Ein neues Gutachten macht den Anwohnern der Bahntrasse durch Marktbreit und Obernbreit neue Hoffnung - weil es manch neuen Aspekt des Schalls in den Vordergrund rückt.
Gegessen wird drinnen. Wer vor der Türe steht, hört aus dem Esszimmer das Geschirr klingen - aber nur, solange kein Zug vorbeifährt. Kein Wunder, dass die Familie Fuchs den Mittag lieber im Haus verbringt. Unterhaltungen auf der Terrasse muss sie immer wieder unterbrechen, die Züge sind einfach zu laut. Darum setzt sich Werner Fuchs seit längerem verstärkt dafür ein, dass Marktbreit einen ordentlichen Lärmschutz bekommt - genauso wie Bürgermeister Erich Hegwein und sein Kollege Bernhard Brückner aus Obernbreit.
Die haben im Mai diesen Jahres ein Gutachten in Auftrag gegeben, das zeigen soll, welchen Belastungen die Bürger, die in (un-)mittelbarer Nähe zu den Bahngleisen wohnen, tatsächlich ausgesetzt sind. Freilich hat das Eisenbahnbundesamt selbst auch schon Messungen durchgeführt. Die bringen aber lediglich Erkenntnisse zum Dauerschallpegel, und der ist nicht allein entscheidend - sagen die beiden Ingenieure Dietrich Moldan und Jürgen Muck.
"Es geht darum, wie man den Lärm empfindet", erklärt Moldan. "Es ist der Charakter eines Geräusches, der Lästigkeit hervorruft, und oft nicht dessen Lautstärke", ergänzt Jürgen Muck deshalb auch in seiner Zusammenfassung - und er hat ein anschauliches Beispiel parat. "Wenn die Lehrerin mit der Kreide über die Tafel kratzt, dann ist das ein ganz besonders unangenehmes Geräusch." Wie laut es in diesem Moment tatsächlich ist, interessiert kaum.
Dieses Phänomen beschreibt der Begriff Rauhigkeit. Er ist nur einer von mehreren Aspekten, die in das Gutachten eingeflossen sind.
Schließlich sind neben dem Dauerschallpegel, der in Dezibel angegeben wird, weitere Punkte zu beachten: Wie hoch ist die Lautstärke auf ihrem Höhepunkt, wie lange dauert so eine laute Phase, wie oft wird es laut und wie ist das Verhältnis zu den Ruhephasen?
Diesen Fragen gingen die beiden Ingenieurbüros in Kooperation nach. Sie installierten an neuralgischen Punkten - unter anderem auch auf der Terrasse von Werner Fuchs - Mikrofone, die den Schall in all seinen Ausprägungen aufzeichneten. Insgesamt gab es 17 Messpunkte drei unterschiedlichen Entfernungen zur Bahnlinie - und jeder einzelne brachte wertvolle Erkenntnisse. Vor allem auch die, dass das Eisenbahnbundesamt mit seinen Berechnungen den Schalldruckpegel betreffend in der Hälfte der Fälle daneben lag - es hatte die Lärmbelästigung allerdings zu 50 Prozent zu hoch angesetzt.
Also alles in Butter?
"Dieser Wert ist nicht allein entscheidend", wiederholt Dietrich Moldan. Schließlich werden Spitzenwerte dabei nicht genannt. Der leiseste Messpunkt wies 65,2 Dezibel auf, am lautesten Punkt wurden 84,3 Dezibel gemessen. Die Bürger, die dort wohnen, empfinden den Schall damit als bis zu vier Mal lauter - dieses Verhältnis ist vergleichbar mit einem in 15 oder in einem Meter Abstand vorbeirauschenden Pkw.
Die Bürgermeister Hegwein und Brückner sind sich jedenfalls einig, dass etwas passieren muss. Pläne, zumindest an Teilen der Trasse Lärmschutzwände aufzubauen gab es bereits, geschehen ist aber noch nichts. Zur Not müssen die Gemeinden selbst tief in die Tasche greifen, obwohl die Deutsche Bahn jedes Jahr 100 Millionen Euro investiert. Ob das zusätzliche Gutachten da einen Stein ins Rollen bringt, wird sich noch zeigen müssen.
Jürgen Fuchs hat die Hoffnung jedenfalls noch nicht aufgegeben. Bis es soweit ist, nimmt er die Mahlzeiten mit der Familie weiterhin vornehmlich drinnen ein.
Mehr Info und die genauen Ergebnisse des Gutachtens lesen Sie in der Freitagsausgabe Ihrer Kitzinger.