"Trifft uns in allen Bereichen": Der Ukraine-Krieg und die Auswirkungen auf fränkische Betriebe

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Timo Piwonski hat sein Unternehmen Iprotex in Münchberg mit Anfang 20 als Garagenfirma gegründet.
Timo Piwonski hat sein Unternehmen Iprotex in Münchberg mit Anfang 20 als Garagenfirma gegründet.
Ipotrex

Der Kabelbaum in einem Auto ist so etwas wie das zentrale Nervensystem. Ohne das geht gar nichts. Das Kriegsland Ukraine fertigte bislang vor allem das Produkt. IPROTEX aus dem oberfränkischen Münchberg liefert die Schutzhüllen. inFranken.de fragt bei Firmen-Chef, Timo Piwonski, nach, wie seine Firma mit dem Krieg und der Energiekrise umgeht.

  • Was macht IPROTEX und wie viele Beschäftigte hat das Unternehmen?
  • Was hat sich durch den Krieg in der Ukraine für IPROTEX verändert?
  • IPROTEX liefert an Kabelbaumhersteller in die Ukraine, wie sieht das jetzt aus? 
  • Wie gehen Sie mit der Kostenexplosion bei den Energiepreisen um?
  • Haben Sie Geschäftsbeziehungen mit Russland?
  • Auch das Verhältnis der westlichen Staaten zu China ist angespannt. Wie sehen Sie die Entwicklungen im chinesischen Markt?
  • Wer ist Timo Piwonski?

Die Ukraine ist Autozulieferer (vor allem Kabelbäume), Stahlproduzent und baut Getreide bzw. Sonnenblumen an. Der Krieg verhindert das normale Wirtschaftsleben. Aber auch deutsche Firmen sind betroffen, wie der Textilhersteller IPOTREX in Münchberg.

inFranken.de: Was macht IPROTEX und wie viele Beschäftigte hat das Unternehmen?

Timo Piwonski: "IPROTEX entwickelt und fertigt weltweit textile Kabel- und Leitungsschutzprodukte, Hitzeschutzprodukte für verschiedene Anwendungen, die sich u. a. in Fahrzeug-Kabelbäumen oder medienführenden Leitungen wiederfinden. Einen weiteren Bereich bilden technische Textilien für die unterschiedlichsten Anwendungen in allen möglichen Industriezweigen, wie zum Beispiel bei der Bahn, im Maschinenbau oder in der Infrastruktur. Wir haben in Münchberg und in Crimmitschau/Sachsen insgesamt rund 180 Mitarbeiter."

Was hat sich durch den Krieg in der Ukraine für IPROTEX verändert?

"Logistisch mussten wir in Zusammenarbeit mit unseren Kunden, die in der Ukraine Kabelsätze für die Automobilindustrie fertigen, unsere Lieferungen kurzfristig auf andere Produktionsstandorte umdirigieren. Unsere Kunden verfügen über zahlreiche Werke, beispielsweise in Rumänien, Serbien, Polen, Slowakei, Tunesien oder Marokko. Das war noch der leichtere Part. 

Wesentlich heftiger sind für uns die Auswirkungen rund um den Energiebereich. Die Explosion von Strom- und Gaspreisen, Heizöl und Kraftstoffen und die damit verbundene, extreme Verteuerung von Chemiefasern, Rohstoffen aller Art. Auch sind die ohnehin bereits seit Corona erheblich gestiegenen Logistikkosten nochmals deutlich angewachsen. Dies trifft uns in allen Bereichen, sowohl in der Beschaffungslogistik, als auch in der Versandlogistik. Von der eingeschränkten Verfügbarkeit und der damit verbundenen Störung der Lieferketten ganz zu schweigen."

IPROTEX liefert an Kabelbaumhersteller in die Ukraine, wie sieht das jetzt aus?

"Wie schon gesagt, mussten unsere Kunden kurzfristig ihre Fertigung auf andere Produktionswerke umstellen. Sämtliche Zulieferungen sind quasi über Nacht auf andere Destinationen neu geroutet worden. Unsere Logistik, unser Vertrieb stimmt sich mehrmals wöchentlich ab. Erschwerend kommt die mangelnde Verfügbarkeit von LKWs und den Fahrern hinzu, da unsere Kunden viel mit ukrainischen, polnischen Logistikern zusammenarbeiten. Im Transit befindliche Ware befindet sich aktuell in LKWs, die nicht abgeladen werden können oder bis dato noch gar nicht am Bestimmungsort angekommen sind. 

Mittlerweile fertigen erste Werke unserer Kunden wieder in einigen Fabriken Kabelbäume. Kaum vorstellbar, wenn man die schlimmen Berichte in den Medien verfolgt. Aber offensichtlich sind einige Industrieregionen noch von Angriffen verschont. Die Kommunikation und auch die Aufrechterhaltung der Logistikkette sind momentan äußerst schwierig, für alle Beteiligten kaum planbar."

Wie gehen Sie mit der Kostenexplosion bei den Energiepreisen um?

"Die Kostenexplosion bei den Energiepreisen ist ein eher "deutsches Problem", wie wir im Vergleich zu unseren Auslandsstandorten, die wir in China, Mexiko, Tunesien oder Nordmazedonien haben, feststellen. Wir fertigen in insgesamt sieben Werken weltweit technische Textilien und Kabel-/Leitungsschutzprodukte und kein anderes Werk ist so stark betroffen von der Energiepreis-Explosion wie unsere beiden deutschen Werke in Münchberg und Crimmitschau.

Die Steigerungsraten bei den Energiekosten können wir in unseren Kalkulationen nicht auffangen. Das, was wir noch im letzten Jahr ertragreich produzieren konnten, ist heute eine Nullnummer, oder man legt Geld drauf! Wir versuchen, diese zusätzlichen Kosten in Zusammenarbeit mit unseren Kunden weiterzureichen, was wahrlich keine leichte Aufgabe ist. In solch kurzer Zeit, solche extreme Steigerungen weiterzugeben, ist schwer, aber für das Überleben der Unternehmen unumgänglich. Natürlich appellieren wir an unsere Mitarbeiter, Verbräuche zu senken, durch adäquate Anpassung von Schichtmodellen in Form einer Reduzierung der Arbeitstage durch verlängerte Schichten, sofern dies möglich ist oder in den Verwaltungsbereichen durch Home-Office-Arbeit. Es vergeht keine Woche, wo die Industrie nicht vor neue Herausforderungen gestellt wird. Sei es durch die mangelnde Verfügbarkeit von Rohmaterialien, Zutaten oder eben durch eine neu zu bewertende Logistiksituation."

Haben Sie Geschäftsbeziehungen mit Russland?

"Nachdem unser Umsatzanteil mit der Ukraine und Russland gering ist, sind wir nicht so stark auch von den Embargos mit Russland betroffen. Wir halten stets Kontakt, natürlich auch mit unseren russischen Kunden und uns ist am Telefon oder in Webkonferenzen (soweit das möglich ist) noch keiner begegnet, der Putins Krieg in irgendeiner Art und Weise rechtfertigte. Die Kommunikation mit unseren Kunden in der Ukraine ist teilweise schwierig, durch mangelnde Erreichbarkeit oder durch beschädigte oder zerstörte Infrastruktur."

Auch das Verhältnis der westlichen Staaten zu China ist angespannt. Wie sehen Sie die Entwicklungen im chinesischen Markt?

"Ich denke, China ist in gewisser Weise auch abhängig von den Märkten in der westlichen Welt und ich hoffe, dass die Regierung in China de-eskalierend auf Putin einwirken kann. Es kann nicht Ziel Chinas sein, durch einen Schulterschluss mit Russland eine Ausweitung der kriegerischen Handlungen voranzutreiben. Wir sollten miteinander in Frieden leben und unsere Wirtschaftsbeziehungen nicht gefährden. Auch China lebt von einem intakten, internationalen Handel."

Wer ist Timo Piwonski?

Timo Piwonski (47) ist Gründer und Geschäftsführer der Iprotex GmbH & Co. KG in Münchberg. Seit 1999 konnte sich das Unternehmen unter seiner Führung zu einem internationalen Hersteller für technische Textilien entwickeln. Seit 2009 ist Timo Piwonski ist auch Vorsitzender der oberfränkischen ofraCar, der Plattform der nordbayerischen Automobilzulieferindustrie (über 50 Mitgliedsunternehmen). Nach einem Realschulabschluss macht Piwonski, ein gebürtiger Kronacher, eine kaufmännische Lehre. Die Textilfirma, bei der er seine Ausbildung machte, ging 1998 in Konkurs. Piwonski, macht sich zusammen mit einem Arbeitskollegen selbstständig, gründet 1999 Iprotex in Wallenfels. Die Geschäftsidee: Technische Textilien für die Industrie, vor allem für Autobauer. Zu seinen Hobbys zählen Pferden, er reitet selber auch gerne mal Dressur.