Der Heimbetrieb geht laut Landratsamt in Haßfurt zunächst weiter, die Welle der Empörung auch.
Bürgermeister Helmut Dietz (SPD) ist "schockiert" und fürchtet um den Ruf seiner Gemeinde Untermerzbach, die aufgrund des unrühmlichen "Falles
Gleusdorf" bundesweit in die Schlagzeilen geraten ist. Dietz mag es auch noch nicht glauben, was dabei über den Pflege-Skandal in der Seniorenresidenz, die er nach eigenem Bekunden zu Gratulationen immer wieder besucht hat, berichtet wird. Und dennoch reißen die Horror-Meldungen nicht ab.
Pflegeskandal Gleusdorf: Über den Tod hinaus ausgeplündert?
Dem Bürgermeister ist bei den Geburtstags-Gratulationen nie etwas aufgefallen, das sich in Richtung der Anschuldigungen deuten ließe, teilte Dietz auf Anfrage unserer Zeitung mit. Er bittet darum, von Vorverurteilungen abzusehen und das Ergebnis der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft abzuwarten. "Ich hoffe, dass die Ermittlungen vorangehen und zeitnah Ergebnisse bringen."
Neue Details
Diese Hoffnung dürfte kaum in Erfüllung gehen. Die Flut der Anschuldigungen ebbt nicht und bereitet der zehnköpfige Ermittlergruppe der Schweinfurter Kripo viel Arbeit. Immer mehr Details kommen ans Tageslicht und werden demnächst auch den Landtag beschäftigen.
Die 200 Einwohner im Dorf leben Tür an Tür zum Schloss, ohne zu ahnen, was sich hinter den Mauern abspielt. Viele reagierten fassungslos auf die Beschuldigungen.
Viele Anwohner führen Besuchsdienste für die oft dementen oder suchtkranken Patienten durch, die in vielen Fällen unter Betreuung stehen und selten familiären Besuch bekommen. Bei Spaziergängen werden die Bewohner begleitet, Hundehalter kamen in der Residenz vorbei, um den Bewohnern eine Freude zu bereiten. Dass hinter der Fassade des Schlosses, das nach außen edel und einladend wirkt, Kriminelles passiert sein soll, kann sich kaum einer vorstellen.
Wie das aber aussah, berichtet ein Ergotherapeut, der jetzt in Suhl lebt, gegenüber unserer Zeitung: "Ich habe Leute in den eigenen Exkrementen liegen sehen, während die beiden Geschäftsführer jeweils im AMG-Mercedes vorfuhren."
Dass der Medizinische Dienst der Krankenversicherung MDK davon nie Notiz genommen habe, habe ihn damals - 2004 - schon sehr erstaunt. "Und wenn sich Heimbewohner beschwerten, dass sie nie Obst bekommen, hieß es, das sollen ihre Angehörige mitbringen. Dabei bekamen die meisten gar keinen Besuch." Was der Heimleiter im Gespräch mit unserem Portal bestätigt hat. Stattdessen brachten Pflegerinnen etwas mit - dafür gab es Rüffel und Abmahnungen. "Wenn wir ein Fest aus der eigenen Kasse organisierten, sollten wir noch die Rechnungen abgeben, damit die Chefs die Vorsteuer absetzen können."
Wie passiert mit den einstigen Pflegekräften?
Sie haben die Sache ins Rollen gebracht und geraten darob ins Kreuzfeuer der Kritik von Außenstehenden. Den früheren Mitarbeitern in der Seniorenresidenz wird immer wieder die Frage gestellt: Warum haben Sie nicht früher gehandelt? Die Staatsanwaltschaft spricht sogar von möglicher Mitschuld.
"Ich finde es total ungerecht, uns, dem Personal, den schwarzen Peter zuzuschieben. Wir haben vor etlichen Jahren schon versucht, etwas gegen die Behandlung der Heimbewohner und die Ungerechtigkeit uns gegenüber zu tun", teilt eine Pflegekraft mit. Deswegen zogen die meisten Mitarbeiter von Gleusdorf in Schweinfurt vor Gericht.
"Dort war das Haus schon bekannt. Die Richter haben immer zu Gunsten des Arbeitgebers geurteilt. Das Gericht hat sich keine Gedanken gemacht, ob nicht doch 'was dran ist, wenn so viele Mitarbeiter eines Hauses vor Gericht ziehen. Es kotzt mich an, dass uns anscheinend immer noch nicht geglaubt wird", schreibt eine Pflegekraft auf Facebook.
Der Chef des Arbeitsgerichts in Schweinfurt, Wolfgang Pohl, bestätigt 15 Rechtsstreitigkeiten seit 2013. Es müssen aber viel mehr gewesen sein. So berichte der Vorbesitzer des Schlosses, Peter Böhnlein, der zusammen mit seiner Mutter die Einrichtung aufbaute -"als Pflegeheim, nicht als Psychiatrie" - gegenüber unserer Zeitung, dass "binnen weniger Monate unser perfektes und gut funktionierendes Personal gegangen wurde" . Einer seiner besten Kräfte, so Böhnlein, habe unter psychischem Druck sogar einen Selbstmordversuch unternommen.
Mehrere andere Pflegekräfte befinden sich noch heute in psychiatrischer Behandlung.
"Alle haben weggeschaut. Ob Heimaufsicht oder MDK oder PDL. Es ist einfach nicht zu fassen", klagen die älteren Mitarbeiterinnen.
Das sehen auch Angehörige so, die ihre Verwandten wieder aus dem Heim abzogen und sich - zumindest in einem Fall - auch bei der Heimaufsicht beschwerten und von dort die Auskunft erhielten: "Dann bringen sie Ihre Mutter halt in ein anderes Heim."
Dabei hat es nach Aussage des Heimleiters Gerhard U. gar nicht so viele Verlegungen gegeben. Im Beisein seines Anwalts und des Heim-Arztes gegenüber unserer Redaktion behauptete er: "Nur zwei in den letzten Jahren." Als wir ihm entgegneten, dass bereits drei Fälle bekannt seien, schaute er nochmals in seiner Computer: "Vielleicht waren es vier oder fünf."
Es waren viel mehr. "Mein Onkel ist nach dem Wechsel von Gleusdorf nach Eltmann regelrecht wieder aufgeblüht", schrieb ein anderer Informant.
Auch melden sich andere Heimleiter/innen zu Wort. Viele distanzieren sich von den Praktiken in Gleusdorf und versichern, dass es bei ihnen "nicht so zugeht". Zwei Insider, die drei MDK-Besuchsprotokolle einsahen, die uns Heimleiter U. in Auszügen zu seiner Verteidigung zur Verfügung gestellt hatte, urteilten nach dem Studium der Unterlagen: "Aufgrund solcher Anmerkungen hätten wir unsere Häuser schon dicht gemacht."
Ein anderer Heimleiter mit jahrzehntelanger Erfahrung meint: "Das Gleusdorfer Heim war immer schon berüchtigt. Es nahm die Klientel, die keiner haben wollte: Sozialhilfeempfänger ohne Angehörige, schwer Demenzkranke, Weglaufgefährdete, die sind für jedes Heim ein rotes Tuch." Dazu noch HIV-Infizierte und den mittlerweile verstorbenen Axt-Mörder aus Michelau.
Wenn ich so über diese Zustände dort nachdenke, so tun mir die betroffenen Bewohner so unsäglich leid. Vor allem, dass gerade sie als die Schwächsten in diesem System fast niemand hatten, der für sie einstand. Was muss manch einer, gerade auf die letzten Lebensjahre oder Monate evtl. an seelischen und/oder körperlichem Leid erlitten haben. Auch die vielen Fragen, die jetzt bei manch einem der Familienmitglieder für immer unbeantwortet bleiben, auch Schuldgefühle, nichts gewusst oder bemerkt zu haben. Was für eine schreckliche, bedrückende Situation. Man kann nur hoffen, dass dieser Skandal eine bessere Pflege unserer Senioren bewirkt.
Bei aller Kritik die derzeit über die Seniorenresidenz Gleusdorf niederprasselt, sollte man wissen, dass zur besseren Wundheilung tatsächlich lebende Maden auf offene Wunden gebracht werden. Dabei handelt es sich um eine moderne (alte) Heilmethode.
Wenn sich die vorwürfe bestätigen, dann müssen die behördlichen Verantwortlichen an den oberen Stellen ihre Posten verlassen, aber richtig und nicht so dass sie an eine andere hohe Stelle hinbollern. Wie man das so kennt. Die Erfahrungen mit dem Umgang mit Behörden scheinen mir gar nicht aus der Luft gegriffen. Ich kenne selber so Erfahrungen, allerdings auf ganz andern Gebiet. Aber so läufts ab. Nichts wissen, sich nicht bewegen wollen, die Beschwerdevortrager als unfähig oder dumm hinstellen. Welch eine schande in unserm Land!
nun es wird laufen wie es schon immer gelaufen ist, beim MDK und bei der heimaufsicht wie auch beim heimarzt wird sich nichts tun oder wie es so schön heisst, es war nichts nachweisbar, das arbeitsgericht ist so wie so aussen vor es sei den der verdacht der rechtsbeugung würde vorliegen, na ja wer bleibt übrig fürs bauernopfer, richtig die mitarbeiter die haben nicht nur in der pflege versagt nein sie haben auch dreck über ihren arbeitgegber ausgeschüttet und genau das macht man nicht
Hoffentlich rollen bei den Kontrollinstanzen die hier jämmerlich versagt haben ein paar Köpfe, es ist schließlich ihre Aufgabe während der Kontrollen Missstände aufzudecken. Die Richter in Schweinfurt die offensichtlich eine Vorliebe für das Heim hatten und immer gegen das Personal entschieden trifft jedenfalls mehr Mitschuld als die (ehemaligen) Mitarbeiter des Heimes. Auch dort sollte es Konsequenzen geben und es sollte sehr genau überprüft werden ob nicht in irgendeiner Form bestochen wurde, mit rechten Dingen kann das alles jedenfalls nicht zugegangen sein.
Wenn die Behörden jedenfalls jetzt gegen die Mitarbeiter des Heimes vorgehen ("immer auf die Kleinen"), sollten die Betreffenden auf alle Fälle die Öffentlichkeit suchen und ich bin mir sicher das es genug Unterstützung geben wird.