Identifikationsfigur der Coburger

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Der neue Coburger Stadtheimatpfleger Christian Boseckert äußert sich zur aktuellen Diskussion um das Stadtwappen. Das Thema sei zu ernst, um es auf oberflächliche Annahmen und Äußerlichkeiten zu reduzieren.

Muss man sich mit der eigenen Erinnerungskultur auseinandersetzen? Ja, und zwar kritisch, objektiv und aus der jeweiligen Zeit heraus erklärend. Ideologien oder ein moralisierender Blick auf die Vergangenheit haben da keinen Platz. Gerade darin liegt das Problem der Petition, die Juliane Reuther und Alisha Archie an Coburgs Oberbürgermeister Dominik Sauerteig (SPD) übersendet haben.

Darin wird behauptet, das Coburger Stadtwappen besäße einen rassistischen Ursprung. Stimmt das? Der heilige Mauritius wurde in Coburg erstmals 1354 auf einer Münze abgebildet. Hatte nun der Künstler rassistische Vorstellungen, als er dieses Bildnis schuf?

Nein, denn diesem war ein auf äußere Merkmale basierender Rassismus unbekannt. Es gab nicht einmal diesen Begriff. Wenn eine Gesellschaft damals Fremde ausgrenzte, erniedrigte oder gar tötete, geschah dies vorrangig aus religiöser Überzeugung - man denke dabei an die Kreuzzüge oder die Judenpogrome.

Verehrung des Heiligen

Mauritius dagegen war Teil der christlichen Gemeinschaft, Märtyrer, dann Patron des Heiligen Römischen Reiches und entwickelte sich im Laufe der Jahrhunderte zu einer Identifikationsfigur der Coburger. Von einem rassistischen Ursprung kann also keine Rede sein, vielmehr von einer Verehrung des Heiligen, eines Schutzherrn für Stadt und Kirche.

Auch unterscheiden die Initiatorinnen nicht zwischen dem umgangssprachlichen Ausdruck "Coburger Mohr" und der offiziellen Bezeichnung "Heiliger Mauritius". Zudem nehmen sie eine einheitliche Bedeutung des Begriffs "Mohr" an, die nur negativ sein kann. Die Coburger verwenden diese Bezeichnung aber verehrend.

"Mohr" war positiv belegt

Das zeigt den vorkolonialen Ursprung auf, als die Bezeichnung "Mohr" in den europäischen Vorstellungen positiv belegt war. Mit der beginnenden Kolonialisierung wurde dieser Begriff im 18. Jahrhundert durch das rassistische "Neger" ersetzt. Erst in der Gegenwart fand eine Gleichsetzung zwischen beiden Begriffen statt.

Zudem wird auf die Herkunft von Mauritius verwiesen und behauptet, er stamme aus Ägypten. Tatsächlich gibt es keine Belege dafür, wie Mauritius überhaupt gelebt hatte. Seine Vita ist nur durch Erzählungen aus mindestens dritter Hand bekannt.

Eine solche mündliche Überlieferung ist bei Heiligen nichts Ungewöhnliches. Auf dieser Informationsbasis lässt sich aber die Ethnie eines Menschen nicht bestimmen. Aus diesem Grund hat der Coburger Stadtrat bereits 1974 beschlossen, dass "ungeachtet der Herkunft und des möglichen Aussehens des Heiligen Mauritius" dieser "im Stadtwappen mit einem Mohrenkopf zu symbolisieren sei".

Verfügung Langers

Damit wurde eine Verfügung des früheren Oberbürgermeisters Langer aus dem Jahre 1959 bestätigt, in der es heißt: "Als Vorbild für die Gestaltung des Mohrenkopfes im Stadtwappen ist ausschließlich der [...] am Portal der Coburger Stadtapotheke geschaffene Kopf zu verwenden". Dieser Problematik bewusst, folgte man hier modellhaften Formen mittelalterlicher Bildtradition.

Mauritius-Darstellungen haben sich seither nur wenig verändert. Der entscheidendste Unterschied lag in der Darstellung mit oder ohne Ohrring. Von 1953 bis 1959 nutzte die Stadt Coburg ein Bildnis ohne Ohrring als Wappen- und Siegelbild. Doch dieses konnte sich nicht durchsetzen.

Insgesamt lassen die Initiatorinnen die Coburger Besonderheiten unberücksichtigt. Hier wären zum Beispiel die Abschaffung des Wappens aus ideologisch-rassistischen Gründen in der NS-Zeit oder die fehlende rassistische Verbindung auf dem Höhepunkt des deutschen Kolonialismus zu nennen. Zudem verwenden beide Initiatorinnen den Rassismus-Begriff ideologisch, wodurch die Petition eine einseitige Sichtweise erhält. Ein solches Vorgehen ist bedauerlich. Der Kampf gegen den Rassismus braucht keine erinnerungskulturellen Manipulationen. Er ist stark genug, ohne dem auszukommen. Auch ist das Thema zu ernst, um es auf oberflächliche Annahmen und Äußerlichkeiten zu reduzieren.