70 000 sehen ein Sonnenwunder

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Festgottesdienst in der Erscheinungsstätte. Hier soll die Muttergottes täglich Kindern erschienen sein. Foto: Josef Hofbauer
Festgottesdienst in der Erscheinungsstätte. Hier soll die Muttergottes täglich Kindern erschienen sein.  Foto: Josef Hofbauer
 
Diesen von Rosen gesäumten Weg soll Maria gegangen sein.
Diesen von Rosen gesäumten Weg soll Maria gegangen sein.
 

Seit 70 Jahren gibt es den Fränkischen Tag. Das wohl einschneidendste Ereignis 1950 war das Sonnenwunder an Mariä Lichtmess. Die Kirche verbietet den Kult und exkommuniziert die Seherkinder.

JOsef Hofbauer

Buchstäblich über Nacht rückt das verträumt liegende Dörfchen Heroldsbach in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. An Mariä Lichtmess 1950 sind es zwischen 25- und 30 000 Menschen, die in den Herrengarten, 200 Meter westlich des Thurner Schlossparkes strömen, um einer Andacht beizuwohnen. Mit 30 bis 40 Omnibussen, Sonderzügen, Bauernwagen und Fahrrädern kommen die Pilger aus ganz Franken, um Zeugen der wundersamen Geschehnisse zu werden, die am 9. Oktober 1949 begonnen hatten.


Sieben Seherkinder

Sieben Mädchen zwischen elf und 14 Jahren sammelten farbenfrohes Herbstlaub für die Schule, als sie über den Bäumen das Zeichen JHS erblickten. Als die Schrift verschwand, hatten die Kinder eine Vision der Gottesmutter, ganz in weiß, den Jesusknaben auf dem Arm.
In den nächsten Tagen wiederholt sich diese Vision, immer pünktlich zur gleichen Zeit. Den Buchstaben JHS, die um 16.30 Uhr erscheinen, folgt eine Stunde später die Erscheinung der Muttergottes, mal mit Kind, mal mit Rosenkranz und Weltkugel. Auch zwei Buben aus der siebten und achten Klasse werden Zeugen des wundersamen Geschehens.
Im Beisein des Ortspfarrers Johannes Gailer und 20 000 weiterer Gläubiger schildern die Kinder, was sie sehen. Die damals zwölfjährige Antonie Saam darf sogar mit der Gottesmutter sprechen. Die Botschaft: Die Menschen sollen beten.
Als ein Mann wissen will, ob die Erscheinung gekommen sei, weil Deutschland den Krieg verloren hatte, antworten die Kinder: "Die Muttergottes hat sich bei dieser Frage herumgedreht und antwortet nicht!"
Die Kinder, die von Anfang an keinen Hehl aus den Erscheinungen gemacht hatten, beteuern bei Befragungen durch die Geistlichkeit immer wieder, dass sie fast täglich diese Erscheinungen hätten. Im Beisein der Delegierten des Ordinariats, Prälat Gregor Kümmelmann, Prälat Meixner, Domkapituar Franz Rathgeber, fragt ein Kind die Erscheinung nach ihrer Botschaft. Die Antwort: "Die Menschen sollen viel beten." Und die Kinder sollen jeden Tag wieder kommen.


Wie ein lebendiger Mensch

Während die Muttergottes das erste Vierteljahr fern über den Birken bleibt, kommt sie am 13. Januar 1950 und danach regelmäßig näher. Die Sehermädchen können die Erscheinung wie einen lebenden Menschen anfassen und verspüren dabei einen starken Kraftstrom in sich hineinfließen. Ebenso bei der Berührung des Jesuskindes, das sie sogar auf ihren Händen tragen dürfen.
Am 2. Februar 1950 ereignet sich das große Lichtwunder, das rund 70 000 Pilger gesehen haben wollen. Das Erscheinungsgelände ist von einem mystischen Licht eingehüllt. Nach allen Seiten gehen meterbreite Lichtstraßen aus. Wie in einem goldgelben Lichtmeer stehen die Pilger bis zur Hüfte im Glanz dieses Lichtes. Die Muttergottes erklärt den Seherkindern, dass sie damit die Gnade den Menschen sichtbar gemacht habe.
Bei den Naherscheinungen zeigt sich die Muttergottes oft am Podium neben der Holzkapelle den betenden Mädchen. Zumeist schwebt sie vom südlich gelegenen Birkenwald zum Lichtmast-Altärchen, dem Ort der Begegnung. Diesen Ort bezeichnet heute die in einem Kupferschrein stehende Immakulata-Statue. Von dort begleiten die Mädchen sie zum Podium. Dieser Weg ist heute noch durch die angelegten Rosenbeete gekennzeichnet.


Übernatürliches Licht

In der Rosenkranzkapelle bezeichnet die Marienstatue im Altarraum die Stelle, an der die Erscheinung vor den Mädchen stehen blieb und die vielen Tausend Gläubigen segnete. Dabei floss das wundertätige Gnadenlicht wie ein Feuerstrom aus ihren segnenden Händen. Dieses übernatürliche Licht heilt viele Kranke.
Am 25. Juni 1950 sehen die Mädchen Tränen in den Augen der Erscheinung. Auf ihre Frage: "Liebe Gottesmutter, warum weinst Du?" erklärt sie: "Weil die Menschen nicht auf meine Bitten hören". Wenige Stunden später kommt die Radio-Meldung, dass die Nordkoreaner den 38. Breitengrad überschritten und damit den Koreakrieg ausgelöst haben.
In der Nacht zum 1. November 1950, an dem Papst Pius XII. das Dogma der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel in Rom verkündet, zeigt sich die Muttergottes rund 300 Pilgern rechts vom Waldkreuz im Birkenwäldchen. Kurz nach Mitternacht verwandelt sich die Dunkelheit in ein silberweißes Licht, aus dem die Muttergottes heraustritt. Alle Prozessionsteilnehmer, die dort beten, können die Erscheinung sehen. Als die Betenden zur Muttergottes drängen, schwebt sie schräg rückwärts nach oben und entschwindet ihren Blicken.


Marienkult wird verboten

Als wundertätiger Ort wie etwa Fatima oder Lourdes wird Heroldsbach dennoch nicht anerkannt, im Gegenteil. Mit Datum vom 25. Juli 1951 stellt das Heilige Offizium in Rom fest, dass die Erscheinungen nicht übernatürlich seien. Der entstandene Marienkult wird unter Androhung von Kirchenstrafen verboten. Demnach werden Priester, die sich an dem "Heroldsbacher Kult" beteiligen, suspendiert.
Zu den Seherkindern gehört auch Hildegard Lang, die am 2. Februar 1950 die Gottesmutter erstmals sieht. Bis 1952 ist ihr die Gottesmutter, wie sie mehrfach betont, immer wieder erschienen. Weil sie sich davon niemals abbringen lässt, wird Hildegard Lang - wie andere Sehermädchen auch - exkommuniziert.


Brief an Kardinal Ratzinger

1960 wird gegen sie ein Verfahren wegen Hausfriedensbruch eingeleitet, nur weil sie die Kirche nicht verlassen will. Am 7. März 1988 schreibt die mittlerweile verstorbene Seherin an Kardinal Josef Ratzinger, den späteren Papst Benedikt XVI.: "Meine Bitten, die Exkommunikation aufzuheben, wurden bis heute nicht erhört. Sie können sich vorstellen, wie hart und bitter es für eine gläubige und kirchentreue Katholikin ist, so lange für Ereignisse und persönliche Erlebnisse bestraft zu werden, die in der Geschichte der katholischen Kirche nicht unbekannt sind." Hildegard Lang beklagt, dass "die damalige Fachkommission des Erzbischofs von Bamberg zu keinem Zeitpunkt die Gesamtzuständigkeit besessen habe, über die Sehermädchen fachlich und sachlich Informationen vorzulegen, die eine Exkommunikation gerechtfertigt hätten." Sie endet den Brief mit dem Satz: "Haben sie bitte Verständnis dafür, dass ich nach 40 Jahren der Exkommunikation dringend um Ihren Rat und Ihre Hilfe bitte."
Rudolf Ackermann aus Walldürn appelliert in einem Brief vom 3. Februar 2006 an Papst Benedikt XVI., die kirchliche Anerkennung der Erscheinungen von Heroldsbach auszusprechen. Er begründet seine Bitte mit dem Hinweis, das der damalige Erzbischof Joseph Otto Kolb falsche Berichte an Papst Pius XII. gesandt habe. Am 1. Mai 1998 erkennt der Bamberger Erzbischof Karl Braun den Erscheinungshügel als "Gebetsstätte Heroldsbach" offiziell an. Für den Diplomchemiker Gerhardt Orth aus Kißlegg im Allgäu ist Heroldsbach aber viel mehr.


Der heiligste Ort, den ich kenne

In einem Schreiben versichert er 2006: "Ich habe am 25. März den Hügel mit den zwei Kapellen, die Kirche und das Wasser der Quelle auf ihre Lebensenergie durchgemessen. Das Ergebnis: Die kleine und die große Kapelle hatten eine unendliche Energie. Nur die Kinder von Fatima zeigten die gleiche Energie." Daraus zieht Orth die Konsequenz: "Das ist hier der heiligste Ort, den ich gemessen habe, und mit der Marienerscheinung von Lourdes vergleichbar."