"Geht es um die Kassenzettel? Dazu möchte ich auch was sagen!", ergreift Michaela Baum das Wort, als sie ihre Bäckertüte entgegennimmt. Baum ist in der Zeiler Ofengalerie für die Buchhaltung zuständig - und hat eine klare Meinung zum Gesetz. "Die Bonpflicht soll abgeschafft werden!", findet sie. "Erstens sieht der Kunde doch, dass das Geld in die Kasse fließt und zweitens könnte das Finanzamt die Einnahmen auch hochschätzen."
Zettel bleiben liegen
In der Ofengalerie werden pro Tag etwa sechs Kassenbons ausgestellt, pro Monat zwei Rollen verbraucht. Meist sind es Kleinbeträge für Rohrteile oder Kaminanzünder, Laufkundschaft gebe es hier eher selten. Explizit nach einem Kassenbon verlangen die wenigsten Kunden. "Bis zu einem Kaufpreis von 30 Euro will keiner einen Zettel", sagt Baum.
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Zwar kämpfe die Ofengalerie nicht mit einem Zettelchaos wie die Bäckerei, die Ladenkasse müsse bis zum Herbst dennoch umgerüstet werden - für rund 400 Euro. Das neue Gerät verfügt über einen Stick, auf dem die Daten unwiderruflich festgeschrieben sind und im Nachhinein nicht manipuliert werden können. "Aber fehlerhafte Bons könnte man trotzdem stornieren", wendet Baum ein. "Wie will man das nach drei Jahren noch nachvollziehen? Wer wirklich betrügen will, der schafft es immer irgendwie."
Alternativen zur Bonpflicht fallen Baum gleich mehrere ein: Beispielsweise eine Kleinbetragsregelung wie im Steuergesetz, der zufolge ab einem Kaufwert von 150 Euro sowieso eine Rechnungspflicht gelte. Oder das Abscannen eines QR-Codes per Smartphone oder die Datenspeicherung auf Kundenkarten. Baum glaubt fest daran, dass das Gesetz wieder abgeschafft wird - auch wenn dafür ein Volksbegehren nötig wird.
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Beim Zeiler Altstadt-Friseur gehen Claudia Ankenbrand und Nicole Biertempfel ganz gelassen mit dem Bon-Gesetz um. Egal ob Waschen, Schneiden, Föhnen oder Strähnchen: Die Friseurinnen drucken schon seit Jahren einen Kassenzettel für jeden ihrer Kunden aus. Bis zu 40 Bons kommen so an terminstarken Tagen zusammen. "Ganz wenige nehmen den Zettel mit", erzählt Biertempfel. "Die meisten sagen gleich: Schmeiß ihn weg!" Eine Bonrolle reiche für höchstens zwei Wochen, rechnet Ankenbrand vor. Bleiben die Kassenzettel im Friseurladen liegen, werden sie gleich im Restmüll entsorgt, sagt Biertempfel. "Die Daten speichert ja die Kasse."
200 Kassenbons muss die Zeiler Bäckerei Kolb in etwa täglich ausdrucken, doch nur ein Bruchteil der Kunden nimmt die Zettel überhaupt mit. Der Rest kommt in den Müll.
Der 30. September 2020 ist der Stichtag für die gesetzeskonforme Umrüstung der Kassen. Damit gewährte das Bundesfinanzministerium den Händlern eine Übergangsfrist.
Kommentar von FT-Redakteurin Teresa Hirschberg
Ein Gesetz für die Tonne
Dieses Bild spricht für sich: In der Bäckerei Kolb landen täglich rund 200 Einkaufszettel im Müll. Genau dort kann ihnen die Bonpflicht gerne Gesellschaft leisten. In einer Zeit, in der Umweltbewusstsein so präsent ist wie nie zuvor, sind Händler gesetzlich verpflichtet, Unmengen an nicht recycelbarem Papiermüll zu produzieren.
Es muss doch im Jahr 2020 technisch möglich sein, Rechnungen so zu erfassen, dass die Daten im Nachhinein nicht manipuliert werden können. Ups, ist es ja schon! Jeder Einkauf wird auf einem Stick in der Kasse abgespeichert - wozu braucht es also einen zusätzlichen Bon? Ein Stück Papier, das früher oder später im Müll landet und dem Finanzamt sowieso nicht mehr als Beleg dienen kann. Die Umrüstung auf fälschungssichere Kassen wäre auf lange Sicht sinnvoller. Dafür müssen die Händler zwar auch zahlen - aber nur einmalig und nicht auf Kosten der Umwelt.
Reden wir mal Tacheles:
Liebe Bäcker, Metzger und andere Jammerer,
euer Lamento nervt! Seit 2016 wusstet ihr was da auf euch zu kommt. Das war genügend Zeit, sich darauf vorzubereiten. Wer jetzt überrascht ist, dass seine Kassenbons nicht recycelbar sind, der ist a weng sehr langsam im Kopf.
Auch die Menge des Papiers zu beklagen, erscheint mir ziemlich hohl. Ein Beispiel: Heute habe ich beim Bäcker vier verschiedene Sachen gekauft. Dafür erhielt ich einen 25 cm langen Bon auf Thermopapier. Das ist wirklich viel Papier für 6,70€ Rechnungswert. Jedoch entpuppen sich 13 cm dieses Bons als reine Selbstdarstellung des Bäckers und seines Bonusprogramms. Das geht kürzer!
Was die konkrete Abrechung angeht, so muss nicht jeder Posten zweizeilig gedruckt werden. Ein Kassenbon braucht keine Prosa. Es mag für euer Business-Intelligence-System relevant sein, ob meine "Laugenstange mit Kürbiskernen" und das "Bauernweggla aus Roggenmehl" war, aber auf der Rechnung ist es vollkommen egal.
Ebenso ist es unnötig auszudrucken, wieviel Geld ich gegeben und wieviel ich retour bekommen habe. Bei etwas Optimierung wäre der Kassenbon insgesamt noch 8-9 cm lang.
Also kriegt euch wieder ein, und wenn ihr schon den Umweltschutz für euer Begehren (einfacherer Steuervermeidung) instrumtalisiert, dann macht eure Bons kürzer und druckt sie auf normales Papier. Aber vielleicht wollt ihr ja auch nur jammern.