Ein Augenblick der Schwäche

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Eine 20-Jährige nutzte die Gelegenheit, nahm einen liegen gebliebenen Geldbeutel und klaute daraus 160 Euro. Ihr Pech: Der Diebstahl wurde gefilmt. Ihr Glück: Das Jugendgericht am Amtsgericht Haßfurt stellte das Verfahren ein.

Mit zittriger Stimme und verheulten Augen bedankte sich eine 20-Jährige, die auf der Anklagebank des Amtsgerichts in Haßfurt saß. Soeben hatten Jugendrichter Martin Kober und Staatsanwalt Marc Heusinger beschlossen, das Verfahren wegen Unterschlagung gegen die junge Frau einzustellen. Der Angeklagten muss ein riesengroßer Stein vom Herzen gefallen sein. "Nie mehr", beteuerte sie tonlos, werde sie noch einmal so etwas machen. Ein typischer Gelegenheitsfund hatte die im Landkreis Haßberge wohnende Auszubildende vor den Jugendrichter gebracht.

Folgendes war passiert: Am 2. September vergangenen Jahres ging die junge Frau zu einem Geldinstitut in Haßfurt, um von ihrem Konto Geld abzuheben. Sie erschrak nicht schlecht, als sie sich erst einmal ihren Kontostand ansah.
Mit gut 300 Euro lag sie in den Miesen.

Als sie dann vor dem Geldautomaten stand, riss sie überrascht die Augen auf: Da lag ein Geldbeutel, den offensichtlich ein anderer Bankkunde versehentlich liegen gelassen hatte - Gelegenheit macht Diebe, lautet ein bekanntes Sprichwort.

Ihr erster Impuls, so die Angeklagte, sei gewesen, die Geldbörse unangetastet zurückzugeben. Als sie aber an die Schulden dachte, die sie bei der Bank, bei ihrem Freund und bei ihrer Mutter hatte, wurde sie schwach. Sie öffnete den Geldbeutel und sah anhand der Adresse, dass ein Mann aus dem Haßfurter Stadtteil Sylbach der Eigentümer war. Und dass sich 160 Euro darin befanden.

Daraufhin schnappte sie sich den Geldbeutel und ging zu ihrem Auto. Sie nahm das Bargeld heraus und fuhr anschließend zu der Wohnung des Sylbachers, wo sie die leere Börse in den Briefkasten steckte. Dessen Freude über die zurückgegebene Brieftasche wurde natürlich getrübt, als er feststellte, dass jemand die Geldscheine entwendet hatte.

Deshalb ging er schnurstracks zur Haßfurter Polizei und erstattete Anzeige. Er konnte sich noch genau erinnern, an einem Geldautomaten in der Bank gewesen zu sein. Damit war es für die Polizei ein Leichtes, die Täterin zu überführen. Denn eine Videokamera am Tatort hatte alles minutiös aufgezeichnet.

Zwischenzeitlich hat die Auszubildende das Geld an den Besitzer zurückgezahlt, also den Schaden wieder gutgemacht. Da sie strafrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten ist und ihre Tat aufrichtig bereut, stellte das Jugendgericht das Verfahren wegen geringer Schuld ein.

Die 20-Jährige muss innerhalb der nächsten zwei Monate lediglich 30 Stunden an gemeinnütziger Arbeit auf Weisung des Jugendamtes ableisten. Somit blieb der jungen Frau eine Verurteilung erspart - sie ist sozusagen noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen.