Unterhaltsame Debatte: Die Chefs der Bäckerei Gagel überlegen, ob sie ein Mehrweg-Pfandsystem für ihre Coffee-to-go-Becher einführen sollen.
Peter Gagel zieht die Augenbrauen hoch. Er hört seiner Frau zu. Sabine Gagel sagt: "Mir ist der Umweltgedanke wichtig, die Müllreduzierung." Sie will beim Verkauf von Kaffee zum Mitnehmen gerne Mehrwegbecher an die Kunden ausgeben. Peter Gagel: "Das ist unhygienisch und schwierig umzusetzen." Frische Einweg-Becher seien für alle die praktikabelste Lösung. Sowohl für die Kunden als auch das Verkaufspersonal. Sabine Gagel schüttelt den Kopf. "In Gesprächen mit dem Personal habe ich das Signal bekommen ,Wir sind für das Pfandsystem'". Kurze Pause. Beide lachen. "Wir werden auf jeden Fall nicht einer Meinung werden", sagt Peter Gagel.
10 000 Einweg-Becher im Monat
Die beiden sind seit 20 Jahren verheiratet. Nicht einer Meinung zu sein, den anderen aber trotzdem ernst zu nehmen, das gehört dazu, erklären die beiden. Im Jahr 2000 hat Peter Gagel den elterlichen Betrieb in Hafenpreppach übernommen und führt ihn seitdem mit seiner Frau weiter. Nun unterhalten die Gagels acht Filialen in den Landkreisen Haßberge und Coburg. Mindestens 10 000 Einweg-Pappbecher gehen im Monat über die Ladentheken. Sabine Gagel wünscht sich hier mehr Nachhaltigkeit.
Aufgefallen ist ihr in der eigenen Familie (die Gagels haben zwei erwachsene Kinder), wie schnell sich die Becher türmen. Im Schnitt hat Sabine Gagel in der Familie zwölf Becher pro Woche gezählt. Zu viele, findet die 44-Jährige ("Rechnen Sie das mal auf ein halbes Jahr." -
288, die Red.).
Der Ehemann dagegen wünscht sich eine hygienisch einwandfreie Handhabe im Verkauf: Wenn jemand seinen mitgebrachten Becher über die Ladentheke reiche, wisse man ja nicht, was in dem Becher vorher darin war. Oder der Kunde hat eine Erkältung oder gibt den Grippevirus weiter? Auch wenn Peter Gagel nicht davon ausgeht, dass mit einem Mehrwegsystem der Seuchenalarm losgeht, so verweist er dennoch auf die strengen Verbraucherschutzvorgaben, die in Deutschland gelten. Zwar sei es nicht verboten, mitgebrachte Gefäße zu befüllen, aber man werde als Unternehmer schnell zur Verantwortung gezogen, wenn dann doch etwas passiert. Ein Mehrwegsystem einzuführen bedeute zudem enormen Aufwand. "Die Kunden sehen nicht, was dahintersteht, sie sehen das Problem nicht." Sie: "Wo ist das Problem?" Kurze Pause. Beide lachen. "Hier muss man einfach die Initiative ergreifen", fordert Sabine Gagel.
Vor einigen Wochen hat der Abfallwirtschaftsbetrieb Haßberge eine Kampagne vorgestellt, die Verbraucher wie Unternehmen dazu bewegen will, Müll zu reduzieren. Unter anderem im Bereich der Coffee-to-go-Verkäufe. Der Abfallberater Wolfgang Aull begrüßt die Debatte, die die Gagels führen. "Wir sprechen uns eindeutig für die Mehrwegbecher aus", sagt er. Das helfe, den Müllberg zu reduzieren und Ressourcen zu schonen.
Bäckerei Oppel probiert es aus
Der Verbraucherschutz im Landratsamt Haßberge verweist zudem auf das Projekt "Reduzierung des Ressourceneinsatzes für Coffee-to-go-Becher" des bayerischen Umweltministeriums. Darin enthalten sind auch Praxistipps für Lebensmittelunternehmer, die vom Kunden mitgebrachte Becher befüllen wollen. Die Initiative dahingehend schon ergriffen hat Michael Oppel. Der Chef der gleichnamigen Bäckerei in Untersteinbach (Gemeinde Rauhenebrach) legt in seinem Betrieb Wert auf Nachhaltigkeit und verkauft Mehrwegbecher an die Kunden. Zwölf Euro das Stück, lange haltbar, aber freilich nutze nicht jeder Kunde das Angebot. Etwa 300 Becher seien im Umlauf, sagt Oppel. Mehrweg-Kunden bekommen auf jeden Kaffee (Größe egal) 20 Cent Preisnachlass. Einweg gibt es in den insgesamt zwölf Filialen oder Verkaufsstellen freilich noch, aber für Oppel gilt: "Wir denken, dass die Nachhaltigkeit ganz oben stehen sollte." Er sieht den Trend in Deutschland, dass sich das Kundenverhalten dahingehend verändert. Nicht von heute auf morgen, aber stetig, Schritt für Schritt.
Die Gagels sehen diese Entwicklung auch, deswegen setzen sie sich mit dem Thema auseinander. "Überhaupt, dass man sich darüber Gedanken macht, ist gut", sagt Peter Gagel. Selbstredend, sagt er, könne er die Argumente seiner Frau Sabine nachvollziehen, er verstehe sie, er befürwortet auch selbst den Umweltgedanken an sich. Zumindest im ersten Gedankengang. Aber er hinterfragt auch, ob es tatsächlich eine Umweltverbesserung gibt, denn es fehlen ihm, wie er sagt, verlässliche Zahlen, die einem Mehrwegsystem tatsächlich die bessere Ökobilanz bescheinigen: Zum einen sei der Ressourcenaufwand bei der Produktion eines einzelnen Mehrwegbechers höher als bei der eines Einwegbechers, wenn auch freilich man Letzteren nach einmaligem Gebrauch wegwirft. Aber das Material, aus dem die Becher in den Gagel-Filialen hergestellt werden, sei kompostierbar. Gut, vom Plastikdeckel abgesehen. Man merkt in dem Gespräch, dass Peter Gagel sehr genau abwägt und die Argumente seiner Frau nicht einfach vom Tisch wischt. Aber einfach so seinen Standpunkt aufgeben, das macht er auch nicht: Die Mehrwegbecher könnten indessen zwischen jedem Einsatz mehrfach gespült worden sein; der Kunde reinigt das Gefäß mit Spülmittel daheim und in der Bäckerei kommt dann ein weiterer Spülgang dazu - ob das dann in der Summe besser für die Umwelt sei?, fragt Peter Gagel. Seine Frau winkt ab: Wenn sich ein Pfandsystem erst einmal etabliert habe und die Kunden mitziehen, werde das der Umwelt nutzen, es entstehe viel weniger Müll.
Stündlich 320 000 Becher
In Deutschland werden laut der Deutschen Umwelthilfe (DUH) stündlich 320 000 Einwegbecher verbraucht, pro Jahr fast drei Milliarden Stück. Nach Berechnungen der DUH kann jeder Deutsche durch die konsequente Nutzung eines Mehrwegbechers (der bis zu 1000 Mal wiederverwendbar ist) 34 Coffee-to-go-Becher einsparen. Insgesamt würde das hierzulande zu einer jährlichen Vermeidung von 40 000 Tonnen Abfall führen, so die DUH.
Einig sind sich die Gagels darin, dass die Debatte notwendig ist. Und sie führen sie nicht unter sich: In ihrer Kunden-Zeitschrift "Mehlbox" (Auflage: 5000) gibt das Bäcker-Ehepaar die Frage "Einweg oder Mehrweg?" an die Kunden weiter. Bis Ende August läuft die Befragung noch und Sabine Gagel hat bei den bisherigen Rückmeldungen den Trend hin zu Mehrweg festgestellt. Wieder zieht ihr Ehemann die Augenbrauen hoch und schmunzelt. "Abwarten", sagt er.
Deshalb kauf ich am liebsten bei Der Beck, dort klappt das mit dem Handschuh. Schad dass in EBN keiner ist.
Mir wäre es lieber, wenn alle Verkäuferinnen beim Anfassen der offenen Backwaren Einmalhandschuhe benutzen würden. Das ist und bleibt doch der beste Verbraucherschutz.