Eltern im emotionalen Zwiespalt

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Symbolbild
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Ein 49-Jähriger ist betrunken ein mieser Typ, der auf die Eltern losgeht. An ein Kontaktverbot hielt er sich nicht. Nun stand er vor Gericht.

Dass die Juristerei ein schwieriges Terrain ist, weiß man. Das zeigte sich bei einer Sitzung des Amtsgerichtes Haßfurt am Mittwoch. Dort stand eigentlich ein "einfach scheinender Fall" von häuslicher Gewalt an. Die Staatsanwaltschaft hatte Anklage gegen einen 49-jährigen ledigen Metzger aus dem Landkreis wegen Bedrohung und Beleidigung in zwei Fällen, sowie in 24 Fällen von Verstößen nach dem Gewaltschutzgesetz erhoben.
Was war passiert? Der Angeklagte hatte seine 74 und 71 Jahre alten Eltern mit üblen Worten beleidigt, ihnen mit massiven Drohungen nach dem Leben getrachtet und deshalb bei den Senioren Angst ausgelöst. Die Polizei wurde informiert, die Eltern wollten ihren Sohn aufgrund seiner Exzesse, die meist unter starkem Alkoholeinfluss stattfanden, nicht mehr im Haus haben.
Sie erwirkten ein gerichtliches Kontakt- und Annäherungsverbot nach dem Gewaltschutzgesetz.


Wirksam zugestellt?

Und hier lag das eigentliche Problem, was dem Gericht Kopfzerbrechen machte. In der Verhandlung konnte letztlich nicht geklärt werden, ob dem Angeklagten das gerichtliche Kontakt- und Annäherungsverbot rechtswirksam zugestellt wurde.

Wie kann das passieren? Verantwortlich für die Zustellung ist das Gericht, das den Beschluss erlassen hat. Eine formelle Zustellung durchzuführen, war aber offensichtlich nicht ganz einfach, da der Angeklagte einige Zeit im Freien schlief und zeitweise in einer psychiatrischen Klinik untergebracht war, sodass letztlich die Zustellung "einschlief" und nicht zu klären war, wann der Angeklagte den Beschluss erhalten hat.

Das war aber ein entscheidender Punkt, denn nur, wenn er vom Inhalt des Beschlusses wusste, konnte man ihm die 24 Verstöße dagegen tatsächlich vorwerfen.
Jedenfalls suchte der Beschuldigte häufig das Anwesen seiner Eltern auf und verlangte vehement Einlass, was unter anderem per Beschluss untersagt worden war.

Der Angeklagte selbst räumte die Vorwürfe ein, wusste angeblich aber nicht, wann er nun wirklich von dem gerichtlichen Kontaktverbot erfuhr.
Deshalb stand schon recht früh der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, er habe gegen das Gewaltschutzgesetz verstoßen, auf "wackligen Beinen."


Immer wenn er trinkt...

Die Eltern selbst beklagten als Zeugen, dass sich ihr Sohn, der nach ihren Worten schon Jahre dem Alkohol zuspricht, im betrunkenen Zustand unmöglich aufführt, sie beleidigt, bedroht und auch körperlich angehe. "Es war so viel gewesen, wir konnten es nicht mehr aushalten, er musste raus aus unserem Haus", sagte der Vater.
Allerdings wohne ihr Sohn jetzt wieder mit im Haus, aber immer, wenn er trinke, gebe es Krach und Handgreiflichkeiten. "Er hat sich da nicht im Griff, sonst ist er der beste Mensch", sagte der Vater. Die Mutter bestätigte die enormen Probleme, wenn ihr Sohn getrunken habe. Auf Frage von Staatsanwalt Stephan Jäger, warum sie ihren Sohn nun wieder bei sich wohnen lasse, sagte die 71-Jährige: "Es ist doch noch kalt, ich kann ihn doch nicht draußen kaputt gehen lassen." Auf Vorhalt des Verteidigers des Angeklagten, Rechtsanwalt Alexander Wessel, entgegnete die Mutter: "Er kann jederzeit zu uns kommen, wenn er nüchtern ist."

Den emotionalen Zwiespalt, in dem sich die Eltern befanden, erkannte Richterin Ilona Conver und auch, dass unter diesen Umständen ein Kontaktverbot wenig Sinn mache, wenn die Eltern ihrem Sohn trotzdem gestatten, sich ihnen zu nähern oder in ihrem Anwesen zu wohnen. Der Staatsanwalt war mit dem sich anbahnenden Ergebnis zunächst nicht so richtig zufrieden. Nach Beratung aller Prozessbeteiligten stellte die Richterin das Verfahren vorläufig unter Auflagen gegen den Beschuldigten ein.


Mit Mahnungen entlassen

Der Sohn soll jetzt ärztliche Termine zur Vorbereitung auf eine Entziehungstherapie wahrnehmen und Alkohol zumindest dann vermeiden, wenn er Kontakt mit den Eltern hat. Conver wurde ganz deutlich: "Wissen Sie, Ihre Eltern haben die Schnauze voll von einem besoffenen und randalierenden Sohn." Sie mahnte ihn, sich zu ändern und an die Auflagen zu halten, sonst werde das Verfahren wieder aufgenommen.
Der Staatsanwalt legte nach: "Verhalten Sie sich gegenüber ihren Eltern vernünftig, sonst sehen wir uns wieder, und da können Sie dann nicht mehr mit einer Einstellung rechnen."