Auch zwei Jahre nach dem Gemeinderatsbeschluss wird über die Ortsumgehung hitzig diskutiert.
Zu Beginn der Bürgerversammlung in Geisfeld stellt Strullendorfs Bürgermeister Wolfgang Desel (CSU) erst einmal drei Regeln für den Abend auf: Erstens sei von persönlichen Verletzungen abzusehen. Zweitens möge jeder den anderen ausreden lassen. Drittens stehe hier die Gemeinde, nicht der einzelne Gemeinderat, Rede und Antwort.
Das alleine verdeutlicht schon fast ausreichend, welche Brisanz das Thema hat, das im Pfarrsaal am Donnerstagabend diskutiert werden sollte: Die Ortsumfahrung des lärmgeplagten Dorfes wurde zwar 2014 vom Strullendorfer Gemeinderat abgelehnt, so richtig vom Tisch war sie aber nie. Der Verein "Lebenswertes Geisfeld" argumentiert seit 2015 weiterhin für die Ortsumgehung und gegen die ins Feld geführten Alternativen.
Der Gemeinderat hat die Prüfung solcher Alternativen in Auftrag gegeben. Versenkbare Poller am Ortseingang seien verworfen, so Desel. Auch eine Geschwindigkeitsbegrenzung im Ort kann es nicht geben, da es sich um eine Staatsstraße handelt, die durchgehend mit mindestens 50 km/h befahrbar sein muss. Stattdessen zeigt er Planungsskizzen für drei Straßenquerungen, die zumindest ein sicheres Passieren garantieren sollen.
Höchstens optisches Signal
Dass das keine echte Alternative zur Ortsumgehung ist, räumt Desel aber auch ein: "Man bringt damit keinen Verkehr aus der Ortschaft." Für die Autofahrer sei eine Querung höchstens ein optisches Signal, hier langsamer zu fahren, nicht mehr. Auch für Desel, der gegen die Ortsumgehung gestimmt hat, seien die Querungen alleine nicht zufriedenstellend. Dafür kämen sie den Strullendorfer Haushalt billiger. In der Aufstellung stehen 240 000 zu 1,3 Millionen Euro Eigenbeteiligung.
Dieter Heim, Vorsitzender des Vereins "Lebenswertes Geisfeld", will eine solche Rechnung nicht stehen lassen. Denn: "Was kosten denn Verkehrszählung, Planung und Skizzen?" Für ihn wie für den Großteil der anwesenden Geisfelder hat der Strullendorfer Gemeinderat seinen Auftrag, eine Möglichkeit zur Verkehrsberuhigung zu finden, verfehlt. Viele haben das Gefühl, potenziell mit einer Lösung abgespeist zu werden, die an der Situation nichts ändert, aber trotzdem auch Geld kostet. Heim nennt die Querungen einen "Alibi-Unsinn."
Die Diskussion schwelt mittlerweile seit über 30 Jahren. So lange gibt es Pläne, Geisfeld an den Trassen, die im Zuge der Flurbereinigung entstanden sind, im Westen und Süden zu umfahren. Der Freistaat übernähme die Kosten der Ortsumgehung zumindest theoretisch mit bis zu 85 Prozent. Geisfeld wird von zwei Staatsstraßen durchfahren, Lkws und Motorradfahrer auf dem Weg in die Fränkische Schweiz machen Anwohnern und Gebäuden zu schaffen.
Was bei der Bürgerversammlung fast in Vergessenheit gerät, ist, dass es auch Gegner der Ortsumfahrung gibt. In einem Fernsehbeitrag des BR war vergangenes Jahr die Rede davon, dass die Fronten derart verhärtet seien, dass die Menschen teilweise nicht mehr miteinander sprächen. Es geht um Grundstücksansprüche und Angst vor einem Kreisverkehr. Dies habe sich in der Zwischenzeit gebessert. Dennoch ist von einen zerstrittenen Dorf die Rede. Und: "Gott vergibt, aber Geisfeld vergisst nie", heißt es. Von der Pro-Geisfeld-Bewegung ist allerdings wenig bis gar nichts zu hören.
Wiederholt meldet sich Dora Karmann emotional zu Wort: "Ich verstehe die Welt nicht mehr. Die Umgehung wäre doch für alle das Beste. Warum sind Sie dagegen?", will sie von "ihrem" Bürgermeister wissen. Desel bleibt sehr sachlich, trocken. Für ihn rechtfertigt die Menge des Verkehrsaufkommens in Geisfeld nicht die hohen Kosten, die mit der Umgehung verbunden wären. Auf
Strullendorf kommen, unter anderem wegen Pflichtaufgaben wie der Sanierung der Kanalisation, so hohe Belastungen wie nie zuvor zu.
Wieder Thema im Gemeinderat
Zudem besteht nach wie vor das Problem, dass im Westen Geisfelds nicht alle Eigentümer bereit wären, ihre Grundstücke abzutreten. Das böse Wort von den Enteignungen geistert durch den Pfarrsaal. Manfred Kestler ist nicht der Meinung, dass solche nötig wären: "Man muss mit den Menschen reden und ihnen nicht mit Enteignungen drohen."
Zumindest das miteinander reden haben sie in Geisfeld auch in 30 Jahren nicht verlernt. Auch wenn es teilweise hitzig zugeht, und Bürgermeister Desel an die Diskussionsregeln erinnern muss. Er will das Thema demnächst wieder auf die Tagesordnung im Gemeinderat bringen. Die Suche nach einer Lösung für Geisfeld hört nicht auf.