Zu Unrecht in Verruf: 5 Gründe, warum ich mein Herz an Fürth verloren habe

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Ein Kommentar von Strahinja Bućan

Sie ist die zweitgrößte Stadt Frankens und die sechstgrößte Bayerns - und hat bei so einigen keinen sonderlich guten Ruf: die Kleeblattstadt Fürth. Doch das vollkommen zu Unrecht, wie unser Autor meint.

Zugegeben, ich bin ein "Zugraster" und "nur" Wahl-Fürther. Aber auch mir ist schnell etwas aufgefallen – und dazu brauchte es nicht erst das ominöse "Hässliche-Städte-Quartett" eines Münchner Verlages: Fürth scheint nicht den besten Ruf zu haben in der Metropolregion und auch darüber hinaus.

In den Kopf seines Gegenübers kann man ja nicht hineinschauen – aber wenn man sagt, dass man in Fürth lebt, kommt im besten Fall ein leicht schiefer Blick. Im schlimmsten Fall kommt dann noch ein Kommentar hinterher im Sinne von "Es tut mir aber leid, dass du da wohnen musst" oder "Haha, lieber Fünfter als Fürther". Wenn man aber dann auch noch sagt, dass man gerne in der Kleeblattstadt lebt, erntet man von Nürnbergern und Erlangern nur ungläubiges Staunen. Aber ja, es ist einfach so: Ich lebe sehr gerne in Fürth, ich habe tatsächlich mein Herz an die zweitgrößte Stadt Frankens verloren. Und das hat auch gute Gründe - die sicher auch alle Fürth-Skeptiker aus der Nachbarschaft anerkennen dürften. Ganz objektiv natürlich. 

#1 Fürth ist lebenswert – für die ganze Familie

An dieser Stelle kann man es schon mal sagen, auch wenn es nicht jeder glauben oder akzeptieren will: Fürth ist schön. Und die Stadt hatte bereits seine schönen Ecken, bevor sie einen "neuen Anstrich" bekommen hat. Hat man erst einmal die Betonklötze am Bahnhof hinter sich gelassen, dann wandert man durch ein gutes Stück Architekturgeschichte. Von den Gründerzeitstraßenzügen zwischen Stadtpark und Bahngleisen sowie rund um die Rednitz bis hin zur fränkischen Fachwerkromantik in der perfekt erhaltenen Altstadt - für jeden ist etwas dabei und es finden sich so einige verwunschene Ecken.

Hier merkt man es schon: In Fürth wohnt man gerne in einer geräumigen Altbauwohnung oder etwas gemütlicher in einem historischen Quartier hinter Fachwerk und unter Holzbalken – dabei ist dieser anspruchsvolle Wohnraum im Gegensatz zu anderen Großstädten in Bayern noch relativ bezahlbar. Laut dem Mietspiegel des Portals wohnungsboerse.net liegt die Miete für eine 60 Quadratmeter-Wohnung im Schnitt bei 10,64 Euro pro Quadratmeter. Das sind knapp vier Euro weniger als man sonst bayernweit im Mittel zahlen muss. 

Aber das Beste an den Wohnungen ist: Egal wo man in Fürth wohnt, man ist sofort im Grünen. Ob nun im weitläufigen und gut gepflegten Stadtpark entlang der Pegnitz, in den etwas verwilderten Rednitzauen oder im Stadtwald samt Wildschwein- und Hirschgehege – gute Luft ist garantiert.

#2 Fürth schmeckt und macht Feierlaune

Klein, aber oho, gilt für Fürth, wenn es ums Essen geht. Ob gutbürgerlich oder international, mit viel Fleisch oder vegan – kulinarisch ist in der Kleeblattstadt für jeden was dabei. In den vergangenen Jahren haben zahlreiche innovative und moderne Restaurants aufgemacht, die weltweite Food-Trends nach Fürth gebracht haben. Gleichzeitig hat sich die Stadt ihre traditionellen und urigen Gasthäuser, Kneipen und Trinkhallen bewahrt. Zünftig steht so neben exotisch und ergibt einen einzigartigen Mix. Ach ja, und was man nicht vergessen darf: Die beste Pizza Deutschlands kommt auch aus Fürth, und der beste Pizzabäcker wohnt auch nur einen Steinwurf weit weg in Veitsbronn.

Auch als Bierstadt nimmt Fürth wieder Fahrt auf, nach dem großen Brauerei-Krach durch die Patrizier-Fusion Anfang der 1970er Jahre. Damals vereinigten sich rund 17 Brauereien unter einem Dach, jedoch nur mit mäßigem Erfolg und auf Kosten der Biervielfalt. In den vergangenen Jahren konnten mit Grüner und Humbser zumindest zwei Marken durch die tatkräftige Unterstützung von Tucher aus Nürnberg wiederbelebt werden, und das mit ausgezeichneter eigener Gastronomie

Wer vom Essen spricht, muss natürlich auch übers Feiern reden. Und in Fürth ist viel mehr los als die einzigartige Michaeli-Kärwa, die die ganze Innenstadt in Ausnahmezustand versetzt. Wobei die Kärwa aber nur der Höhepunkt der Fest-Saison ist. Das ganze Jahr über finden in Fürth kleinere und größere Feste – und das vom Rummel, über musikalische Schmankerl wie das beliebte New-Orleans-Festival und dem "Grünen Markt" bis zum Literatur-Event. Apropos Literatur: Kulturell ist viel geboten. Das Stadttheater, die über Fürth hinaus bekannte Comödie, zwei Art-Kinos und ein Multiplex sowie zahlreiche Museen haben sich in der Corona-Zeit wacker gehalten. Mehr noch - aktiv wird von der Stadt in die Kultur investiert, wie beispielsweise der Ausbau des Jüdischen Museums zeigt. 

#3 Fürth ist kompakt und gut erreichbar

Die Stadt ist groß, aber nicht zu groß. Die Infrastruktur ist – ohne zu übertreiben – großartig. Man hat alles vor der Nase: ausreichend Einkaufsmöglichkeiten, Schulen, Kindergärten und was man sonst zum Leben braucht. Überall, wo man hin möchte, ist man in maximal einer halben Stunde mit dem Fahrrad – und das auch im Nürnberger Stadtzentrum. Dabei hilft sicherlich, dass es ausreichend Fahrradwege auch entlang der Haupt-Verkehrsachsen gibt. 

Aber nach Nürnberg muss man gar nicht einmal, denn man hat in Fürth tatsächlich alles, was das Herz begehrt. Mit dem Flair, dem Hornschuch-Zentrum, dem Carré an der Fürther Freiheit und der Neuen Mitte hat man in der Innenstadt ein abwechslungsreiches Shopping-Angebot geschaffen. Auch für den Gaumen ist beispielsweise auf dem Fürther Markt ganzjährig viel geboten. Wie gut die Einkaufsmöglichkeiten ankommen, zeigen auch interessante Zahlen der Stadt. Die Einzelhandelszentralität ist im 14-Jahres-Zeitraum um acht Prozent gestiegen. Kurz gesagt bedeutet das, dass Fürth zunehmend stark von Kaufkraftzuflüssen profitiert. Während in der Kleeblattstadt dieser Index seit 2008 gestiegen ist, ging die Einzelhandelszentralität von Erlangen, Nürnberg, Lauf a.d. Pegnitz und Neustadt/Aisch gleichzeitig zurück. Dies deutet auf einen Anstieg der regionalen Bedeutung des Handelsstandortes Fürth.

Aber auch ist Fürth ausgezeichnet an die Region angebunden. Mit der U- oder S-Bahn ist man in Windeseile in Nürnberg, Erlangen oder sonstwo in der Metropolregion. Das einzige Manko: Die Parksituation in der Innenstadt, gepaart mit vergleichsweise hohen Parkhaus-Gebühren. Aber erstens ist Fürth mit dem Problem nicht allein und zweitens: Eigentlich braucht man das Auto in Fürth nicht wirklich.

#4 In Fürth hat sich etwas getan, und tut sich immer noch

Man muss ja ehrlich sein: Fürth scheint einmal tatsächlich hässlich und wenig lebenswert gewesen zu sein. Das hört man auch von den alteingesessenen Fürtherinnen und Fürthern. So einige Bausünden zeugen noch davon, genau so Schauergeschichten rund um das damalige City-Center. Aber gleich kommt dann hinterher: In den vergangen gut 15 Jahren hat sich die Stadt verändert – und das zum Positiven.

Tatsächlich merkt man, dass den Stadtoberen ihre Stadt und die Bürgerinnen und Bürger am Herzen liegen. Das fängt bei kleinen Verschönerungen an – wie zuletzt die Blumenbänke oder die alljährliche Bepflanzung im Stadtpark – und endet mit einer klugen Stadtentwicklungspolitik. Die Verschönerungen des Stadtbilds sind dabei nur eine Seite. Zahlreiche Plätze wurden umgebaut - unter anderem der Henry-Kissinger-Platz, der Bereich um den Wochenmarkt an der Fürther Freiheit oder der andauernde Ausbau der Uferpromenade. Und auch das City-Center hat sich mit der Wiedergeburt als Flair zu einer ansehnlichen Innenstadt-Mall gewandelt.

Das Nürnberger Anhängsel hat sich zu einer selbstbewussten Großstadt mit attraktiver Wirtschaft und gut funktionierender Infrastruktur gemausert. Die Krise mit AEG- und Quelle-Kollaps hat man überwunden, zusätzlich zu den bestehenden Giganten wie Playmobil, Bruder oder Trolli hat man sich neue innovative Unternehmen aus allen Branchen in die Stadt geholt. Und mit dem Fraunhofer-Institut oder dem Zentralinstitut für Neue Materialien und Prozesstechnik (ZMP) sitzen auch wichtige Kapazitäten in der Wissenschaft in Fürth. Der Boom macht sich auch in den Zahlen bemerkbar: Die Arbeitslosigkeit ist massiv zurückgegangen in den vergangenen Jahren, und die Zahl der offenen Stellen steigt kontinuierlich. Betrachtet man die Veränderung der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten über einen längeren Zeitraum (2016 bis 2022), dann führt Fürth sogar die Liste der Städte vergleichbarer Größe mit einem Zuwachs von 10,9 Prozent an und lässt auch Ballungszentren wie das benachbarte Nürnberg (7,8 Prozent) hinter sich.

Dazu kommt eine recht kluge Wohnungspolitik, ein Ausbau der Kinderbetreuung in den vergangenen Jahren und ein deutlicher Akzent auf Kunst und Kultur - all das bekommt man deutlich zu spüren, wenn man in der Stadt lebt. Derzeit entstehen allein auf dem ehemaligen Norma-Gewerbegelände unter dem Stichwort "Westwinkel" über 150 neue Wohnungen - und weitere Großprojekte wie die BayernHeim-Planung in der Oststadt oder das "Fürther Tor" auf dem Vapiano-Areal stehen in den Startlöchern. Der Erfolg gibt der Fürth recht: Man hat ein stetiges Bevölkerungswachstum und ein dauerhaftes Plus beim BIP.

#5 Die Fürther machen Fürth zu Fürth

Eine Sache, die mich nach meiner Ankunft in Fürth am meisten eingenommen hat, ist der einzigartige Lokalpatriotismus der Fürther. Da kann man gar nicht anders, als mit der SpVgg mitzufiebern – in guten und in weniger guten Zeiten. Oder aber ein bisschen Stolz mitzufühlen, wenn Fürth wie im vergangenen Jahr 100 Jahre Eigenständigkeit feiert (zu Ehren des historischen Unabhängigkeitsreferendums, was eine "Annexion" der Stadt durch Nürnberg verhindert hatte). Naserümpfen dem großen Nachbarn gegenüber inklusive. 

Das Beste am Fürther Patriotismus ist aber, dass er nicht ausschließt. Denn die Stadt ist unglaublich bunt. An jeder Ecke hört man eine andere Sprache, Straßenmusiker bringen ihre jeweilige Kultur besonders lautstark zur Geltung und natürlich gibt es da das kulinarische Angebot. Die Alteingesessenen scheint der Zuwachs an Vielfalt nicht wirklich zu stören, und auch als Neubürger wird man in der Bäckerei oder beim Metzger mit einem netten Plausch empfangen. Und genau dadurch fühlt man sich in Fürth gerne daheim.