Wohl jeder isst Lebensmittel vom Acker oder aus dem Stall. Aber unter welchen Bedingungen produzieren Landwirte in der EU? Derzeit laufen entscheidende Verhandlungen über eine gemeinsame Agrarpolitik.
                           
          
           
   
              Die EU-Verhandlungen über eine milliardenschwere Agrarreform für die kommenden Jahre sind in die Zielgerade gegangen. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner verhandelte am Dienstag mit ihren EU-Kollegen in Luxemburg über eine gemeinsame Position. Die zu überwindenden Gräben waren hoch, Beteiligte rechneten mit einer Nachtsitzung. Bereits am Vortag liefen die Gespräche bis tief in die Nacht. Weil Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft innehat, leitet die CDU-Politikerin die Verhandlungen.
Zugleich ging auch das Europaparlament in eine entscheidende Woche für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP). Bis Ende der Woche wollen die Abgeordneten sich auf eine Linie verständigen. Anschließend könnten beide Seiten Verhandlungen miteinander aufnehmen. Im Parlament zeichnete sich ein Kompromiss der drei größten Fraktionen - der Christdemokraten, der Sozialdemokraten und der Liberalen - ab. Allerdings muss noch über Hunderte Änderungsanträge abgestimmt werden. EU-Landwirtschaftskommissar Janusz Wojciechowski sprach angesichts der bevorstehenden Entscheidungen von einem "entscheidenden Moment". "Wir brauchen eine starke Gemeinsame Agrarpolitik um sicherzustellen, dass die europäische Landwirtschaft unseren Bauern und Bürgern weiterhin wirtschaftlich, ökologisch und sozial nützt." 
     Größter Posten im EU-Haushalt  
Bei der Agrarpolitik geht es um Hunderte Milliarden Euro. Es handelt sich um den größten Posten im EU-Budget. Entsprechend wichtig ist das Paket für die Bauern. Viele Landwirte sind von den Direktzahlungen aus Brüssel abhängig, fürchten zugleich jedoch zu hohe Auflagen. Umweltschützer hingegen setzen hohe Hoffnungen in eine umwelt- und klimafreundlichere Agrarpolitik. So soll die Landwirtschaft, die für einen großen Teil der Treibhausgas-Emissionen verantwortlich ist, dazu beitragen, dass die EU bis 2050 klimaneutral wird. Ein Großteil des Geldes geht bislang in der sogenannten ersten Säule als Direktzahlungen an die Bauern. Dabei richtet sich die Summe in erster Linie nach der Größe der bewirtschafteten Fläche - besonders große Höfe bekommen also besonders viel Geld. Ein kleinerer Teil des Geldes geht in der zweiten Säule unter anderem in die Entwicklung des ländlichen Raums. 2018 hat die EU-Kommission eine Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik für die Jahre 2021 bis 2027 vorgeschlagen. Mittlerweile gilt für die nächsten zwei Jahre bereits eine Übergangsphase, so dass neue Regeln erst ab 2023 in Kraft treten würden. Nach dem Vorschlag der EU-Kommission sollen die Staaten unter anderem mehr Freiheiten bekommen, wie sie eine Reihe vorgegebener Ziele erreichen wollen - etwa die Erhaltung der Natur, den Klimaschutz und die Sicherung der Lebensmittelqualität. 
     Umstrittene Öko-Regelungen  
Dazu sollen sie jeweils nationale Pläne erstellen, die von der EU-Kommission genehmigt werden müssten. Eine entscheidende Neuerung soll zudem Öko-Regelungen sein, dass die Staaten sogenannte Öko-Regelungen anbieten, also Umweltvorgaben, die über die verpflichtenden Anforderungen hinausgehen. Erfüllt ein Landwirt sie, bekommt er zusätzliches Geld. Dieser Punkt ist jedoch sowohl unter den EU-Staaten als auch im Parlament umstritten.  
     Sitzungen bis tief in die Nacht  
Länder wie Ungarn oder Polen lehnen die verpflichtende Einführung von Öko-Regelungen ab. Deutschland hingegen hat vorgeschlagen, mindestens 20 Prozent der Direktzahlungen für die "sogenannten" Eco-Schemes zu reservieren. Der anvisierte Kompromiss im Parlament sieht 30 Prozent vor.
"Es geht hier um einen Systemwechsel in der europäischen Agrarpolitik", sagte Klöckner mit Blick auf die Öko-Regelungen. Um Wettbewerbsgleichheit zu gewährleisten, dürfe die Einführung von derlei Vorgaben nicht freiwillig sein. Landwirte sollten dafür honoriert werden, wenn "sie mehr für Umwelt, für Klimaschutz, für Biodiversität tun, zum Teil auch weniger Erträge haben". Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft wollte am Dienstag einen neuen Kompromiss vorlegen. 
Dann werde man sehen, ob es dafür Zustimmung gebe, sagte Klöckner. "Ansonsten wird es bis in die Nacht werden." Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, wies die Kritik an den vorliegenden Kompromissvorschlägen zurück: "Die Landwirtschaft braucht eine Förderung, die allen Zielen der Gemeinsamen Agrarpolitik gerecht wird - vom Umwelt- und Klimaschutz bis hin zur Einkommenssicherung für Landwirte." Der DBV fordere Mindestanteile für Eco-Schemes und für die Flächenzahlungen im Agrarbudget.    dpa