Liebesspiel auf hohem Niveau

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Gelungene Premiere: Die Theaterwerkstatt überzeugte mit ihrer ersten Vorstellung "Die Wahlverwandtschaften" in Kooperation mit dem Theater im Gärtnerviertel Bamberg. Unser Szenenfoto zeigt (von links) Olga Seehafer, Martin Habermeyer, Aline Joers und Felix Pielmeier. Foto: Ulrike Langer
Gelungene Premiere: Die Theaterwerkstatt überzeugte mit ihrer ersten Vorstellung "Die Wahlverwandtschaften" in Kooperation mit dem Theater im Gärtnerviertel Bamberg. Unser Szenenfoto zeigt (von links) Olga Seehafer, Martin Habermeyer, Aline Joers und Felix Pielmeier.  Foto: Ulrike Langer

Der Theaterwerkstatt Haßfurt gelang mit der Bühnenfassung von Goethes "Wahlverwandtschaften" eine sehenswerte Inszenierung. Zweimal ist das Stück in der Stadthalle noch zu sehen.

Es war eine grandiose Vorstellung, die das Publikum am Mittwochabend im Gewölbekeller der Stadthalle zu sehen bekam: Die Premiere von Goethes "Wahlverwandtschaften", gespielt von der Theaterwerkstatt Haßfurt, zeichnete sich durch eine wohldurchdachte Inszenierung, eine wunderbare Choreographie und hervorragende Schauspieler aus. Regisseurin Nina Lorenz, die Darsteller Olga Seehafer, Martin Habermeyer, Felix Pielmeier und Aline Joers, der Musiker Jakob Fischer und die Kostümbildnerin Lena Lorang erhielten nicht enden wollenden Beifall.


Zuschauer ist mittendrin

Der Roman "Die Wahlverwandtschaften" von Johann Wolfgang von Goethe stammt aus dem Jahr 1809; doch ist die über 200 Jahre alte Geschichte über die Naturgesetze des Herzens und die Anarchie der Gefühle hochaktuell. Nina Lorenz hat in ihrer bewundernswerten Choreographie zusammen mit den Schauspielern die Dramatisierung von Silvia Armbruster so lebendig in Szene gesetzt, dass sie dem Zuschauer das Gefühl vermittelt, inmitten der Handlung zu stehen.


Weiß und Rot

Eine Treppe, ein Teppich und ein paar weiße Tücher, die nicht von ungefähr an einen Brautschleier erinnern, bieten den Darstellern viele Möglichkeiten, zu agieren und sich entsprechend ihrer Gefühle zu positionieren. Ihre Kostüme, von der Kostümbildnerin Lena Lorang in verschiedenen Rottönen als Zeichen der Liebe gehalten, "heizen" zusätzlich die Stimmung an.
Da die Fassung von Silvia Armbruster sich hauptsächlich auf die vier zentralen Personen aus dem Roman, Baron Eduard und Gattin Charlotte sowie deren Freunde Otto und Ottilie und damit auf deren Dialoge bezieht, kommt der Sprache eine gewichtige Rolle zu.
Es ist eine poetische Sprache, die den Emotionen Flügel verleiht, die für den einen vielleicht "schwere Kost" bedeutet, den anderen aber wegen ihrer Noblesse fasziniert. Eine Sprache, welche die Schauspieler verinnerlicht haben und mit Anmut, Leichtigkeit und feinem Witz darbieten.


Spannendes Beziehungsgeflecht

So entfaltet sich in direkter Nähe zum Publikum eine ergreifende Handlung: Eduard, ein außergewöhnlich charmanter Mann, und Charlotte, seine lebenserfahrene, kultivierte Frau, in der Blüte ihrer Jahre, haben sich von allen gesellschaftlichen Verpflichtungen zurückgezogen und genießen ungestört ihr gemeinsames Leben auf ihrem Landsitz. Bis Eduard seinen Jugendfreund Otto einlädt, einen stellungslosen Architekten, der mit großer Energie die Neugestaltung der Gartenanlage übernimmt.
Von der Schaffenskraft des Freundes angesteckt, arbeitet Eduard mit. Charlotte sieht ihren Ehemann bald nur noch abends. Da trifft Ottilie ein, Charlottes Nichte, die ihr Internat verlassen musste. Charlotte nimmt sich ihrer mütterlich an. Aus der gegenseitigen Freundschaft und Verantwortung heraus aber entwickelt sich leidenschaftliche Liebe zwischen Eduard und Ottilie und eine sehnsuchtsvolle Liebe zwischen Charlotte und Otto. Angesichts der neuen Beziehungen entwickelt sich eine Dramatik, deren Ende nicht vorherzusehen ist...


Glaubwürdige Charaktere

Dass die Premiere so bezaubernd, ergreifend und spannend über die Bühne ging, ist vor allem den Schauspielern zu verdanken. Felix Pielmeier glänzt als Eduard, der Charme und Witz versprüht und an seiner Leidenschaft zu Ottilie fast zerbricht, während Aline Joers unnachahmlich die standhafte Charlotte gibt. Grandios führt sie die Zerrissenheit der treuen Gattin und der frisch verliebten Frau vor Augen, lässt sich von ihren Gefühlen übermannen und zieht mit ihrer Ausstrahlung unwillkürlich in den Bann.
Martin Habermeyer spielt den dankbaren Otto mit großer Ernsthaftigkeit, um später zarte Liebesbande zu knüpfen.
Große Schauspielkunst demonstriert auch Olga Seehafer, die zunächst die schüchterne, dann die vor Liebe brennende Ottilie verkörpert. Sie weiß die unterschiedlichen Gefühlsregungen aus sich heraus glaubhaft zu entwickeln.
Kein Wunder, dass die Schauspieler am Ende passend zu ihren roten Kostümen auch rote Wangen bekommen hatten. Die Schauspielkunst, die Aufregung bei der Premiere und das Scheinwerferlicht ließen sie daher zu dem begeisternden Schlussapplaus geradezu strahlen.