Markus Häggberg Die Szene wirkte beim ersten Mal kaum des Bemerkens wert. Da war es noch die Jugend der Mutter, welche zuallererst ins Auge stach. Nebenbei ...
Markus Häggberg
Die Szene wirkte beim ersten Mal kaum des Bemerkens wert. Da war es noch die Jugend der Mutter, welche zuallererst ins Auge stach. Nebenbei ließ sich beobachten, dass sie ihr Kind im Kinderwagen schob und gleichzeitig auf ihrem Handy tippte. Das war vor vier Wochen in
Lichtenfels.
In den Folgewoche kam die junge Frau mir wieder entgegen. Wieder schiebenderweise. Ihr Säugling blickte neugierig in die Welt und war gerade dabei, sich seinen Eindrücken selbst zu überlassen, da tippte seine Mutter in diesem Moment doch abermals in ihr Handy und blieb ansonsten stumm.
Ich ging der Szene nach und hinterher und konnte so zwischen dem Unteren Tor und dem Floriansbrunnen keine andere Tätigkeit der jungen Frau feststellen. Nichts, nichts als das Tippen.
Dann aber endlich eine Veränderung der Situation: Ein Anruf ging für die junge Mutter ein und ich drehte um.
Es verging eine Woche und ich darf sagen, dass mir eine dritte Begegnung binnen kürzester Frist nicht unwahrscheinlich schien. So war es dann auch.
Abermals schob die junge Frau wenige Tage später ihr Baby durch das Untere Tor zur Innenstadt hinein. Was sie in Händen hielt und was ihre ganze Aufmerksamkeit fesselte, war ihr Handy.
Das Baby war wach, besah sich die Welt und ansonsten schien für die Dauer der zu beobachtenden Distanz zwischen den beiden keine größere Verbindung zu herrschen. Nun aber kam dem Gespann ein sonderbares Gefährt entgegen - ein Tandemfahrrad.
Das wäre eigentlich der Punkt gewesen, an dem zu erwarten war, dass die junge Frau das Gespräch mit dem Kind aufnehmen würde, um ihm zum neuen Anblick auch einen Klang zu schenken.
Nö. Eine Woche nach dieser Szene saß ich mit einer Bekannten im Café und rührte im Kaffee.
Meine Bekannte war es auch, die mich auf das Kommende hinwies.
Die junge Mutter rollte nämlich heran, den Kinderwagen mit links schiebend, das Handy in der rechten Hand haltend, die Finger flink beim Tippen und der Blick auf das Bildschirmchen geheftet.
So schob sie sich heran, Meter um Meter, Schweigen um Schweigen. Und das Baby war wach und ansprechbar. Meiner Bekannten fiel das Geschehen auch auf - auch nicht zum ersten Mal, wie sie mir berichtete. Dann erzählte sie mir von der Bedeutung des Tons für die verstärkte Bildung von Synapsen in den Kleinkindgehirnen und wie wertvoll besonders Vogelgezwitscher in der Kindheit sei.
Dabei finde das besonders in einer Zeitspanne statt, die nicht ewig dauere und leider auch viel zu schnell vorübergehe. Sie weiß in solchen Dingen immer sehr gut Bescheid und übernimmt im Freundes- und Bekanntenkreis gerne das Babysitten.
Sie mag es nämlich, Kindern beim Staunen zuzusehen. Eigene Kinder bekommen kann sie nicht.