Der 47-jährige Jens Oertel steigt ein ins Kandidaten-Karussell um das Oberbürgermeister-Amt.
Meint der das ernst? Will Jens Oertel aus Castell in der Großen Kreisstadt Kitzingen den Steuerknüppel übernehmen? "Ja, das will ich wirklich. Weil ich sicher bin, dass ich die Blockaden, die hier existieren, lösen kann", stellt der 47-jährige Fluglehrer und Krisenmanager fest. Der sechsfache Familienvater will als parteiloser OB-Kandidat antreten und "eine echte Alternative sein".
Oertel erhöht die Zahl der Bewerber um den Kitzinger OB-Sessel damit auf sieben. Siegfried Müller (UsW) will sein Amt verteidigen, Astrid Glos tritt für die SPD an, Stefan Güntner für die CSU, Klaus Christof für die KIK und Jens Pauluhn für die ödp. Die Freien Wähler/FWB werden laut Jutta Wallrapp "einen Mann" ins Rennen schicken, dessen Namen aber erst bei der Nominierungsversammlung am 9. Dezember bekannt geben.
Die Unabhängigen Kitzinger Bürger (UKW), die sich kürzlich von der UsW abgespalten haben, werden laut Karl-Heinz Schmidt "sicher keinen OB-Kandidaten" aufstellen. Das gilt auch für ProKitzingen, bestätigt Franz Böhm.
Falls nicht noch ein weiterer Bewerber auftaucht, von dem bisher niemand etwas ahnt, werden die Kitzinger am 16. März also die Wahl zwischen sechs Vertretern bestehender Stadtratsfraktionen und einem parteilosen Kandidaten haben.
Letzterer taucht mit viel Leidenschaft in die Kommunalpolitik ein. Jens Oertel glaubt, dass sein bisheriger Werdegang und seine berufliche Erfahrung ihn prädestinieren, eine Kommune wie Kitzingen in eine gute Zukunft zu führen.
Der gebürtige Rüsselsheimer, der mit seiner Familie seit langem in Castell lebt, ging nach dem Abitur in die USA und nach Isreal, wo er zunächst Judaistik studierte und sich dann auf Pädagogik und Literaturwissenschaften konzentrierte. Acht Jahre lang führte er den Kunst- und Literaturverlag "Präsenz" (Gnadenthal).
Ab 2003 arbeitete er als Unternehmensberater und Krisenmanager für Projekte im Nahen Osten; Auftraggeber waren unter anderem Caritas International, Misereor oder der Industriemagnat Stef Wertheimer. "Es ging darum, bestehende Betriebe zu stabilisieren, vor allem in Israel, Palästina und im Libanon", erklärt Oertel. "Zum Beispiel ist aus einer Bauruine eine der besten Schulen Israels entstanden."
In Isreal lernte Jens Oertel auch seine Frau Margaritha, eine Castellerin, kennen.
"Mit ihr bin ich seit 23 Jahren glücklich verheiratet." Drei Jahre lang lebten die Oertels zusammen in Israel, dann zog die wachsende Familie nach Deutschland zurück. Mit ihren vier Söhnen, zwei Töchtern und der Großmutter leben Jens und Margaritha Oertel quasi in einem Mehrgenerationenhaus.
Zwei Jahre lang war Oerthel für MdL Dr. Otto Hünnerkopf als freier Mitarbeiter tätig, vorwiegend in Sachen Konversion.
Um seiner Frau den Wiedereinstieg in ihren Beruf als Hebamme zu ermöglichen, hat Jens Oertel in den vergangenen drei Jahren seine Auslandsaufenthalte stark reduziert und sich auf die Familie sowie kleinere Nebentätigkeiten vor Ort konzentriert.
In die Politik zu gehen, sei keine von langer Hand geplante strategische Entscheidung, betont Oertel.
Seine Verbindungen nach Kitzingen - er ist Fluglehrer beim Luftsportclub und Mitglied im Förderverein Alte Synagoge -, seien durch die Konversionsprobleme am Flugplatz immer enger geworden. Vor etwa einem Vierteljahr habe er dann immer stärker gespürt, dass seine Talente in Kitzingen viel bewegen könnten. "Es gibt im Leben Situationen, in denen man aktiv werden und sich als Alternative anbieten muss."
Der 47-Jährige bezeichnet sich selbst als unabhängige Persönlichkeit, die "einen Blick für ungenutzte Ressourcen hat und für Blockaden, die eine gute Entwicklung verhindern". Durch seinen Beruf habe er nicht nur gelernt, mit Menschen umzugehen, sondern auch, das Beste aus Situationen herauszuholen.
"In Kitzingen fehlt die Gesamtsicht auf die Dinge, das gemeinsame Ziel: Wo wollen wir in zehn, 20 Jahren stehen?" Ein orientierendes Leitbild sei genauso wichtig wie eine gesunde Stadtverwaltung, eine attraktive Stadtmitte und ein lebendiges Gemeinwesen. Gerade als Parteiloser sei sein Blick auf die Stadt gleichzeitig scharf und "ungefärbt". Er wolle den Stadtrat parteiübergreifend mehrheitsfähig machen - nach dem Motto "Kitzingen zusammen führen".
Um mit politischem Abstand agieren zu können, habe er sich ganz bewusst für die Parteilosigkeit entschieden. "Ich habe aber mit zahlreichen Kitzingern, auch mit Stadträten und Fraktionen, sehr gute, konstruktive Gespräche geführt. Letztendlich möchte ich aber unabhängig sein - eine echte Alternative."
Dass er Unterstützer braucht, ist Oertel dennoch klar. "Am 7.
Dezember lade ich um 11 Uhr alle Interessierten zu meiner Aufstellungsversammlung in die Obere Kirchgasse 20 ein, aufs Bürgerbräu-Gelände. Dafür habe ich nämlich konkrete Nutzungsvorschläge." In der Folge müssen dann mindestens 190 Kitzinger auf einer Liste unterschreiben, die im Rathaus aushängt. Dann ist Oertel offiziell OB-Kandidat.
"Ich will konkrete Projekte anschieben und die Initiative ergreifen", sagt Oertel, der seinen Wahlkampf komplett aus seinem privaten Umfeld finanzieren will. "Als Leuchtturm-Projekt für eine attraktive Stadtmitte stelle ich mir zum Beispiel die Sanierung des Markcafés als stadteigene Baumaßnahme vor, in der auch ein Lebensmittelladen Platz hätte." Mit zahlreichen anderen konkreten Ideen will Oertel in den kommenden Monaten die Kitzinger für sich gewinnen. Er meint seine OB- Kandidatur wirklich ernst.