Direkter Austausch ist wichtig

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Der Landfrauenchor unter der Leitung von Sandra Haagen umrahmte die Veranstaltung musikalisch. Fotos: Richard Sänger
Der Landfrauenchor unter der Leitung von Sandra Haagen umrahmte die Veranstaltung musikalisch. Fotos: Richard Sänger
Tassilo Forchheimer, der frühere Leiter des ARD-Studios in Rom und aktuelle Chef des BR-Studios Franken (links) und Kreisbäuerin Evi Derrer hielten die Ansprachen.
Tassilo Forchheimer, der frühere Leiter des ARD-Studios in Rom und aktuelle Chef des BR-Studios Franken (links) und Kreisbäuerin Evi Derrer hielten die Ansprachen.
 
 

Der Chef des BR-Studios Franken sprach über den Stellenwert der Landwirte in der modernen Gesellschaft.

"Welchen Stellenwert genießen Landwirte in der modernen Gesellschaft?" Diese spannende Frage stand über dem Landfrauentag in Großenseebach. Hauptredner in der voll besetzten Mehrzweckhalle war Tassilo Forchheimer, der frühere Leiter des ARD-Studios in Rom, der seit 1. Oktober Chef des BR-Studios Franken ist.

Kreisbäuerin Evi Derrer verdeutlichte, dass es um die Existenz vieler Landwirte geht. "Wenn Lebensmittel verramscht werden, geht das auch zu Lasten der Umwelt", erklärte sie. Der Handel werde immer mehr von den großen Ketten dominiert. Derrer beklagte, dass die Landwirte von der Politik in Stich gelassen und scheinbar nur noch für billiges Bauland und die Landschaftspflege gebraucht werden.

Tassilo Forchheimer begann seine Rede mit viel Lob für die Landfrauen. Sie würden einen wichtigen Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenleben leisten. Denn ohne Landfrauen und deren Energie könnte der ländliche Raum einpacken.

"Mehr miteinander reden"

Der Referent meinte, es bringe nichts, nur um den heißen Brei herumzureden. "Ich werde direkt und ehrlich zu Ihnen sprechen, auch auf die Gefahr hin, dass Ihnen das eine oder andere nicht gefällt." So sei das Wichtigste, miteinander ins Gespräch zu kommen. "In unserer heutigen Gesellschaft wird sowieso viel zu viel übereinander und viel zu wenig miteinander geredet. Von daher freue ich mich auch auf den direkten Austausch mit Ihnen", zeigte er sich bereit für eine Diskussion .

Rund jeder zweite Bauernhof werde inzwischen im Nebenerwerb bewirtschaftet, auch in Bayern könne der fortschreitende Strukturwandel beobachtet werden. "Seit 2010 gingen nahezu 14 000 landwirtschaftliche Betriebe verloren, mehr als in jedem anderen Bundesland."

Der Strukturwandel habe aber längst andere Branchen erfasst, etwa den Einzelhandel. "Wie viele Tante-Emma-Läden gibt es heute noch? Wie viele kleine Metzgereien oder Bäckereien?", fragte er. Kleinbetriebe hätten es grundsätzlich schwer in einem auf Rationalisierung getrimmten Wirtschaftssystem. Fast alle wollten möglichst billig einkaufen und jammerten gleichzeitig darüber, "dass Qualität keine Rolle mehr spielt". Die Folgen seien ein Verlust von Arbeitsplätzen, weniger Produktvielfalt, Intensivierung und oftmals auch eine höhere Umweltbelastung. Dann zum Beispiel, wenn Ortskerne aussterben und alle nur noch zu den großen Einkaufszentren auf der grünen Wiese fahren.

Gegen den Billig-Mist

"Die Großen schlucken die Kleinen. Das gilt seit Jahrzehnten auch für die Agrarökonomie", sagte Tassilo Forchheimer. Zur ganzen Wahrheit gehörten aber auch positive Geschichten, etwa von Frauen und Männern, die gerne Lebensmittel herstellen. "Viele Kunden fahren inzwischen weite Strecken, um eben nicht im Supermarkt, sondern im Hofladen ihres Vertrauens einzukaufen, weil sie vom immer gleichen Billig-Mist inzwischen die Nase gestrichen voll haben."

Wenn in den Tageszeitungen von Landwirtschaft und Agrarpolitik die Rede sei, gehe es oft um Umweltschutz, um sehr viel Geld "und um zahlreiche Begriffe, die fast jeder schon einmal gehört hat, die aber kaum einer wirklich versteht". Dazu zählte der Redner die Worte Direktzahlungen oder Durchführungsgesetz, staatliches Tierwohllabel, Insektenschutz, Ausgleichsflächen, Biodiversität oder Agrarpaket. Was bei den meisten Menschen hängen bleibe, sei oft nur der Eindruck merkwürdiger Subventionsmechanismen, die aus Landwirten Almosenempfänger machten und dem Steuerzahler auf der Tasche lägen.

Grüne Plastikmonster

Die riesigen modernen Stallanlagen erinnerten an Fabrikhallen, die riesige Plastik-Kuppeln der Biogasanlagen würden inzwischen viele Ortsbilder beherrschen. "Die grüne Farbe der Plastikmonster ist dabei nur ein schwacher Trost."

"Manchmal wäre es schlau, einen Krieg zu beenden, wenn man ihn sowieso nicht gewinnen kann", erklärte der Referent und schwenkte über zum Thema Glyphosat. Das Mittel sei der Bevölkerung nicht mehr vermittelbar. Jammern und Schimpfen bringe in der derzeitigen Situation nichts, vielmehr sollte die Herausforderung angenommen und nach Alternativen gesucht werden.

Zum größten Problem überhaupt dürfte der große Preisdruck gehören, der viel mit Überproduktion zu tun hat. So habe sich die Milchleistung in den vergangenen 50 Jahren ungefähr verdoppelt. Ganz ähnlich sei die Situation beim Fleischkonsum. Da reichten einfachste Mathematikkenntnisse, um zu kapieren, "dass so etwas auf Dauer nicht gut gehen kann".

Wenn die Bauern glaubhaft bleiben wollen, müssten sie sich klar von den schwarzen Schafen abgrenzen, so der Redner. Die Distanz zwischen Landwirtschaft und Verbraucher dürfe nicht noch größer werden. Nach Auffassung von Forchheimer müssten viele Vorbehalte ausgeräumt werden, die Bauern müssten sich untereinander einig sein. "Denn über die sozialen Medien verbreiten sich schockierende Bilder und Texte in Sekundenschnelle."

Der Landfrauentag wurde vom Landfrauenchor unter der Leitung von Sandra Haagen musikalisch umrahmt. Während der Pause fand eine Sammlung für die Aktion "Sternstunden" statt.

Auch gab es mehrere Grußworte, dazu wurden die Teilnehmer mit Kaffee und Kuchen sowie einem Imbiss bewirtet.