Kinderarmut Eine junge Frau erinnert sich. Wie es war, als Kind nicht dazu gehört zu haben. An einen leeren Kühlschrank. Und wie es ist, plötzlich auf der Straße zu stehen. Aber auch über ihre Träume und Ziele.
Johanna* lächelt zurückhaltend. Eine junge Frau, 19 Jahre alt, hübsch, gepflegt, sympathisch - und mutig. Denn sie will heute ihre Geschichte erzählen. Eine Geschichte über Kinderarmut in Coburg. Mitten unter uns. Wir treffen uns in der Geschäftsstelle des Kinderschutzbundes. Die Vorsitzende Bettina Dörfling kennt das Mädchen schon einige Zeit und weiß, dass Johanna ihr Schicksal mit vielen Kindern teilt.
Offiziell sind es 1297 Kinder, die in Coburg Stadt und Land von Armut betroffen sind. "Die Dunkelziffer liegt aber bei weitem höher", sagt die Sozialpädagogin. Erfasst werden nämlich nur die, deren Eltern von Hartz IV leben. Alle, die knapp über der Einkommensgrenze liegen, bekommen keine Unterstützung. "Da sieht es oft noch schlimmer aus."
Wie schlimm es für Johanna war, wird schon bei den ersten Sätzen deutlich: "Ja, ich habe Hunger gelitten!", "Nein, auf Abschlussfahrt konnte ich nicht mit. Das konnte meine Mama nicht bezahlen.", "Irgendwann haben wir bei einer Bekannten gewohnt, weil wir die Miete nicht mehr bezahlen konnten."
Doch der Reihe nach. Johanna wuchs bei ihrer alleinerziehenden Mutter auf. Als sie sieben Jahre alt war, kam noch eine kleine Schwester dazu. "Wir haben von Hartz IV gelebt. Was konkret bedeutet hat, dass wir am Ende des Monats nichts mehr im Kühlschrank hatten." Nudeln mit Ketchup oder ein Toast mit einer Scheibe Salami sei dann immer ihr Hauptessen gewesen. "Gefrühstückt haben wir nicht." An Ausflügen mit der Schule habe sie schon teilnehmen können, aber ihre Mutter konnte oft nur in Raten zahlen. Für die Abschlussfahrt nach Berlin hat das Geld aber nicht gereicht.
In Urlaub gefahren ist die Familie kaum. Johanna spricht von "seltenen Städtereisen, hauptsächlich nach Nürnberg". Einmal war sie mit Oma und Opa in Spanien. "Das war richtig schön", sagt sie und strahlt dabei. Ihre Großeltern hätten ihnen oft geholfen, wenn's am Ende knapp geworden sei. Aber immer ging es eben auch nicht.
"Sehr geschämt"
Johanna war in keinem Verein. Gern wäre sie als Kind geritten wie ihre Freundin. Aber das sei natürlich utopisch gewesen. Stattdessen saß sie oft tagelang in ihrem Zimmer und hat gemalt und gezeichnet. "Ich habe mich sehr geschämt. Aber neidisch auf andere war ich nie." Von vielen Schulkameradinnen habe sie sich mehr und mehr zurückgezogen. "Ich gehörte irgendwann nicht mehr richtig dazu. Konnte mir ja auch keine Markenklamotten leisten. Nicht mit ins Kino." Einmal hat sie sich Adidas-Superstar-Turnschuhe von ihrer Mutter gewünscht - und tatsächlich bekommen. "Da war ich so stolz", erinnert sich Johanna.