Zungenküsse lösten sich in Luft auf

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Ein 27-Jähriger soll mit einer 13-Jährigen geknutscht haben. Deshalb musste er sich gestern wegen sexuellen Missbrauchs vor dem Kulmbacher Amtsgericht verantworten. Symbolbild: Paulo Novais/dpa
Ein 27-Jähriger soll mit einer 13-Jährigen geknutscht haben. Deshalb musste er sich gestern wegen sexuellen Missbrauchs vor dem Kulmbacher Amtsgericht verantworten.  Symbolbild: Paulo Novais/dpa

Ein 27-Jähriger war wegen sexuellen Missbrauchs angeklagt. Doch im Laufe der Verhandlung ergaben sich massive Zweifel an der Glaubwürdigkeit der 13-jährigen Hauptbelastungszeugin. Das Verfahren wurde daraufhin eingestellt.

stephan herbert fuchs

Der Vorwurf klang dramatisch: Ein 27-jähriger Mann aus Kulmbach musste sich wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes vor dem Amtsgericht in Kulmbach verantworten. Nach knapp zwei Stunden Verhandlung blieb von dem Vorwurf allerdings kaum mehr etwas übrig. Auf sämtliche Zeugen wurde verzichtet, das Verfahren wurde ohne Auflagen eingestellt, die Kosten fallen zulasten der Staatskasse. Hauptgrund dafür sind vor allem erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Hauptbelastungszeugin, einer 13-jährigen Schülerin.
Zusammen mit einer Freundin war das Mädchen Ende Juni vergangenen Jahres ausgebüxt. Auf ihrem Streifzug durch die Stadt trafen die beiden über Bekannte am Spielplatz hinter der Stadthalle auf den Angeklagten, einen 27-Jährigen. Zusammen mit weiteren Bekannten lud der unter Betreuung stehende Mann die beiden Mädchen mit in seine Wohnung ein.


Musik und Alkohol

Er habe Musik gehört, die anderen hätten sich unterhalten, auch Alkohol soll geflossen sein. Irgendwann zu später Stunde waren nur noch der Angeklagte, die beiden Mädchen und ein weiterer Bekannter in der Wohnung, als es zu einem Übergriff gekommen sein soll. Angeklagt war der 27-Jährige, weil er mit der 13-jährigen Schülerin Zungenküsse ausgetauscht haben soll. Von anderweitigen sexuellen Übergriffen war selbst in der Anklage nie die Rede.


Zeugin wusste nichts mehr

Nach fast zwei Stunden Verhandlung waren aber selbst die Zungenküsse mehr als fraglich. Aufgebracht hatte es die 13-Jährige in ihrer polizeilichen Vernehmung. Vor Gericht gab sich das Mädchen aber überaus wortkarg und antwortete wenn überhaupt dann meist mit dem Satz: "Weiß ich nicht". Wie oft hatte man sich geküsst, wie lange, was wurde an Alkohol getrunken, über was hatte man gesprochen, wo saß der Angeklagte, was haben die anderen beiden gemacht: die Zeugin wusste nichts oder wollte nichts mehr wissen. Selbst auf die Frage, ob der Angeklagte ihrer Meinung nach bestraft werden soll, zuckte sie mit den Schultern.


Unter Tränen

Darauf ist keine Verurteilung zu stützen, das wurde sämtlichen Prozessbeteiligten schnell klar. Noch dazu schwor der Angeklagte Stein und Bein, dass er nichts getan habe. "Ich würde doch niemals mit einer Minderjährigen was anfangen", sagte der Mann unter Tränen. Er sei sich keiner Schuld bewusst. Er will nicht einmal gewusst haben, dass die beiden Mädchen ausgerissen sind.
Allerdings will er im Nachhinein gehört haben, dass die Mädchen wohl in ihn verliebt sind. Als Beweis legte er mehrere Facebook-Anfragen vor, die er seitdem vor allem von der 13-Jährigen bekommen haben will. Er habe kein einziges Mal darauf geantwortet.


Schon mal gelogen

Das alles sei nicht so recht nachvollziehbar, sagte Richter Christoph Berner. Zumal Verteidiger Wolfgang Schwemmer auch noch darauf gekommen war, dass das Mädchen deswegen in einem Heim gelandet war, weil es zu Hause Lügen erzählt und sogar die Polizei schon angelogen hatte. Richter Berner verständigte sich deshalb mit Staatsanwaltschaft und Verteidigung darauf, das Verfahren im Hinblick auf das Ergebnis der bisherigen Beweisaufnahme einzustellen. Die Hauptbelastungszeugin habe in entscheidenden Punkten während der Verhandlung ganz andere Angaben gemacht als bei ihrer polizeilichen Vernehmung, schon daraus ergäben sich erheblich Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit.