Das Handwerk begleitet uns täglich, bis an unser Lebensende - sogar darüber hinaus. Einen Tag beim Bestatter: Vom Geschäft mit dem Tod und der Gewissheit, dass am Ende alles so ist, wie man es sich wünscht.
Den letzten Toten habe ich vor neun Jahren gesehen. Meinen Großvater, kurz vor der Beerdigung, im Sarg liegend. Heute könnte es wieder soweit sein. Der Tod an sich macht mir mit 22 Jahren keine Angst. Aber einen Tag vor meinem Schnupper-Arbeitstag bei Bestattungen W. Opel GmbH beschleicht mich ein unbehagliches Gefühl, eine gehörige Portion Respekt. Eine Ahnung davon, was ein Bestatter arbeitet, habe ich. Eine Gewissheit von dem, was er leistet, auch nach einem Schnuppertag nicht.
Auf den Ton kommt es an Im geschlossenen Sarg vor mir liegt eine Leiche. Wie viele Unterschiede es in diesem handwerksähnlichen Beruf - so kategorisiert man den Beruf im Handwerksgewerbe - gibt, wird Stunde für Stunde klarer. Angefangen bei den Begrifflichkeiten: "Ich rede nie von einer Leiche", sagt Kerstin Heidkamp, die seit zwei Jahren festangestellt in ihrem Traumberuf arbeiten kann. Im ersten Moment verstehe ich sie nicht wirklich: "Für mich liegt hierin ein Verstorbener." Ohne Zweifel, das klingt eleganter - pietätvoller. In Forchheim gibt es drei Bestattungsunternehmen. Jedes steht für sich und setzt seine eigenen Schwerpunkte. Heidkamp, die bei Bestattungen W. Opel GmbH arbeitet, hat sich bereits als Kind von der Arbeit faszinieren lassen. Sie konnte der Tante einer besten Freundin über die Schulter spitzen, einer Totengräberin, wie man früher das Berufsbild nannte.
Es ist ein Rundumpaket Es ist ein Gefühl für den Tod, die Endlichkeit eines Lebens im Hier und Heute, das Heidkamp über Jahre entwickelt hat. Als junge Frau lernte sie dann aber doch Schriftsetzerin, denn den Bestatter Beruf als solchen konnte man nicht erlernen, denn erst seit 2003 wird der Ausbildungsberuf "Bestattungsfachkraft" angeboten.
Heidkamp führte es vor zwei Jahren, getrieben von der Sehnsucht nach ihrem Traumberuf, zu ihrem Chef Jürgen Decker ins Büro. Ihre zwei Töchter waren alt genug, "es war einfach der richtige Zeitpunkt". Zufällig - wenn man an Zufälle zwischen all dem geistlichen und weltlichen Aufeinandertreffen in diesem Beruf glaubt - war nach ihrem Praktikum im Betrieb eine Stelle frei.
Heidkamp sieht weit jünger aus, als sie es in Wirklichkeit ist. Vielleicht weil sie es nicht zulässt, dass das Leben sie mit Sorgenfalten und Ärger zeichnet, vielleicht liegt es aber auch einfach an den blonden Haaren und dem klassischen und zeitlosen schwarzen Kostüm. Die Aufgaben eines Bestatters reichen von der Überführung der Leiche vom Sterbeort über die hygienische Totenversorgung - also das Ankleiden, Schminken, Einbetten im Sarg - bis zum kompletten Ablaufprogramm einer Trauerfeier mit Blumenschmuck, Trauerkarte und endlich der Beisetzung von Sarg oder Urne.
Ja, es ist ein Geschäft, aber eines, das man so oder so angehen kann: "Mir ist es wichtig, viel mit den Leuten zu reden. Vor so einer Trauerfeier bin ich innerlich sehr angespannt, denn ich wünsche mir, dass alles passt." Ein würdevoller Abschied. So steht es schon im Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrecht, einem Wälzer voller Auflagen und Ordnungen, geschrieben: "Die ehrfurchtvolle Behandlung der menschlichen Überreste wird bestimmt durch Pietät, altehrwürdiger Sitte und durch religiöse Anschauung."
Am Abend muss auch mal gut sein Ein bisschen Religion, Gott, Glaube steht hinter den meisten Bestattungen. Die Orgel im Rücken, der Sarg bereits im Auto geborgen - eine letzte Segnung des Pfarrers. Mit einem leisen Schlag fällt der Deckel vom Kofferraum. Zu. Schon setzt sich der VW-Bus in Bewegung.
Verräterisch an diesem Transportwagen sind nur die grauen Lamellen-Vorhänge. Der Bus fährt davon, langsam, aber endgültig. Zurückgelassen vor der Aussegnungshalle, die Angehörigen. Jetzt beginnt ein Leben ohne Ehefrau, Großmutter, ohne Mutter - aber mit Schmerz und Trauer, die jetzt irgendwie verarbeitet werden muss.
Zur Trauergemeinschaft halte ich Abstand. Es sind nicht meine Verwandten und es ist "nicht meine Trauer", aber plötzlich schleichen sich Tränen an. Doch das sind wichtige Worte: "Es ist nicht meine Trauer", sagt Heidkamp, als ich versuche herauszufinden, wie man mit der alltäglichen Trauer umgehen lernt: "Ich kann die Familien begleiten. Alles für einen würdevollen Abschied tun." Aber wenn sie in das Auto steigt, um den Verstorbenen ins Krematorium nach Bayreuth zu fahren, oder wenn eine Beerdigung zu Ende ist, dann muss sie "abschalten".
Jeder hat so seine Art mit dem Tod umzugehen. Sterben werden wir alle. Irgendwann sind wir alle auf die Arbeit von Menschen, wie Decker und Heidkamp angewiesen. Wer Glück hat, schläft irgendwann ein. Zufrieden, ja friedvoll. Die meisten sterben tatsächlich im Seniorenheim, einige auch zu Hause, andere verunglücken tragisch. Aber auch das ist keine Seltenheit für einen Bestatter: Suizid. Oder auch: Der Mensch war noch gar nicht der Mensch aus Fleisch und Blut, "aber sein Herzchen hat eben schon geschlagen." Babys, die tot zur Welt kommen, werden in Forchheim "Sternenkinder" genannt und bei einer gemeinsamen Trauerfeier im November des Jahres verabschiedet. Es gibt Abende, die haben nichts mit einem normalen Feierabend gemein, wenn Arbeitstage ein nicht kalkulierbares Drama schreiben. Um abzuschalten hilft dann vielleicht eine Portion schwarzer Humor, auf alle Fälle Furchtlosigkeit vor dem Tod.
Lebend über den Tod nachdenken Oft kommt es bei den Trauerfeiern gar nicht auf den teuersten Sarg an: "Manchmal reicht auch mehr Schein als Sein. Ich zünde überall Kerzen an, damit die Stimmung gedämpfter ist", sagt Heidkamp und macht deutlich, dass jede Verabschiedung seinen ganz eigenen Rahmen erfordert.
Bei meinem Schnuppertag kann ich sachlich mit dem Tod umgehen. Ich habe auch keinen Verstorbenen gesehen, aber trotzdem ist mir klar: Was ein Bestatter leistet, ist viel mehr als ein Beruf, den man erlernen kann. Es muss sich keiner mit irgendwelchen Horrorszenarien konfrontieren, aber das Sterben kann so schön sein, dass es sich lohnt, darüber nachzudenken.