Das Amtsgericht in Haßfurt verhandelte einen außergewöhnlichen Fall: Ein Firmeninhaber wurde zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er einen Freiberufler eingestellt und die Sozialabgaben nicht bezahlt hatte.
                           
          
           
   
          Kann man zugleich selbstständig und unselbstständig sein? Was sich auf den ersten Blick wie ein Widerspruch anhört, ist in Wirklichkeit gar nicht so selten. Wenn selbstständige Kleingewerbetreibende oder Freiberufler merken, dass ihr Einkommen nicht reicht, können sie sich - quasi in einem Nebenjob - bei einer anderen Firma eine Anstellung suchen. Wichtig: Dann müssen auch Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung bezahlt werden. Genau das hatte eine Firma versäumt. Dem 43-jährigen Geschäftsführer wurde dafür im Strafbefehlsverfahren eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen á 30 Euro (1500 Euro) aufgebrummt. Er legte dagegen Einspruch ein, so dass es zu einem Strafprozess am Amtsgericht in Haßfurt kam.
  
  Qualifizierter Mitarbeiter  Der angeklagte Firmeninhaber schilderte die Umstände, wie es dazu kam. 
Als sein Betrieb, in dem rund 20 Arbeitnehmer in Lohn und Brot stehen, Anfang 2011 dringend einen Techniker brauchte, stellte sich ein qualifizierter Bewerber vor. Im Vorstellungsgespräch erfuhr der Chef, dass sein Gegenüber bereits als selbstständiger Gärtner tätig war. Allerdings war er durch seine Selbstständigkeit zeitlich nicht ausgelastet und der Verdienst in der Gartenbranche war gerade in den Wintermonaten mau.
Nichtsdestotrotz wollte der Bewerber seinen Ein-Mann-Betrieb nicht aufgeben, sondern suchte eine zusätzliche, möglichst flexible Einkommensquelle. Das leuchtete dem Angeklagten ein. Er unterstütze grundsätzlich Menschen, die versuchen, eigenverantwortlich zu wirtschaften, erläuterte er seine Beweggründe. 
Man wurde sich handelseinig, der Bewerber sollte in Eigenregie den Fuhrpark übernehmen und die Firmentransporte organisieren.
Die betriebliche Realität indes sah anders aus: Bis Ende 2011 erhielt der "Subunternehmer" von anderen Mitarbeitern Arbeitsanweisungen, war in die betriebliche Organisation eingebunden, führte Stundenaufzeichnungen und arbeitete oft sieben bis acht Stunden in dem Unternehmen. Ergo handelte es sich bei der Arbeit in der Firma um eine Scheinselbstständigkeit, man hatte ihn faktisch schwarz beschäftigt, auch wenn das "Konzept", wie der Beschuldigte betonte, ganz anders aussah. 
  
  Der Strafbefehl ist rechtskräftig Richter Roland Wiltschka nahm ihm das ab, doch Unwissenheit schützt grundsätzlich nicht vor Strafe. 
Die Juristen sprechen in diesem Zusammenhang vom Verbotsirrtum, also der Unkenntnis über die Rechtswidrigkeit oder Strafbarkeit des eigenen Verhaltens. Ein solcher Irrtum wird nur in wenigen Ausnahmen nicht bestraft. Firmeninhaber, die sich nicht sicher sind, ob es sich bei einer bestimmten Tätigkeit um eine Scheinselbstständigkeit handelt, sollten vor Einstellung ein sogenanntes Anfrage- oder Statusverfahren bei der Krankenkasse veranlassen.
Im vorliegenden Fall wurden knapp 3000 Euro an Sozialversicherungsbeiträgen zu Unrecht nicht abgeführt. Das hat der Angeklagte zwischenzeitlich längst nachgeholt. Da sich jedoch abzeichnete, dass ein Urteil keinesfalls niedriger ausfallen würde als der Strafbefehl, nahm der mit seinem Verteidiger erschienene Geschäftsführer nun zähneknirschend den Einspruch gegen den Strafbefehl von 1500 Euro zurück. Der ist somit rechtskräftig.