Völlig widersprüchliche Aussagen machten es dem Amtsrichter in einem Strafprozess am Amtsgericht in Haßfurt, bei dem es um Körperverletzung ging, unmöglich, ein Urteil zu sprechen. Er unterbrach die Verhandlung. Jetzt wird ein neuer Termin angesetzt mit weiteren Zeugen. Richter Roland Wiltschka will Klarheit - und die Wahrheit.
"Irgendjemand lügt hier", stellte Amtsrichter Roland Wiltschka fest, nachdem fünf junge Burschen einzeln als Zeugen ausgesagt hatten. Bei der Verhandlung war eine 22-Jährige angeklagt wegen Körperverletzung. Drei der jungen Männer behaupteten, dass die junge Frau einem von ihnen mit einer Glasflasche eins über den Schädel gezogen habe. Die anderen beiden, nämlich der Freund der Angeklagten sowie der Bruder des Freundes, beteuerten das Gegenteil. Weil sich in dem Strafprozess am Amtsgericht in Haßfurt nicht aufklären ließ, wer lügt und wer die Wahrheit sagt, vertagte der Vorsitzende den Prozess mit der Ankündigung, zum nächsten Termin weitere Zeugen vorzuladen.
Vor der Diskothek Die Tat soll sich vor einer Hofheimer Diskothek in der Nacht zum 13. Oktober letzten Jahres ereignet haben.
Es war bereits gegen vier Uhr in der Früh, als die Vergnügungsstätte schloss und sich 15 bis 20 Leute vor dem Ausgang in kleinen Grüppchen aufhielten. Die meisten warteten auf ein Taxi oder einen privaten Chauffeur, um die Heimfahrt anzutreten.
Die erste Version In dieser Situation, sagten die drei Discofreunde übereinstimmend, habe die Beschuldigte dem Jüngsten des Trios, einem 21-Jährigen, aus unerfindlichen Gründen eine Glasflasche auf den Hinterkopf gedonnert. Die Flasche blieb dabei ganz. Doch die Frau sei völlig außer sich gewesen, sei "wie von der Tarantel gestochen" herumgesprungen und habe die Flasche schließlich auf den Boden geknallt, wo sie zerbrach. Der Attackierte suchte die Notaufnahme des Haßfurter Krankenhauses auf, wo er ärztlich behandelt wurde.
Der Verdacht auf Gehirnerschütterung bestätigte sich nicht - es blieb bei einer Beule und zweitägigen Kopfschmerzen. Soweit die erste Version.
Mit 2,28 Promille Was der 23-jährige Freund der Angeschuldigten sowie dessen Bruder zu Protokoll gaben, war das Gegenteil. Es habe weder eine Glasflasche noch einen Schlag gegeben. Selbstredend beteuerte auch die angespannt auf der Anklagebank sitzende Discobesucherin ihre Unschuld. Zwar hatte sie "stolze" 2,28 Promille intus, aber "ich habe mich noch gut gefühlt und wusste ganz genau, was ich tue", sagte sie.
Weitere Zeugen kommen Mit den Aussagen gab sich der Haßfurter Amtsrichter nicht zufrieden. Für ihn geht Gründlichkeit vor Schnelligkeit. Deshalb ordnete er an, die Sitzung abzubrechen. Ein neuer Termin wird angesetzt; dazu werden neue Zeugen vorgeladen. Zumindest die beiden Security-Wachleute, die damals anwesend waren, sowie die Ärztin, die das "Opfer" behandelt hat.