Amtliche Schreiben sind manchmal schwer verständlich. Diese Erfahrung machte ein 52-jähriger Vietnamese und kam mit dem Gesetz in Konflikt: Der Angeklagte hatte Glück: Das Amtsgericht in Haßfurt stellte das Betrugsverfahren ein.
Wem ist das noch nicht passiert? Man erhält ein eng bedrucktes Schreiben einer Behörde - und versteht erst einmal nur Bahnhof. Amtliche Mitteilungen sind für etliche Empfänger wie ein Buch mit sieben Siegeln. Das gilt umso mehr für ausländische Mitbürger.
Da er auf einem Fragebogen der Arbeitsagentur ein Kreuz an der falschen Stelle gemacht hatte, erhielt ein 52-jähiger Vietnamese gut 1000 Euro ungerechtfertigtes Arbeitslosengeld. Da er den Betrag seit geraumer Zeit regelmäßig in Raten zurückzahlt und bei seiner Strafverhandlung am Amtsgericht in Haßfurt glaubhaft versichern konnte, die komplizierten Bestimmungen nicht verstanden zu haben, stellte Richter Roland Wiltschka das Betrugsverfahren gegen ihn ein.
Normalerweise kommt jemand mit einer solchen Entschuldigung vor Gericht nicht durch, zumal Unwissenheit grundsätzlich nicht vor Strafe schützt.
In diesem Fall aber handelte es sich nicht um eine billige Ausrede, sondern um ein echtes Sprachproblem. Um der Verhandlung folgen zu können, übersetzte eine amtlich zugelassene Dolmetscherin.
Der Sachverhalt konnte rasch ermittelt werden. Von Januar bis April 2011 arbeitete der krebskranke Mann in einem Restaurant in Schweinfurt. Dort verdiente er 400 Euro monatlich. Auf Grund einer Sperrfrist bezog er ab Ende März Leistungen vom Amt. Sein Versäumnis: Für die kurze Überschneidungszeit hätte er seine Einkünfte melden müssen.
Das Verschulden des 52-jährigen Angeklagten wurde von einem Beamten der Arbeitsagentur als grob fahrlässig gewertet. Das deutsche Strafrecht kennt allerdings keinen fahrlässigen, sondern nur einen vorsätzlichen Betrug.
Inzwischen arbeitet der Asiate bei einer Großbäckerei. Sein Lohn dort liegt im geringfügigen Bereich bei 426 Euro.
Davon zahlt er monatlich 30 Euro an die Behörde zurück.
Ohne Umschweife gab der schon eine Viertelstunde vor dem Gerichtstermin erschienene Beschuldigte zu, einen Fehler begangen zu haben. Angesichts dieser Umstände bat Rechtsanwalt André Kamphausen, nicht mit Kanonen auf Spatzen zu schießen. Diesem Ansinnen verschlossen sich weder Richter Roland Wiltschka noch Staatsanwalt Alexander Baum. Das Verfahren wurde wegen geringer Schuld vorläufig eingestellt.
Einzige Auflage: In den nächsten sechs Monaten muss der unbescholtene Ausländer mit monatlichen Raten von 50 Euro etwas mehr als bisher zurückzahlen. Dann folgt die endgültige Einstellung des Strafverfahrens. Selbstverständlich darf er die Rückzahlungen insgesamt erst einstellen, wenn alles abbezahlt ist.
Einen gut gemeinten und ernsten Rat erteilte abschließend der Vorsitzende: "Wenn Sie zukünftig etwas nicht verstehen, dürfen Sie auch nichts ankreuzen oder unterschreiben. Andernfalls gerät man schnell in den Verdacht einer Straftat", erklärte Roland Wiltschka.