Viele Gesichter des Ehrenbürgers

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Siegfried Balleis (rechts) berichtete Udo B. Greiner über die vielen Facetten seines politischen Lebens. das meiste habe ihm immer viel Spaß gemacht. Fotos: Michael Busch
Siegfried Balleis (rechts) berichtete Udo B. Greiner über die vielen Facetten seines politischen Lebens. das meiste habe ihm immer viel Spaß gemacht.  Fotos: Michael Busch
 

Gespräch  2014 beendete Siegfried Balleis (CSU) seine Karriere als Oberbürgermeister der Stadt Erlangen. Ungewollt und abgewählt. Doch er geht seinen Weg und plaudert nun ungezwungen über eine von ihm abgeschlossene Zeit.

von unserem Redaktionsmitglied 
Michael Busch

Erlangen — Er hat viel zu erzählen. Soviel, dass manchmal Fragmente aufeinanderfolgen, die zunächst nicht zu passen scheinen. Doch der Erlanger Alt-Oberbürgermeister und Ehrenbürger "seiner" Stadt, Siegfried Balleis, findet den roten Faden immer wieder. Puzzleteile fügen sich zusammen und ergeben ein geschlossenes Bild.
Rund 100 Gäste waren der Einladung "Zeitzeugen im Gespräch" gefolgt, um Siegfried Balleis zu erleben. Hatte er bisher die Gespräche als Interviewender geleitet, saß er nun auf der anderen Seite des Mikrofons und stellte sich den Fragen des Journalisten Udo B. Greiner. Der war ein journalistischer Wegbegleiter des ehemaligen Rathauschefs und machte gleich Lust auf mehr, indem er erklärte, dass er "durch die Kommentare den Siegfried Balleis auch immer mal wieder geärgert habe." Der konterte, dass für ihn tatsächlich nach einer Stadtratssitzung die große Frage war: "Was wurde wieder über mich geschrieben?"


Von Zirndorf nach Erlangen

Doch die ehemaligen Auseinandersetzungen zwischen Zeitungsredakteur und Politiker standen nicht im Mittelpunkt des Gespräches. Balleis sollte als Zeitzeuge erzählen und das tat er auch mit Leidenschaft.
Denn der Weg nach Erlangen benötigte für den am 4. August 1953 in Nürnberg geborenen Franken einige Zwischenstationen. Die ersten Geheimnisse gab Balleis aus seiner Schulzeit bekannt. Die Grundschule wurde in Zirndorf absolviert, bevor es auf das Hardenberg-Gymnasium in Fürth ging. Als Kollegstufensprecher hatte er sich dort gut etabliert, als Schüler erreichte Balleis aber auch Grenzen. "In der neunten Klasse bin ich beinahe wegen Latein und Mathe durchgerauscht", erklärte der studierte Betriebswirtschaftler. Genau das habe ihn aber mitgeprägt. Denn in den Sommerferien wurde kräftig nachgelernt, sodass die Nachprüfung bestanden wurde, um infolge doch in der zehnten Klasse weiterzumachen.
Nach dem Abitur 1973 gab es die ersten längeren Kontakte nach Erlangen. Er studierte Betriebswirtschaftslehre an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Parallel zum Studium engagierte sich Balleis weiterhin in der Politik. Stadtrat in Zirndorf, Kreisrat im Fürther Land. Die große Chance politische Luft dort zu schnuppern, wo die "große Politik" gemacht wird, gelang Balleis als Mitarbeiter des Bundestagsabgeordneten Peter Wilhelm Höffkes (CSU). "Aber als rein wissenschaftlicher Mitarbeiter, Wahlkampf habe ich nicht für ihn betrieben."


Wichtige Niederlagen

So ganz hürdenfrei sei die politische Karriere aber dann doch nicht verlaufen. Gute Ergebnisse als JU-Mitglied führten zu dem Entschluss, 1984 in Zirndorf gegen den damaligen starken SPD-Bürgermeister Virgilio Röschlein zu kandidieren. "Mit einem Achtungserfolg von 30 Prozent, letztlich aber eine verlorene Wahl", erinnerte sich Balleis. Fügte aber sofort hinzu: "Es ist wichtig, Wahlen zu verlieren. Diese Niederlagen braucht man. Wer nur auf der Überholspur ist, verpasst etwas!"
Er verlor gegen Günter Beckstein, er scheiterte zwei Mal, den JU-Vorsitz in Bayern zu übernehmen. Dinge, die ihn aber geprägt hätten. Und mit einem weiteren Geheimnis erklärte er, was ihn auch entscheidend geprägt habe.
Sein Vater habe in der Werkstatt einen Zettel gehabt, der an der Wand "angepinnt" gewesen sei. Darauf fand sich ein Zitat von Voltaire, das sich Balleis für seinen weiteren Weg zu Eigen gemacht hat: "Alles, was du sagst, sollte wahr sein. Aber nicht alles, was wahr ist, solltest du auch sagen." Greiner wollte in diesem Zusammenhang gerne wissen, was ihm Balleis in seiner Amtszeit denn nicht erzählt habe. Der wiederum konterte mit einer Abwandlung eines Kantschen Zitates: "Handle stets so, dass was du tust, auch morgen im Licht der Öffentlichkeit stehen kann."


Adenauer als Vorbild

Noch mehr Geheimnisse? Es waren viele, die Balleis in die Runde gab. Einige waren den Gästen bereits bekannt, andere waren tatsächlich neu. Das Adenauer Balleis' Vorbild war, wussten vor allem die politischen Wegbegleiter. Dass er ursprünglich Pilot werden wollte, deutlich weniger. Dass er in seinen Jahren bei Siemens unter anderem in einem Projekt für die Athener U-Bahn zuständig war, wussten wiederum die Wirtschaftler vor Ort. Dass er in Rivalität zum damaligen Erlanger Joachim Herrmann, heutiger bayerischer Innenminister, um das Amt des Wirtschaftsreferenten stand, wussten wiederum nur wenige Gäste.
Die Anekdote, warum Balleis seinen Wahlkampf für den Landtag vor allem in Erlangen ausrichtete, obwohl das große Wählerpotential in der Nürnberger Region lag, schilderte er in amüsanten Worten. "Ich wollte eigentlich Nürnberg erobern. Mit hunderten von Plakaten pflastere ich die Zufahrtsstraßen nach Nürnberg zu. Am nächsten Tag gab es von der Nürnberger CSU den Hinweis, dass die Plakate abzumachen seien oder eine Strafe von 20 000 Mark (10 000 Euro) drohe." Für ihn sei damit völlig klar gewesen: "Die Plakate schmeißt du jetzt nicht einfach weg, die werden in Erlangen aufgehängt." Dort hatte es im Gegensatz zu Nürnberg nämlich keine Abmachung zwischen den Parteien gegeben, nicht allzu großzügig zu plakatieren.


Geheimnisse des Alt-OB

Balleis verriet noch mehr, aber nicht alles. Vor allem nicht, weil es noch einen zweiten Teil dieses Zeitzeugengesprächs geben wird. Am 1. Dezember geht es um 18 Uhr im Stadtarchiv in der Erlanger Luitpoldstraße weiter. Ob er dann etwas darüber verraten wird, wie er die Wahlniederlage 2014 erlebt und verkraftet hat, wie er die Entwicklungen in der Stadt sieht, das hat er noch nicht verraten.
Sicher nicht mehr zur Sprache kommt, dass er am liebsten Rindsrouladen isst, seinen Urlaub im Salzburger Land und der Türkei verbringt, total auf James Bond steht, Hermann Hesse aber als Lieblingsschriftsteller dem Autor Fleming vorzieht. Antonio Vivaldi empfindet er als den größten Komponisten, wobei er gutem Jazz und Rockmusik nicht abgeneigt ist.
Eines ist nach dem ersten Abend aber bereits sicher: Siegfried Balleis überzeugt als Kenner der Stadt Erlangen, er überzeugt in seiner Rolle als Alt-Oberbürgermeister und erst recht als Ehrenbürger. Die zweite Runde dürfte spannend werden.