Die katholische Seite verteidigte weiterhin ihre Rechtsposition. Die Annakapelle diente, von wenigen Sondergenehmigungen abgesehen, ausschließlich katholischen Gottesdiensten. Auch der Schulmeister musste katholisch sein.
Alles änderte sich, als der bayerische Kurfürst die Herrschaft übernahm. Maximilian IV. Joseph von Bayern verkündete das Edikt der Religionsfreiheit. Sofort wurde der Wunsch nach einem eigenen Pfarrer und Lehrer laut, doch das Geld für deren Bezahlung reichte hinten und vorn nicht. Nach längeren Hin und Her genehmigte der Kurfürst sowohl den evangelischen Pfarrer als auch Lehrer.
Im April 1804 wurde Dr. Ernst Clarus zum Pfarrer berufen. Der evangelische Lehrer war Johann Georg Luther aus Untermerzbach. Der katholische Pfarrer aus Marktgraitz hatte weiterhin das Recht, Gottesdienst in der Annakapelle zu halten.
Um seine Ansprüche durchzusetzen, erschien dieser 1804 mit 600 Mann in Michelau. 1805 rückte er gar mit Bürgermilitär aus Zeuln, Marktgraitz, Lichtenfels und Staffelstein an. Die Michelauer hatten sich mit Heugabeln und Floßhaken im Kirchhof verschanzt und die Katholiken zogen ab. Das Hofgericht Bamberg sah darin eine Rebellion und beantwortete diese mit Gefängnisstrafen und Geldbußen. 1807 wurde Clarus zum Dekan ernannt. 1808 endete die Nutzung der Kirche als Simultaneum. Die 300 Jahre alte Kirche schrie förmlich nach einem Neubau. Zeitweise (1812) wurde sie aus Sicherheitsgründen gesperrt.
Landesweite Kollekte
Wieder reichte das Geld nicht. 1814 genehmigte der Staat das kostenlose Holz und der bayerische König eine landesweite Kollekte. Im Juni 1817 wurde die Annakapelle abgebrochen Der Neubau war ein Kraftakt, denn 1817 war ein Hungerjahr. Der Korbhandel stockte, "die Menschen gingen ausgemagert und mit gelbblaßer Gesichtsfarbe umher". Immer wieder verhinderte Geldmangel den Fortgang der Arbeiten. Doch der Bau wurde vollendet.
Die Kirche war schmaler als heute. Sie war nach Osten ausgerichtet, der Zugang lag an der Westseite. Um 1900 reichte das Fassungsvermögen der Kirche nicht mehr aus. Der Architekt Will erweiterte 1931 die Kirche durch seitliche Anbauten, so dass eine Kreuzform entstand. Gleichzeitig drehte er den Kircheninnenraum um 180 Grad. Am 10. Juli 1932 wurde der Bau eingeweiht. 1933 erhöhte man den Kirchturm um vier Meter, 1954 hielten fünf neue Bronzeglocken Einzug in den Turm.
"Es ist eine ungewöhnliche Geschichte, die ich Ihnen heute erzählen durfte" schloss Dippold. "Die Geschichte einer Kirchengemeinde, die sich, was sie hat, selbst erworben, erstritten, ertrotzt hat."