"Jetzt red i" über den Fall Gleusdorf

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Die Bürgersendung "Jetz red i" des Bayerischen Fernsehens wurde am Mittwoch live aus dem Oberaurach-Zentrum in Trossenfurt übertragen. Rechts stehend: Moderator Tilman Schöberl Fotos: Sabine Weinbeer
Die Bürgersendung "Jetz red i" des Bayerischen Fernsehens wurde am Mittwoch live aus dem Oberaurach-Zentrum in Trossenfurt übertragen. Rechts stehend: Moderator Tilman Schöberl Fotos: Sabine Weinbeer
FT-Redakteur Ralf Kestel, der den Pflegeskandal in Gleusdorf in Zusammenarbeit mit Angehörigen und Pflegepersonal aufdeckte, war einer der Gesprächspartner.
FT-Redakteur Ralf Kestel, der den Pflegeskandal in Gleusdorf in Zusammenarbeit mit Angehörigen und Pflegepersonal aufdeckte, war einer der Gesprächspartner.
 
Für die Zuschauer der Live-Sendung war es auch interessant, die Arbeit der Kameraleute hautnah zu erleben.
Für die Zuschauer der Live-Sendung war es auch interessant, die Arbeit der Kameraleute hautnah zu erleben.
 
Ministerin Melanie Huml und Pfleexperte Claus Fussek waren die prominenten Talkgäste bei Jetzt red i zum Thema Pflege.
Ministerin Melanie Huml und Pfleexperte Claus Fussek waren die prominenten Talkgäste bei Jetzt red i zum Thema Pflege.
 
 
 
Aus dem AWO-Pflegeheim Knetzgau kamen Beschäftigte wie Bewohner zur Jetzt red i-Sendung. Hier Pflegedienstleiterin Sandra Kempf, die sich zum Berufsbild auch in der Sendung zu Wort meldete und ihre Kolleginnen zu mehr Selbstbewusstsein aufrief.
Aus dem AWO-Pflegeheim Knetzgau kamen Beschäftigte wie Bewohner zur Jetzt red i-Sendung. Hier Pflegedienstleiterin Sandra Kempf, die sich zum Berufsbild auch in der Sendung zu Wort meldete und ihre Kolleginnen zu mehr Selbstbewusstsein aufrief.
 
Sehr interessiert war Ministerin Melanie Huml an den Recherche-Ergebnissen von Ralf Kestel zum Pflegeskandal in Gleusdorf.
Sehr interessiert war Ministerin Melanie Huml an den Recherche-Ergebnissen von Ralf Kestel zum Pflegeskandal in Gleusdorf.
 
Nach der Sendung nutzten einige Zuschauer die Gelegenheit, Gesundheitsministerin Melanie Huml ihre Anliegen in Sachen Pflege mit auf den Weg zu geben, wie Fritz Herbst aus Koppenwind.
Nach der Sendung nutzten einige Zuschauer die Gelegenheit, Gesundheitsministerin Melanie Huml ihre Anliegen in Sachen Pflege mit auf den Weg zu geben, wie Fritz Herbst aus Koppenwind.
 
Gerne trug sich Gesundheitsministerin Melanie Huml zusammen mit MdL Steffen Vogel und Landrat Wilhelm Schneider in das Goldene Buch der Gemeinde Oberaurach ein. Mit Blumen dankte Bürgermeister Thomas Sechser für den Besuch.
Gerne trug sich Gesundheitsministerin Melanie Huml zusammen mit MdL Steffen Vogel und Landrat Wilhelm Schneider in das Goldene Buch der Gemeinde Oberaurach ein. Mit Blumen dankte Bürgermeister Thomas Sechser für den Besuch.
 

Beim Bürgerforum des Bayerischen Rundfunks in Oberaurach war der Pflegeskandal das dominierende Thema .

Eineinhalb Tage lang dauerte es, bis zwei Hallen des Oberaurach-Zentrums (OAZ) in ein Fernsehstudio umgebaut waren - und nach 45 Minuten war die "Jetzt red i"-Sendung am Mittwoch vorbei. Zum Thema "Kein Geld, kein Plan, keine Lobby" kamen viele Oberauracher, Bürger aus dem Landkreis und als prominente Talk-Gäste Gesundheits- und Pflegeministerin Melanie Huml und Pflegeexperte Claus Fussek nach Oberaurach. In den Landkreis Haßberge kam der BR mit diesem Thema wegen des Pflegeskandals Schloss Gleusdorf im vergangenen Jahr.

So hatte auch der Eberner FT-Redakteur Ralf Kestel, der diesen Skandal aufdeckte, eine wesentliche Rolle in der Sendung. "Mir kamen da Dinge zu Ohren und Augen, die ich so in dieser Republik nicht für möglich gehalten hätte", erklärte er. Auch wenn Gleusdorf sicherlich ein Extremfall ist, liegt in der Pflege doch viel Argen, während die ganz großen Herausforderungen erst noch kommen. Dem wirklich auf den Grund zu gehen, dafür waren 45 Minuten ein knapper Rahmen.


Kampf mit der Bürokratie

Dennoch wurden von den Moderatoren Tilman Schöberl und Franziska Storz viele Themen mit den Gästen im OAZ erörtert. Da berichteten pflegende Angehörige von ihrem Kampf mit der Bürokratie und von hohen Kosten. Die jedoch seien nicht das Entscheidende. Wichtig sei es, Entlastung zu erhalten, wenn ein Pflegender mal selbst krank wird, oder eine Auszeit benötigt. Im Zuge der drei Pflegestärkungsgesetze habe man da viele neue Möglichkeiten geschaffen, erklärte Ministerin Huml dazu.

Allerdings müsse über die Fachstellen noch mehr getan werden, um die pflegenden Angehörigen darüber zu informieren, zum anderen müssten dann auch die entsprechenden Angebote vorhanden sein. Die gibt es vielerorts nicht, unter anderem aus Mangel an qualifiziertem Personal.

Hier sieht Claus Fussek die große Herausforderung für die Gesellschaft und auch die Ministerin kündigte an, dass die Kommunen künftig stärker einbezogen werden müssen. Fussek betonte, dass keine Kommune dieses Thema aussitzen kann.

Mit einem Pflegeheim in der nächsten Stadt sei es künftig nicht getan, weil die Zahl der pflegebedürftigen Hochbetagten massiv ansteigt. Diese Einrichtungen, ob Wohngemeinschaften, Pflegeheime oder Tages- und Nachtpflege, bräuchten aber auch Pflegepersonal und damit war ein weiteres großes Thema erreicht, nämlich die Arbeitsbedingungen, die Wertschätzung und die Bezahlung in der Pflege.

In den Berichten von Fachkräften in der Sendung kamen vor allem die privaten Träger von Pflegeheimen nicht gut weg. Zehn Euro pro Stunde für Pflegehelferinnen, das sei kein angemessener Lohn für die hohe Verantwortung und den Schichtdienst. Allerdings geht es den Fachkräften nicht vor allem ums Geld, sondern um den Personalschlüssel, um die Zeit, die sie für die Menschen zur Verfügung haben, die ihnen anvertraut sind. Die Bürokratie fresse zudem viel Zeit und Kraft, wie bei den Angehörigen auch.

Mehr Wertschätzung forderten Huml wie Fussek für die Pflegeberufe ein. Fussek forderte die Pflegekräfte auf, sich stärker zu solidarisieren. Angesichts des Mangels in diesem Berufsfeld hätten sie viele Möglichkeiten, Missständen entgegenzutreten. Schließlich sei auch ein kritisches und engagiertes Personal zusammen mit Angehörigen, die sich kümmern, das beste Frühwarnsystem für Fehlentwicklungen in Einrichtungen. Denn wenn Missstände wie in Gleusdorf erst bei den Behörden landen, dann sei es doch schon viel zu spät, erklärte Fussek.

Er verstehe nicht, warum das Thema Pflege nicht genauso ein Politikum sei wie die Kinderbetreuung. "Da haben sich die Eltern zusammengeschlossen und heute gibt es einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz", erklärte er. Auch Ministerin Huml forderte dazu auf, den Familienbegriff in der Politik nicht nur auf Eltern und Kinder zu beziehen, sondern die Großeltern-Generation mit einzuschließen.

Die Ministerin erklärte, dass die Pflegeberufe attraktiver werden müssten. Das beginne in der Ausbildung, für die derzeit neue Rahmenrichtlinien gesteckt würden. Es sei enorm wichtig, dass die Gesellschaft erkennt, wie wichtig diese Berufe sind und dass die Beschäftigten ein Arbeitsumfeld haben, dem sie auch ein ganzes Berufsleben über treu bleiben. Dass es ein schöner Beruf ist, das bestätigten viele der anwesenden Pflegekräfte, die auch eine ganze Reihe Bewohner von Pflegeheimen mitgebracht hatten.

Aufmerksame Zuhörer der Sendung waren Landrat Wilhelm Schneider, MdL Steffen Vogel und Oberaurachs Bürgermeister Thomas Sechser, aber auch viele engagierte Mitarbeiter des Oberauracher Bürgernetzwerks "Bürger helfen Bürgern". Sie bieten vielen Familien in Oberaurach die so notwendige kurzzeitige Entlastung, fahren Pflegebedürftige mal mit dem Rollstuhl spazieren oder bleiben im Haus, wenn die pflegende Angehörige mal zum Arzt, zum Friseur oder Einkaufen geht.


Diskussion nach der Sendung

Rege weiterdiskutiert wurde nach der Sendung in kleineren Runden. Einige Zuschauer nutzten die Gelegenheit, der Ministerin ihre Anliegen mit auf den Weg zu geben, andere holten sich bei den Pflegefachkräften Informationen zu vorher angesprochenen Themen und auch Moderator Tilman Schöberl führte noch das eine oder andere vertiefende Gespräch.