Der Verein Bibelwelten betreibt moderne Glaubenslehre im Unteren Turm in Haßfurt. Tausende Besucher, darunter zahlreiche Kindergarten- und Erstkommunionskinder, erleben die Passion Christi mit allen Sinnen.
Dunja Neupert Mehr als 100 Treppenstufen schlängeln sich die Besucher des Ostergartens im engen Unteren Turm in Haßfurt hinauf. Bis nach ganz oben in den fünften Stock. Dort beginnen die letzten Tage Jesu vor seiner Kreuzigung und anschließenden Auferstehung. "In seiner letzten Woche ist Jesus damals vor rund 2000 Jahren auch einen Berg hinaufgestiegen - nach Jerusalem", erzählt Annerose Simon. Die gelernte Erzieherin führt die Vorschulkinder des St.-Franziskus-Kindergartens aus Zapfendorf durch den Ostergarten. Die Erlebnisausstellung des ökumenischen Vereins Bibelwelten in Haßfurt ist seit einigen Jahren Anlaufstelle für Kindergärten, Schulen und Betreuungseinrichtungen.
Unter dem Dach des Turmes angekommen, beschreibt Simon spielerisch, wie Jesus, auf einem Esel reitend, am Palmsonntag in Jerusalem einzog. Die Kinder dürfen Tücher auslegen, um die "Straße" zu schmücken. So wird das Ostergeschehen für die Zapfendorfer Kinder erlebbar. Ein Stockwerk tiefer erfahren die Vorschulkinder dann am eigenen Leib, wie das letzte Abendmahl ablief. Sie brechen ein Brot in kleine Stücke und teilen es untereinander. Anschließend trinken sie reihum aus einem Kelch mit Traubensaft. "Das ist so toll, wie den Kindern die Situation nahe gebracht wird", sagt Erzieherin Susanne Leicht, während die Buben und Mädchen wieder einige Treppenstufen nach unten stapfen. "Wir nehmen jetzt schon seit ein paar Jahren die weite Fahrt auf uns", erzählt Leicht. Und dabei wollen sie auch bleiben, um die Ostergeschichte besser zu verstehen.
Es wird emotional
Im dritten Raum erinnert alles an die Verurteilung Jesu durch Pontius Pilatus. Annerose Simon erklärt den Kindern auch, wie Judas Jesus verraten hat. Schwere Vorhänge verdunkeln den engen Raum - die Stimmung wirkt gedrückt. Doch es soll noch unangenehmer werden. Im vierten Raum werden die Kinder mit dem Tod konfrontiert. Mit der Kreuzigung und dem Leid Jesu. Es geht noch viel tiefer. Annerose Simon fragt in die Runde: "Kennt ihr jemanden, der gestorben ist?" 26 Zeigefinger schnellen in die Höhe. "Meine Oma und mein Opa", sagt ein Kind. " Meine Uroma", antwortet ein anderes. Aber auch andere Angehörige und Haustiere vermissen die Kleinen teils schmerzlich. Für einen Buben ist das zu viel. Erinnerungen kommen hoch. Die Tränen fließen. Susanne Leicht nimmt den Jungen in den Arm und tröstet ihn. Annerose Simon reagiert auch auf die Situation und erzählt den Kindern von Ostern und der frohen Botschaft, dass Jesus von den Toten auferstanden ist. "Und das ist es, warum wir hier herfahren", sagt Susanne Leicht beim Verlassen des Raumes. "Es ist wirklich ergreifend und wird erlebbar", erklärt Leicht, "das ist uns die weite Fahrt wert."
Im fünften und letzten Raum des Ostergartens erfahren die Kinder von der Auferstehung Jesu und dem Leben nach dem Tod. Eine bunt verzierte Kerze wird angezündet. Auf ihr befindet sich ein kleiner Spiegel, in den die Kinder blicken sollen. Als Symbol, dass Jesus für jeden Einzelnen von den Toten auferstanden ist. Zum Abschluss singen alle ein Lied. Die Worte und die interaktiven Szenen haben sich bei den Kindern eingeprägt.
Susanne Leicht will im Anschluss noch mit den Vorschulkindern über das Erlebte reden: "Da nehmen die Kinder viel mit."Die Zapfendorfer sind mit den Kleinen und fünf Erziehern aus dem Landkreis Bamberg angereist - wie viele andere auch. "Teilweise kommen die Besucher von weit her", erklärt Annerose Simon, die jetzt schon im dritten Jahr ehrenamtlich durch den Ostergarten führt. Der Einzugsbereich liegt zwischen Bad Kissingen und dem Bamberger Umland.
Für die Ehrenamtlichen des Vereins Bibelwelten sind die sechs Wochen zwischen Aschermittwoch und Ostern durchaus eine fordernde Aufgabe. Rund 125 Führungen sind laut Aussage Robert Hagers bereits gebucht. Der evangelische Diakon im Ruhestand ist seit Jahren Ansprechpartner für die Führungen im "Bibelturm". Rund 3000 Menschen erklimmen bis Ostern den Unteren Turm.
Annerose Simon wird nach eigener Aussage rund 15 Führungen betreuen - vorwiegend Kindergarten- oder Schulkinder. "Jede Gruppe ist anders und das macht es spannend", schwärmt Simon. Der 60-Jährigen wird es nicht langweilig, jede Führung begleitet sie mit Herzblut, was auch Erzieherin Susanne Leicht aufgefallen ist. Eine moderne Art der Glaubenspflege.