Glaube Schüler des Arnold-Gymnasiums verfassten Gebete, die Christen ebenso beten können wie Muslime. Der Arbeitskreis für interreligiösen Dialog in der Stadt gestaltete daraus eine Ausstellung, die aufruft, eigene Gedanken einfließen zu lassen.
von unserem Redaktionsmitglied Rainer Lutz
Neustadt — "Ich habe nicht gedacht, dass sich das Projekt so entwickelt", sagt Nina Rossa. Sie hatte im Schuljahr 2013/14 mit Schülern der 7. Klassen im katholischen Religionsunterricht das Thema Islam zu behandeln. Damals war sie Referendarin (hieß noch Nina Stephan) und musste eine Seminararbeit erstellen. Dabei entstand die Idee, Gebete für Christen und Muslime zu verfassen.
Die Schüler waren gezwungen, sich in Muslime hineinzudenken. Nur so konnten sie Texte erarbeiten, die für Gläubige beider Religionen akzeptabel sein würden. Sie entschieden sich für vier Themen: Familie, Freunde, Dank und Frieden. "Allein das Gebet zum Frieden ist heute so aktuell, so richtig und wahr", stellte Schulleiter Karlheinz Schoofs fest.
Die Schüler fassten die Gebete in einer Mappe zusammen, die sie künstlerisch gestalten durften.
Ein greifbares Ergebnis des Projekts, das die Arbeitsgruppe "Interreligiöser Dialog in Neustadt bei Coburg" sehr interessierte. Vertreter der katholischen, evangelischen und muslimischen Gemeinden arbeiten in dieser Gruppe zusammen. Sie beschäftigten sich mit den Gebeten der Schüler. So entstand die Ausstellung "Gebete im Dialog", die nun in den Glaubensgemeinden und im Arnold-Gymnasium zu sehen ist.
Interaktive Ausstellung
"Die Ausstellung soll interaktiv sein", erklärt Katrin Linnig, die mit dazu beigetragen hat, dass die Idee einer interreligiösen Zusammenarbeit in Neustadt etabliert werden konnte. Sie kannte diesen Dialog aus Coburg und regte ihn auch für Neustadt an. Interaktivität stellt sich Linnig so vor, dass jeder, der die aus zwei großen Plakaten bestehende Ausstellung betrachtet, eigene Gedanken dazu formuliert. Dafür liegen Kärtchen und Stifte bereit.
Alle Texte und die vier Gebete sind sowohl auf Deutsch als auch auf Türkisch auf den Plakaten abgedruckt.
Den evangelischen Part im Arbeitskreis vertritt unter anderem der Pfarrer und Religionslehrer Martin Frenkler. "Mir hat das Herz gelacht, als ich hörte, was Nina Stephan vorhatte", kommentiert er das Projekt. "Wenn Schüler etwas selbst erarbeiten, wenn sie sich in andere hineinversetzen müssen, ist das das Allerbeste." Vom Ergebnis war er begeistert: "Die Jugendlichen gingen mit einer viel größeren Naivität an die Sache heran als wir Erwachsenen und ich muss sagen, sie hatten Recht."
Das sahen wohl auch die anderen Mitglieder des Arbeitskreises so. Denn die von den Kindern verfassten Gebete sollten so wenig wie möglich bearbeitet werden.
Das wurden sie auch nicht.
Über allem steht auf den Plakaten: "Wir glauben an den einen Gott." Es steht auch dort: "Wir können nicht alles gemeinsam glauben, aber wir können viel gemeinsam tun."
Imam Niyazi Cabbar von der islamischen Gemeinde in Neustadt unterstreicht, wie wichtig es gerade heute ist, sich gegenseitig im Glauben zu respektieren und zu verstehen. Bei allen Unterschieden sei vieles in den beiden Religionen gleich. "Wenn wir das respektieren, dann können wir in Frieden leben", steht für ihn fest. Er verurteilte jedwede Terrorakte. Wer so etwas tue, dürfe sich nicht Muslim nennen. Keine Religion billige solche Taten. "Wenn wir gemeinsam handeln, dann kann uns niemand schaden", steht für den Imam fest.
"Ökumene bedeutet wörtlich genommen die ganze bewohnte Erde", erklärte die katholische Religionspädagogin Martina Braun.
Der Austausch zwischen den evangelischen und katholischen Christen und den Muslimen in Neustadt im Rahmen des Arbeitskreises sei daher an sich selbstverständlich. Dort begegne man sich mit Toleranz, Respekt und gegenseitigem Wohlwollen. "Man wird vertraut, kennt die Leute, kommt ins Gespräch und beginnt, mehr mit den Augen des anderen zu sehen", beschreibt sie das Wirken.
Beteiligung erwünscht
Der Arbeitskreis betrachtet sich nicht als geschlossenen Zirkel. "Man muss wissen, dass es so etwas in Neustadt gibt und dass jeder sich in den Dialog einbringen kann", sagt Martin Frenkler. Das nächste Treffen der Arbeitsgruppe "Interreligiöser Dialog in Neustadt bei Coburg" findet statt am Donnerstag, 14. Januar 2016, um 17 Uhr, in der DITIB-Moschee "Fatih Camii", Austraße 15.
Außerdem gibt es einen öffentlichen Themenabend am Mittwoch, 27. Januar, im Haus der Begegnung Haarbrücken.