In der Reihe "Politik trifft Bildung" war Linken-Abgeordnete Petra Pau, Vizepräsidentin des Bundestages, Gast am Gymnasium Ebern.
Eine "Schiedsrichterin", den "Vorstand eines großen Vereins" und eine "Diplomatin" hatte am Dienstagmittag das Friedrich-Rückert-Gymnasium (FRG) in Ebern zu Gast, vereint in der Person von Petra Pau (Die Linke). Die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages war der Einladung der Bildungseinrichtung gefolgt, um sich unter dem Motto "Politik trifft Bildung", den Fragen der Schülerinnen und Schüler der Q12 zu stellen.
Die Mündigkeit der Staatsbürger spiele eine große Rolle, sagte der Leiter des FRG, Oberstudiendirektor Klauspeter Schmidt, bei der Begrüßung. Gerne greife man in der sechsten Runde bei "Politik trifft Bildung" bewusst auf Politprominenz von außerhalb der Region zurück.
Politik hautnah
Zweck der Veranstaltung solle sein, den Schülern Politik hautnah vor Augen zu führen. Der Schulleiter freute sich über die spontane Zusage, der Vizepräsidentin, die ihr Amt überparteilich führe, nach Ebern zu kommen. "Vielleicht kommen Sie ja auch mal, um bei uns in den Haßbergen Urlaub zu machen", sagte Schmidt. Er erfuhr dann allerdings etwas später, dass Petra Pau, danach gefragt, was für sie Glück bedeute, seit vielen Jahren ihren Urlaub im Allgäu verbringt. "Ich habe mich in die Gegend und die Menschen verliebt", gestand die Spitzenpolitikerin.
Sophia Reinmund und Simon Schleicher, Schüler des FRG, zeigten sich als kompetente und sympathische Moderatoren, die nicht nur vorgefertigte Fragen an die Politikerin richteten, sondern auch spontan auf verschiedene Ausführungen des Gastes aus Berlin reagierten. So wurde das Ganze nicht zu einem Frage-und-Antwort-Spiel, sondern zu einem lebhaften und informativen Gespräch.
Ein Kind der DDR
Zunächst hatte die gebürtige Berlinerin die Gelegenheit, ihren persönlichen Werdegang zu offenbaren. Sie erläuterte, wie sie als "Rotes Ampelmännchen" in der Politik Fuß fasste und schließlich in das hohe Amt einer Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages kam. "Das rote Ampelmännchen wurde mein Weggefährte, da es sichtbar läuft und zwar nach links", sagte die 52-Jährige.
1998 war die ehemalige Pionierleiterin und Lehrerin in der ehemaligen DDR für sich "ziemlich überraschend" in den Deutschen Bundestag gekommen. Hierbei griff sie auf ihr Buch "Gottlose Type" zurück, in dem sie ihre "unfrisierten Erinnerungen" niederlegte. "Ich habe zwei unterschiedliche Systeme erlebt, den Sozialismus und den Kapitalismus", sagte die Politikerin, die in Kürze verschiedenen Stationen ihres Lebens aufzeigte. Auch hätten ihr "manche von den Grünen" in einer Intrige eine Stasiverstrickung unterstellt. "Die haben sich bis heute noch nicht bei mir entschuldigt."
Massive Debatten
"Hätte mir 1990 jemand gesagt, ich würde einmal Mitglied des Bundestages und noch sogar Vizepräsidentin desselben, hätte ich ihn zum Arzt geschickt", sagte Petra Pau. Sie ging kurz auf das aktuelle Flüchtlingsproblem ein. "Wir haben derzeit massive Debatten und vermeintliche Obergrenzen. Wir haben aber keine Debatten in unserer Gesellschaft über deutsche Rüstungsexporte und grenzenlose Kriegsthemen."
In einer "Ping-Pong-Frage-Runde" war die Vizepräsidentin gefordert, auf vorgegebene Begriffe spontane Antworten zu geben. Mit Hinweis auf die Terroranschläge in Paris und Brüssel wurde gefragt, was für sie Terror bedeute. Sie verurteile Gewalt, mit der versucht werde Freiheiten einzuschränken und Grundwerte zu verändern. Nicht vernachlässigt werden dürfe die Gefahr von rechts. "Hier kann keine Entwarnung gegeben werden. Ich höre vom Bundeskriminalamt dass täglich drei Anschläge auf Asylbewerber oder deren Unterkünfte verübt werden."
Füreinander einstehen
Als wichtig bezeichnete sie die Enthüllungen durch Edward Snowden. Es habe manchen die Augen dafür geöffnet, wie Dienste agieren und verschleiern und dass man da genauer hinschauen müsse.
Zum Begriff Familie sagte Petra Pau, dass diese füreinander einstehen müsse. Dazu gehöre auch Toleranz gegenüber andersgeschlechtlichen Verbindungen. Glück sei für sie ihren Jahresurlaub im bayerischen Allgäu zu verbringen, wo sie in schöner Landschaft abseits von Politik und im Kontakt mit netten Menschen den Kopf frei bekommen könne.
Angela Merkel ermahnt
Ihr Amt als Vizepräsidentin sei ihr wichtig. Danach gefragt, was eigentlich ihre Aufgabe sei, sagte Petra Pau, dass sie als "Schiedsrichterin" Plenarsitzungen leite. In dieser Funktion musste sie auch die Bundeskanzlerin rügen, sagte sie auf eine entsprechende Frage der "wissenden" Moderatoren. Wichtig sei es hier unparteiisch zu handeln. Auch sitze sie, zusammen mit anderen, im Vorstand des großen Unternehmens Bundestag, der dessen Abläufe lenken müsse.
Nicht zuletzt sieht sie sich als Diplomatin, wenn sie in ihrer Funktion die Bundesrepublik im Ausland vertrete. Im Kontakt mit den Bürgern komme ihrem Amt auch ihr ehemaliger Beruf als Lehrerin zugute.
Als angenehme Aufgaben sieht sie es, wenn sie z. B. als "Schirmfrau" Gruppen von Schülern oder Studenten betreuen darf, die sich mit dem Gedanken tragen, Journalisten zu werden und deshalb hinter die Kulissen des Bundestages blicken dürfen.
Bei der Wende sei es für sie am 4. November 1989 ein Schlüsselerlebnis gewesen, als sie im Hof ihrer Schule Panzerwagen und Soldaten sah, die auf ihre Fragen angaben, dass sie mit Waffengewalt verhindern sollten, wenn jemand durch das Brandenburger Tor dringe. "Das war nicht mehr mein Land", sagte die Bundesdtagsvizepräsidentin.
Fehler im NSU-Prozess
Schließlich stellte sie sich noch einigen Fragen der Schüler. So sagte sie zur Frage, ob bei den NSU-Ermittlungen Fehler gemacht wurden ein klares "Ja." Die Behörden hätten unter sich zu wenige Informationen ausgetauscht. Auch sei der Fokus zu stark auf organisierte und Ausländerkriminalität gelegt worden. "Dienste, Polizei, die Presse und letztlich auch die Politik hätten hier nicht zielgerichtet gehandelt.
Den Schülern gab Petra Pau mit auf den Weg, sich für demokratische Werte einzusetzen, in sozialen Netzwerken nichts oder nicht zu viel von sich zu offenbaren, nicht nur die Flüchtlinge, sondern auch die Ursachen der Flüchtlingsprobleme zu sehen und offen aber auch kritisch ihr Leben zu gestalten.
Hätte Oberstudiendirektor Klauspeter Schmidt der Bundestagsvizepräsidentin ein Zeugnis ausstellen müssen, hätte er hineingeschrieben: "Sie waren authentisch, unbeirrbar und sympathisch." Das sagte er ihr dann auch.