Knast für Krawall-Party

4 Min
Wiederholt mit dem Gesetz in Konflikt gekommen ist eine Gruppe junger Leute. Foto: Christopher Schulz
Wiederholt mit dem Gesetz in Konflikt gekommen ist eine Gruppe junger Leute.  Foto: Christopher Schulz

Eine verwüstete Wohnung, Drogen, geklaute Kopfhörer, Schläge und eine Bisswunde - das Schöffengericht hatte sich mit einer ganzen Reihe Vergehen zu beschäftigen. Die Verantwortlichen: vier junge Erwachsene mit prall gefüllten Akten.

Carmen Schmitt

Aus vier mach zwei. Vor dem Schöffengericht hatten sich vier junge Erwachsene zwischen 17 und 22 Jahren zu verantworten, die in die Wohnung eines Freundes eingebrochen waren, um eine Party der Zerstörung zu feiern. Die Vorhänge, das Mobiliar - mehrere hundert Euro Schaden hatte der schockierte Bewohner zu beklagen, der übers Wochenende weggefahren war. Das Urteil wird am Ende der Verhandlung am Kissinger Amtsgericht nur zwei der vier jungen Leute erwischen. Etwas haben alle gemeinsam: eine dicke Akte, keine Ausbildung, keinen Job, eine Drogenkarriere und zerrüttete Familienverhältnisse.
Letztes Jahr im Sommer, ein Samstagnachmittag: Cindy* und Benjamin* (Namen geändert) hatten nichts Besseres zu tun - wie so oft. Cindy regte sich über einen gemeinsamen Freund auf. Sie ist sich sicher: Er hat sie beim Jugendamt angeschwärzt. Cindy und Benjamin - damals ein Paar - wussten, dass er nicht zu Hause sein würde an diesem Wochenende. Die Racheaktion: Benjamin - Nachbar des Freundes - besorgte sich das grüne Brecheisen aus der Werkstatt von Papa und hebelte kurzerhand die Tür zu der Wohnung auf. Das sei ganz allein seine Idee gewesen, sagt er vor Gericht.
Die Truppe traf sich regelmäßig bei dem Kumpel. Er ist der Einzige in der Runde mit eigener Wohnung und Job. Abhängen, mal einen Joint, mal etwas Härteres - ganz normal. Was sie sich bei der Zerstörungsaktion gedacht hatten? "Ich weiß nicht, was wir genau vorhatten", antwortet Cindy.
Sie randalieren, toben und wüten. Das Pärchen lädt weitere Gäste zu seiner privaten Party ein. Irgendwann trudelt Konstantin* ein, später kommt Mary* dazu. Alle beteiligen sich mehr oder weniger daran, die Wohnung zu verwüsten. Bis die Schwester des verreisten Kumpels plötzlich in der Tür steht. Die Truppe nimmt Reißaus. Konstantin türmt aus dem Fenster. Er kommt als Einziger wieder und stellt sich der Polizei. Warum? Er ist auf Bewährung und ahnt, was ihm blüht.


Nicht zum ersten Mal vor Gericht

Die Akten, die sich vor dem Richter stapeln, sind prall gefüllt. Er atmet schwer. Keiner der vier jungen Erwachsenen auf der Anklagebank nimmt dort zum ersten Mal Platz. Die 22-jährige Mary: Drogen und Beleidigungen. Benjamin, 17 Jahre, klaut, seit er neun ist. Dazu kommen: Sachbeschädigung, Körperverletzung, Fahren ohne Führerschein, Einbruch. "Die Straftaten folgen so schnell aufeinander, das ist gar kein gutes Zeichen", sagt der Richter. Cindy, 21 Jahre alt: Diebstahl, Körperverletzung, Drogen. Bei dem 20-jährigen Konstantin braucht der Richter am längsten: Sachbeschädigung, Diebstahl, schwerer Diebstahl, Einbruch. Seit 2011 hat er immer wieder Ärger mit dem Gesetz. Dazu kommt: Er wird Vater. Die Mutter seines Kindes sitzt neben ihm auf der Anklagebank. Cindy. Ein Paar sind die beiden nicht mehr.


Schwanger mit dem dritten Kind

Die 21-Jährige ist im vierten Monat schwanger. Ob sie von den Drogen nun endlich weg ist? Amphetamine nehme sie seit Januar nicht mehr. "Beim Gras hatte ich zwei, drei Ausfälle." Ihre beiden anderen Kinder wurden ihr weggenommen. Die dreieinhalbjährige Tochter sieht sie nicht, ihr zweijähriger Sohn wächst bei ihrer Adoptivmutter auf. Und die hat sie jetzt angezeigt.
Es war gut eine Woche vor der Randale-Party. Die 61-Jährige erinnert sich genau. Sie hatte beim Einkaufen das Shampoo für Cindy vergessen. Die tickte aus. "Sie hat eine Tasse nach mir geworfen." Nicht zum ersten Mal. Ihre Adoptivmutter ahnte: Cindy hat wieder etwas geschluckt. "Dann wird sie aggressiv." Die Frauen schlagen um sich, teilen Ohrfeigen aus, die Tante kommt dazu, Cindy beißt ihr ins Knie, mitten im Tumult: der kleine Sohn. Zu der Zeit verbüßte sie eine Bewährungsstrafe. Zu den angeordneten Drogen-Tests kam sie nicht.


Therapie begonnen

Marys siebenjährige Tochter ist jetzt eingeschult worden. Die 22-Jährige will weg von den Drogen. Gerade startet sie eine Therapie. Weil sie sich von allen wohl am wenigsten an der Randale beteiligt hat und versucht, ihr Leben in den Griff zu bekommen, lässt sie der Richter mit einem Anpfiff und einer Empfehlung laufen: "Suchen Sie sich einen anderen Freundeskreis. Halten Sie Ihre Therapie durch. Hören Sie auf die Leute, die Ihnen Gutes wollen, die gibt es auch." Bleiben noch drei auf der Anklagebank.


Gras von Beamten freikaufen

Benjamin hatte sich abgesehen von der Randale in der Wohnung eine weitere Sache zu Schulden kommen lassen: Drogen und Diebstahl. Ende Januar wurde er in einem Supermarkt erwischt, wie er einen Kopfhörer im Wert von 18 Euro mitgehen lassen wollte. Eine Erklärung, wie es dazu kam, hat er vor dem Schöffengericht schnell parat: "Ich hatte kein Geld dabei." Die Polizeibeamten fanden gut ein Gramm Marihuana bei ihm. Für "einen Fuffi" will er das Gras, das er sich für die nächsten zwei Joints besorgt hatte, von den Beamten wieder freikaufen.
Die Jugendgerichtshilfe attestiert Benjamin eine "knappe geistige Behinderung". "Er lässt sich aus Dummheit dazu hinreißen, andere zu beeindrucken." Der Richter: "Ich muss zugeben, es macht sich eine gewisse Ratlosigkeit breit." Der Verteidiger hat Erfolg mit seinem Antrag, Benjamin von einem Gutachter auf Schuldunfähigkeit untersuchen zu lassen. Da waren es nur noch zwei. Cindy und Konstantin.
Letzterer hat den Schaden, den die Gruppe in der Wohnung angerichtet hatte, zwischenzeitlich beglichen. Konstantin hat Zeitungen ausgetragen, um die Schulden abzustottern. Dennoch: "Solche aussichtslosen Fälle hatte ich bisher nicht. Ihre Strafen haben Sie nicht nachhaltig beeindruckt", sagt der Staatsanwalt. Er fordert " einen erheblichen Jugendarrest, um Sie überhaupt noch zu erreichen".


"Tun Sie sich einen Gefallen"

Bei dem Strafmaß des Gerichts von zwei Jahren und drei Monaten bleiben Richter und Schöffen knapp unter der Forderung des Staatsanwalts. Die Jugendstrafe wird nicht zur Bewährung ausgesetzt. Cindy kommt "gerade noch einmal so" mit einer Bewährungsstrafe samt Arbeitsstunden davon. Für eine einjährige Jugendstrafe muss sie sich drei Jahre bewähren. Grund für die Milde: Gerade während der Zeit, in der sie Arbeitsstunden ableistete, einen Alltag, Stabilität und Regeln erfuhr, entwickelte sie sich laut Sozialpädagoge gut. Der Rat des Richters: "Sie sind eine intelligente Frau, nutzen Sie die Chance. Tun Sie sich einen Gefallen."