Die neue Bon-Pflicht nervt. Der designierte Obermeister der Bäcker stellt fest: „So eine negative Stimmung unter Bäckern habe ich in 38 Berufsjahren noch nicht erlebt!“
Das Ziel der Bundesregierung ist ein hehres: Steuerhinterziehung verhindern. Die Belege sollen dem Staat viel Geld einspielen, das sonst in schwarzen Kassen verschwindet. Händler und Restaurantbesitzer, die seit Anfang Januar selbst für Kleinstbeträge einen Zettel ausdrucken müssen, sind jedoch ebenso genervt wie viele Bürger. Alle fragen sich: Wird mit der Bon-Pflicht, die seit Januar gilt, wirklich Kassenbetrug verhindert?
Überall Papier. Egal, wohin man geht: In Bäckereien und sogar in der Eisdiele schlängeln sich dicke weiße Würste aus Papier um die Kassen. Kaum ein Kunde, der gerade ein Hörnchen, einen Leberkäsweck oder ein Schokoladeneis gekauft hat, nimmt seinen Kassenbon mit; er ist auch nicht dazu verpflichtet. Da die Betriebe den Bon seit 1. Januar aber verpflichtend ausdrucken oder in elektronischer Form an die Kunden übermitteln müssen, stapeln sich im Verkaufsraum die Zettelschlangen.
Manche Unternehmen rufen ihre Kunden dazu auf, die Bons beim Finanzamt in den Briefkasten zu werfen. Andere sammeln alle Bons, die die Kunden nicht haben wollen, und zeigen die Massen an Papiermüll in sozialen Netzwerken und in den Medien. Aber nicht nur an der Basis rumort es, auch Handwerksverbände laufen Sturm gegen die Bon-Pflicht.
"Müllwahnsinn" durch neue Bonpflicht
Der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks spricht von „Müllwahnsinn“ und berichtet, dass ihm kurze Zeit nach dem Start der neuen Regelungen schon viele abgelehnte Befreiungsanträge von Betrieben vorliegen. Zwar hatte das Bundesfinanzministerium mit dem Kassengesetz 2020 auch Ausnahmen beschlossen, aber die greifen nur in seltenen Fällen. Für Betriebe des Lebensmittelhandwerks führt die Regelung ins Leere. Daniel Schneider, der Hauptgeschäftsführer des Bäckerverbands, betont dennoch: „Wir werden uns auch weiterhin gegen diese absurden Regelungen einsetzen und in Gesprächen für Erleichterungen im Bäckerhandwerk kämpfen.“ Ganz konkret meint er eine Gruppenausnahme für das gesamte Bäckerhandwerk oder zumindest eine Ausnahme für Rechnungen unter einem Betrag von zehn Euro.
Tilo Brönner, designierter Obermeister der Bäckerinnung Kitzingen, sieht überhaupt keinen Sinn in der „Kontrolle von der Kontrolle von der Kontrolle“. Die gängigen elektronischen Registrierkassen hätten ohnehin einen eingebauten Chip, auf dem alle Vorgänge gespeichert sind. „Dafür haben sich fast alle Betriebe vor Jahren neue Kassensysteme gekauft.“ Jetzt sollen die Kassen auch noch „manipulationssicher“ gemacht werden. „Unser Betrieb kann da noch nachrüsten, aber es gibt auch Kollegen, bei denen das technisch nicht funktioniert. Sollen die sich jetzt ein komplett neues Kassensystem kaufen? Das kostet richtig Geld.“ Brönner spricht von „Frust ohne Ende“.
Bleiben nur Großfilialisten übrig?
Man tue sich ohnehin schon seit Jahren schwer, Personal zu finden, und werde obendrein noch mit allerhand Bürokratie drangsaliert. „So eine negative Stimmung unter Bäckern habe ich in 38 Berufsjahren noch nicht erlebt!“ Viele Mittelständler hätten bereits aufgehört, andere fänden unter den herrschenden Bedingungen keinen Nachfolger. „Wenn es so weitergeht, haben wir bald überall im Land nur noch Großfilialisten!“, warnt der 52-Jährige. „Jedes Land beneidet uns um unsere Back- und Brotkultur – und die Politik zerstört sie mutwillig und dumm.“
Zumal: „Der Bon taugt ja auch nicht als Beweis.“ Fakt ist: Neue Kassensysteme speichern digital jeden Kaufvorgang unter einer Nummer ab, die auch auf dem Bon steht. Bei einer Steuerprüfung können die Belege mit den Daten der Kasse abgeglichen werden. So soll sichergestellt werden, dass alle verkauften Waren lückenlos erfasst und die Daten nicht nachträglich manipuliert werden. Allerdings: Es gibt keine Verpflichtung, die Bons aufzuheben. Es ist also äußerst unwahrscheinlich, dass sich jemals ein Steuerprüfer mit dem Bon für den Kauf einer Kugel Schoko-Eis befassen wird.