Axel und Otto Harnier, zwei Neffen des 1936 bei einem Flugzeugabsturz tödlich verunglückten Rudolf Harnier, besuchten das Bergplateau. Zeitzeuge Elmar Dippold (89) begleitete sie und schilderte Details des Absturzes.
matthias einwag
Elmar Dippold zückt sein Taschenmesser. Er klappt die Klinge heraus, bückt sich und hebt damit eine Prise schwarzen Humus aus dem Wiesenboden. Er will prüfen, ob die Erde nach Öl riecht. Genau an dieser Stelle stürzte vor 80 Jahren eine Junkers W 34 ab, wobei vier Menschen ums Leben kamen.
Der Ölfleck sei jahrzehntelang zu sehen gewesen, die geringere Vegetation habe die Absturzstelle stets deutlich markiert, sagt der 89-Jährige und prüft den Geruch der Erde. Er schaut skeptisch. Ob das nach Öl riecht will er nicht mit Sicherheit beantworten. Elmar Dippold reicht die Messerspitze, worauf der sich der schwarze Humus wie Schnupftabak häuft, an die Umstehenden weiter. "Das riecht nach Erde!", befindet Axel Harnier, und die anderen brummeln zustimmend. Dass der Grasbewuchs an der Absturzstelle deutlich spärlicher ist, darüber sind sich alle einig.
Elmar Dippold, der schon lange in Bamberg lebt, ist in Romansthal als Sohn des Lehrers Josef Dippold aufgewachsen. An den 13. Januar 1936 erinnert er sich gut: Kurz nach dem Mittagsgebet in der Schule war in Romansthal ein lauter Schlag zu hören. Schnell habe sich herumgesprochen, dass wohl ein Flugzeug abgestürzt sein muss. Daraufhin rannten alle zum Staffelberg hinauf, woher das Geräusch gekommen war.
An diesem Junitag ist Elmar Dippold mit Axel und Otto Harnier verabredet. Beide sind Cousins des 1936 auf dem Staffelberg tödlich verunglückten 23-jährigen Luftwaffen-Leutnants Rudolf Harnier. Axel Harnier (Jahrgang 1944) ist pensionierter Gymnasiallehrer aus Bad Hersfeld. Der promovierte Jurist Otto Harnier (Jahrgang 1939) war hoher Beamter bei der EU und lebt bei Brüssel.
Im Gasthof "Zur schönen Schnitterin" in Romansthal sind sie mit Elmar Dippold und der Staffelsteiner Stadtarchivarin Adelheid Waschka verabredet.
Anschließend soll's zum Lokaltermin auf den Berg gehen. Elmar Dippold berichtet zunächst von seiner Kindheit und Jugend in Romansthal - davon, dass er einmal einen Zeppelin übers Maintal gleiten sah und dass es im Dorf einen Hund gab, der den Namen "Allzeit nüchtern" trug, weil er alles fraß.
Während die Stadtarchivarin den 89-Jährigen aufs Bergplateau chauffiert, laufen Otto und Axel Harnier auf den Berg. Oben führt Elmar Dippold die Cousins zur Absturzstelle, die sich in Höhe der rekonstruierten keltischen Schlitzpfostenmauer befindet. Otto und Axel kennen ihren Onkel nur aus Erzählungen, denn er kam Jahre vor ihrer Geburt ums Leben. Sie sprechen über Jugendzeit, Elternhaus und die Familie. Rudolf Harnier wird immer wieder erwähnt.
Elmar Dippold erzählt ihnen, was er damals, als knapp neunjähriger Junge an der Unglücksstelle sah: Die zerfetzte Metallkabine der Junkers, den großen Klumpen des Motorblocks, Kleidungsstücke und einen Wecker, der noch tickte. Aber auch die Toten und die Schwerverletzten sah er. Ein Erlebnis, das ihm unvergesslich bleibt.
Keine Auskünfte kann er über den geheimnisvollen fünften Mann machen, der in der Maschine gesessen haben muss und offenbar überlebt hat. Archivalien über dessen Identität gibt es nicht. Es sieht sogar danach aus, als wären alle Hinweise auf diese Person systematisch getilgt worden - als wollte man vertuschen, dass er an Bord war.
Adelheid Waschka, die in etlichen Archiven recherchiert hat, konnte nur spärliche Quellen über den Absturz ausfindig machen.
Im Bamberger Volksblatt fand sie einen Artikel, der am Tag des Absturzes abgedruckt ist; darin werden Freiwillige für die Luftwaffe geworben. Am 17. Januar 1936 druckte das Volksblatt eine ganzseitige Bildreportage über den Fliegerhorst Holtenau: "In Lederzeug und Gummihose". Über das Unglück auf dem Staffelberg findet sich in den Zeitungen aber keine noch so kleine Notiz.