Suizidbeihilfe in Forchheim: Wie gehen Ärzte mit Sterbewünschen um?

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Ein Pfleger hält die Hand einer Frau in einem Zimmer eines Pflegehauses. Foto: Rainer Jensen/dpa
Ein Pfleger hält die Hand einer Frau in einem Zimmer eines Pflegehauses. Foto: Rainer Jensen/dpa

In Deutschland ist die geschäftsmäßige Beihilfe zur Selbsttötung seit Ende Februar wieder erlaubt. Was bedeutet dies für Patienten, Angehörige und Ärzte? Der Chefarzt des Forchheimer Klinikums klärt auf.

Seinem eigenen Leben ein Ende setzen. Schwerkranken Menschen darf dieser Wunsch nicht mehr verwehrt werden. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Hilfe zum Suizid in Deutschland nicht mehr verboten ist. Der 2015 in Kraft getretene Paragraf 217 des Strafgesetzbuchs ist somit nichtig. Ärzte und Sterbehilfevereinsmitglieder machen sich nicht mehr strafbar, wenn sie anderen beim Sterben helfen.

Auch am Klinikum Forchheim-Fränkische Schweiz werden kranke Menschen am Ende ihres Lebens begleitet. Der FT hat mit Chefarzt Jürgen Gschossmann darüber gesprochen: Er will aufklären und gibt zu bedenken, welche Folgen die Entscheidung hat.

Ärzten ist die Suizidbeihilfe nun höchstrichterlich erlaubt. Was bedeutet das für das Klinikum?

Prof. Dr. Jürgen Gschossmann: Ärzte durften auch vor dem Urteil Suizidhilfe leisten, aber eben nicht geschäftsmäßig. Das Bundesverfassungsgericht hat "nur" entschieden, dass das Verbot der geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe nichtig ist. Damit sind wir wieder in einer Situation wie vor 2015. Suizidbeihilfe ist aber auch nicht auf Ärzte begrenzt. Aktuell bedeutet das Urteil für uns noch keine große Veränderung. Ich bin seit fast zwölf Jahren Chefarzt der Klinik für Innere Medizin. Wir haben bisher noch keinen Patienten gehabt, der diesen Wunsch hatte. Es gibt jetzt aber eine höchstrichterliche Festlegung, dass man die Freiheit hat, sich Suizidhilfe zu suchen. Das hat eine neue Qualität.

Und wenn der Fall auftritt?

Konkret bedeutet das Urteil, dass Suizidbeihilfe auch in organisierter Form nun zulässig ist, dass aber auch umgekehrt keiner dazu verpflichtet werden kann, Suizidbeihilfe zu leisten. Im Klinikum Forchheim-Fränkische Schweiz haben wir keine eigene Palliativstation und kein Hospiz. Aber wir bieten eine palliativ-medizinische Versorgung an. Wie sich dieses Urteil in letzter Konsequenz konkret für uns hier in Forchheim auswirkt, bleibt abzuwarten.

Oft ist in diesem Zusammenhang auch von Sterbehilfe die Rede. Um was geht es eigentlich?

Man muss hier sehr genau unterscheiden: Bei diesem höchstrichterlichen Urteil geht es um die Beihilfe zum Suizid - und nicht um eine aktive Sterbehilfe. Das ist ein ganz wichtiger Punkt.

Können Sie den Unterschied erklären?

Beihilfe zum Suizid heißt, dass zum Beispiel ein Arzt einem todkranken Patienten Medikamente gibt, mit deren Hilfe der Patient letztendlich Suizid begehen kann. Bei der Entscheidung des Bundesverfassungsgericht ging es um die geschäftsmäßige Form, also die wiederholte Beihilfe zum Suizid. Beim Suizid ist der letzte Entscheider immer der Sterbende. Er ist derjenige, der die Tabletten zu sich nimmt. Dies hat nichts mit der aktiven Sterbehilfe zu tun. Hier wäre der Sterbende der passive Teil: er fordert vom Arzt eine Spritze und bekommt diese dann verabreicht. Die aktive Sterbehilfe ist in Deutschland weiterhin nicht erlaubt. Dieser Unterschied ist mir in der Diskussion etwas zu kurz gekommen.

Was halten Sie als Forchheimer Chefarzt von der neuen Gesetzeslage?

Aus der Freiheit des Einzelnen folgt, das der Suizid keine Straftat ist, und daher auch nicht die Beihilfe dazu - das war auch vor dem Urteil so. Nun ist aber höchstrichterlich gut geheißen, dass auch die geschäftsmäßige Beihilfe zum Suizid erlaubt ist. Damit kann ein Druck auf Kranke und Schwache entstehen, sich aus ihrer schwierigen Situation zu befreien und auch die Belastung für ihr Umfeld zu minimieren, indem sie sich suizidieren.

Nun ist die "Beihilfe zum Suizid" erlaubt. Wie läuft das ab?

Was extrem wichtig ist: Menschen, die Sterbewünsche äußern, wollen nicht immer sterben, sondern sie wollen so nicht mehr weiterleben. Daher muss man mit den Patienten über diesen Sterbewunsch ein umfassendes Gespräch führen. Was nicht sein darf: Dass jemand ins Krankenhaus kommt, die Tabletten fordert und weil er sich einfach auf das Gesetz beruft, sofort die Tabletten bekommt.

Sondern?

Zunächst braucht es eine klare gesetzliche Regelung über Aufklärungen, Fristen, Rahmenbedingungen - auch darüber, was nicht rechtens ist. Schließlich gilt durch den Gesetzgeber für jeden viel banaleren medizinischen Eingriff die Pflicht für eine adäquate Bedenkzeit - zum Beispiel bei kleinen Operationen oder routinemäßigen Vorsorgeendoskopien. Aus diesem Grunde werden Patienten vor elektiven Eingriffen in der Regel am Tag vor dem Eingriff entsprechend ärztlich aufgeklärt. Für einen Eingriff mit solcher Tragweite müssen meines Erachtens die Grenzen sehr eng gesetzt werden.

Wer hat überhaupt Anspruch auf Suizidbeihilfe?

Nach dem Urteil gibt es zunächst einmal keine Einschränkungen. Es kann aber nicht gewollt sein, dass letztlich ein psychiatrisch Suizidgefährdeter entsprechende Tabletten erhält. Auch Minderjährige und andere Schutzbedürftige müssen explizit geschützt werden. Der Gesetzgeber ist hier gefordert.

Muss sich das Forchheimer Klinikum darauf einstellen?

Das höchstrichterliche Urteil liegt nun vor. Selbstverständlich wird sich das Klinikum Forchheim damit intensiv beschäftigen.

Das Interview führte Ronald Heck.