-Jährige für ihre Mittwochs-Runde aufgestellt: „Ich bin mit allen per Sie – ich will nicht die Freundin spielen!“ Was aber nicht heißt, dass nicht schnell Vertrauen gefasst wird. Die Unterhaltung beim Kochen endet nicht selten damit, dass ganze Lebensgeschichten erzählt werden. Mit allen schicksalhaften Irrungen, Wirrungen und Wendungen.

90 Minuten Essen zubereiten, 30 Minuten genießen – macht zwei Stunden frei fühlen. Die Probleme für kurze Zeit vergessen. Manchmal schlagen aber auch die Emotionen hoch: „Ab und zu fängt eine Frau auch an zu weinen“, nicht zuletzt weil da plötzlich für ein paar Momente so etwas wie heile Welt herrscht, nach der man sich schon ebenso lange wie vergeblich gesehnt hat.

Für Andrea Luckert sind das ganz besondere Momente. Angst kommt dabei übrigens nie auf. Weil sie immer die Person im Blick hat, niemals die „Täterin“. Dafür schleicht sich manchmal später auf der Heimfahrt eine gewisse Nachdenklichkeit ein. Dann ist da diese Freude über die eigene innere Zufriedenheit. In solchen Momenten sind die eigenen Probleme plötzlich ganz klein.

Plötzlich acht Türen vom normalen Leben entfernt

Wobei die Sulzfelderin sich bis heute das Erstaunen darüber bewahrt hat, wie schnell doch etwas aus der Bahn geraten kann – und man plötzlich sieben, acht Türen vom normalen Leben entfernt ist.

Zum „Tag der Gefangenen“ am Sonntag, 6. November, feiert Domkapitular Christoph Warmuth um 10 Uhr im Würzburger Kiliansdom einen Gottesdienst für Gefangene und ihre Angehörigen, Mitarbeiter der Justizvollzugsanstalten sowie Interessierte. Im Anschluss eröffnet Justizminister Winfried Bausback im Burkardushaus die Ausstellung „Muss Papa wieder auf Montage? Zur Situation der Kinder von Gefangenen.“ Der Sozialdienst katholischer Frauen informiert ebenfalls im Burkardushaus mit einem Infostand über die 100-jährige Geschichte von straffällig gewordenen Frauen. Neben Angeboten für inhaftierte Frauen und ihre Angehörigen gibt es zudem Gestricktes aus der JVA zu kaufen.