Wegen Handels mit der Droge Crystal sind zwei Brüder aus dem Landkreis Forchheim angeklagt. Der ältere von beiden schildert seine Missetaten und seine Knastkarriere in einem Buchmanuskript, das während der Verhandlung verlesen wurde.
Der Prozess gegen die Brüder Anton und Benno S. (Namen geändert) aus dem Landkreis, die in großen Mengen mit Crystal handelten, wurde fortgesetzt. Breiten Raum an diesem Verhandlungstag nahmen die Memoiren des älteren Anton ein. Zudem gab Vorsitzender Richter Manfred Schmidt die Überlegungen des Gerichts zum Sachstand bekannt.
Anhand der Geodaten aus der Telefonauswertung kann kaum ein Zweifel bestehen, dass die zwei Brüder im März vergangenen Jahres 560 Gramm Crystal Meth aus Tschechien importierten. Da der ältere im Besitz einer scharfen Schusswaffe ist, so weiter Schmidt, liegt die Mindeststrafe für das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln bei fünf Jahren. Schmidt stellte für alle Taten zusammen ein Strafmaß im knapp zweistelligen Bereich in den Raum. Beim jüngeren Bruder schlägt sein unerlaubtes Hantieren mit pyrotechnischen Stoffen zu Buche. Auch wenn er nicht an allen angeklagten Taten beteiligt war, dürfte nach Schmidt sein Strafmaß "im hälftigen Bereich" liegen.
Eine Zeugenszenerie: Ein 200-Seelen-Ort, das Haus, in dem unten der Onkel, in der Mitte die Oma lebt und oben Anton S. Alle zwei Wochen kommt die Enkelin zu Besuch und geht auch in den oberen Stock. Nicht nur zum Kaffeetrinken. Anton bietet ihr jeweils eine Line Crystal an. Der Onkel war dann dabei, als die 560 Gramm Crystal geholt wurden. Davon hat Anton auch einer weiteren Zeugin erzählt. Dass er einen Waldspaziergang an der tschechischen Grenze mit Rucksack machte - zum Pfiffersuchen. Im März. Das machte die Zeugin stutzig und ihr war schnell klar, was wirklich in dem Rucksack war.
"Der Staatsanwalt wird sich gefreut haben, dass der Anton durch sein Buch ein Geständnis abgelegt hat", kommentierte der Angeklagte die angekündigte Verlesung seiner 88 Seiten Buchmanuskript. In fünf Teilen an seinen Verteidiger und den Onkel geschickt, wollte er auf diesem Weg einen Verlag finden für seine offenbar sehr ehrliche Schau auf ein Leben voller Straftaten und Gefängnisaufenthalten.
"Das letzte Gericht" nennt Anton sein Buch und lässt es mit apokalyptischen Gedanken beginnen, hat es doch den Untertitel "Meine Geschichte, mein Leben, mein Glaube". Süßigkeiten klaute der 1958 Geborene, seit er sich erinnern kann, griff in Opferstöcke und hauste öfters wie ein Vandale auf Friedhöfen. Gerade diese Taten bereut er heute am meisten.
Mit 16 die erste Jugendstrafe
Er kam ins Kinderheim, riss aus und brach mit einem Kumpel einen Tresor auf, während der Eigentümer daneben schnarchte. Dafür steckte der Kumpel die Hütte in Brand, in der sie hausten, während Anton schlief. Zum Weiterkommen holten sie zwei Herkules-Mopeds direkt aus dem Schaufenster eines Händlers. Mit 16 die erste Jugendstrafe und 1978 gleich die zweite - fünf Jahre wegen bewaffneten Raubs. Anton kam in die Justizvollzugsanstalt Ebrach und wurde durch seine spektakuläre Flucht schon damals zu "einer Legende in bayerischen Gefängnissen".
Ein Mitgefangener besorgte ihm Stücke eines Sägeblatts. Damit durchschnitt er in einer Viertelstunde die Gitter im Duschraum und hatte Glück, dass ein Schiebetor nach außen halb offen stand. Technisch raffinierter ging er mit drei anderen Jahre später im Bamberger Gefängnis vor. Auch sie wollten ein Gitter durchsägen, scheiterten aber am Manganstahl. Stattdessen brachen sie das Mauerwerk heraus. In einer Nacht gelang das nicht. So verschlossen sie die Stelle mit einer Mischung aus Brot, Asche und Wasser, um in der folgenden Nacht weitermachen zu können. Abseilen aus dem dritten Stock, doch die Freundin wartete nicht wie vereinbart an der Ecke.
Nach Ausbruch im Dom versteckt
Anton versteckte sich zuerst im Dom, später in der Nähe des Kanals. Er sprang hinein, als er die Polizei sah. Und glaubte zu sterben. Was ihm in den folgenden Knastjahren am meisten belastete: Er durfte 2000 nicht zur Beerdigung seines Vaters, eben wegen Fluchtgefahr.
"Was für ein Dämon hat mich diesmal geritten", schreibt er in seinem zweiten Brief über die angeklagten Taten. "Kopf kaputt, Scheißsucht." Denn um 2007 hat Anton mit Amphetamin angefangen, wohl noch im Gefängnis. Stolz klingt in der Passage mit, als er beschreibt, wie er mit 50 die erste eigene Wohnung hatte. Es folgte "die beste Zeit" seines Lebens, als er als Mechaniker in einer Freizeiteinrichtung arbeitete. Aber keine drogenfreie Zeit.
Zu Crystal kam er über einen "alten Knasti", der ihn probieren ließ, kaum hatten sich die Gefängnistore für Anton geöffnet. "Das ging ja schon gut an", schreibt er trocken darüber, dass er gleich 20 Gramm für die Hälfte seines Entlassungsgeldes kaufte. Ein anderer Forchheimer gab ihm den Tipp, dass es Crystal viel, viel billiger in Tschechien gab, wenn man es selber holte. Der Mann war wohl einmal mit ihm dort. Später schenkte er ihm seine Pistole, "sein Vermächtnis". Mit der hatte er sich erschießen wollen, hängte sich dann aber auf.
Vom Drogenkonsum "verpeilt"
"Dieses Buch soll auf Wahrheit geschrieben werden", heißt es einmal und Anton denkt ganz konkret an das Leserinteresse. Dazu passt die Episode einer Gerichtsverhandlung wegen Drogenimports in Mönchengladbach. Kaum hatte er das Gerichtsgebäude verlassen, ging's wegen der Grenznähe wieder nach Holland. "Die ganze Palette" an gehandelten Drogen kauften er und seine Begleitung. "Wir waren da so verpeilt, dass wir gleich zwei- oder dreimal die Grenze passierten." Er brauche Drogen wie das tägliche Brot, räumt er ein.
Von seinem "Herz in Stacheldraht" spricht er, wenn es um seine kurze Ehe und Beziehungen geht. Und es schmerzt ihn sichtlich, dass er seinen Sohn nur einmal im Leben gesehen hat, als der sechs Jahre alt war. Antons vierter Brief endet: "Ich bin von Kindheit an verdammt, dieses Leben zu leben."