Seehofer opfert Eishockey und ehrt Scheu

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Horst Seehofer überreicht Gerhard Scheu die Ehrenurkunde. Foto: Sarah Dann
Horst Seehofer überreicht Gerhard Scheu die Ehrenurkunde. Foto: Sarah Dann

Den Weißen Sonntag verbrachte Horst Seehofer in diesem Jahr nicht mit seiner Familie. Er zeichnete Gerhard Scheu für 50-jährige Mitgliedschaft in der CSU in Weilersbach aus. Kein Nachmittag im Kreis der Familie, dafür aber unter langjährigen Freunden.

Name: Gerhard Scheu, 71 Jahre alt, von Beruf Rechtsanwalt und ehemaliger Bundestagsabgeordneter, verheiratet, eine Tochter, wohnhaft in Weilersbach. Fakten, die zumindest vor Gericht von Bedeutung sind. Am Weißen Sonntag, so wird der zweite Sonntag nach den Osterfeiertagen genannt, wird aber niemand verhört, beschuldigt, verurteilt.

Im Gegenteil: In der Schulturnhalle haben sich am frühen Nachmittag rund 100 Weilersbacher zusammen gefunden, um den Gemeindebürger Gerhard Scheu für sein politisches Einstehen zu ehren. 50 Jahre CSU, "darauf können nur ungefähr drei Prozent aller CSU-Mitglieder zurückblicken", sagt der Parteivorsitzende und Bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU), der für diese sonntägliche Veranstaltung sowohl den Tag mit der Familie, als auch das Eishockey-Spiel seiner Ingolstädter sausen lässt.


Kein Schaumschläger

"Lob aus meinem Mund ist eine Rarität und jetzt soll es für das nächste Jahrzehnt auch das letzte Lob gewesen sein", sagt Horst Seehofer, nachdem er den Weilersbachern einige Geschichten über seinen Kollegen und Freund Gerhard Scheu erzählt hat. Die Rede des Parteivorsitzenden der CSU hangelt sich entlang an drei wünschenswerten Tugenden eines Politikers, die einst der Soziologe und Jurist Max Weber niedergeschrieben hat: Leidenschaft, Verantwortungsgefühl, Augenmaß.

Gerhard Scheu, so heißt es an diesem Nachmittag, sei kein Schaumschläger: "Er ist ein langjähriger Weggefährte, ein echter Type, wie wir es hier in Bayern sagen, kein eingefetteter Aal, wie manch ein anderer Politiker." Dazu muss man wissen: Horst Seehofer ist groß, so an die 1,93 Meter. Gerhard Scheu einen guten Kopf kleiner, mit 71 Jahren schon etwas gebückter, die Haarfarbe ist die gleiche, die gesündere Wangenfarbe hat der Geehrte allemal und er ist ein Mann "mit Profil und Statur, einer der handelt", sagt Seehofer. Mit der Tugend der Leidenschaft kümmere er sich um politische Themen, und breite seine Gedanken mit "Verstand und mit dem Herzen" aus.

Scheu ist einer der studierten Politiker - ein Jurist. Nicht einer wie Seehofer und Merkel, die sich selbst mit dem Titel der "Erfahrungsjuristen" auszeichnen. Seit 1963 ist Scheu Mitglied der Christlich Sozialen Union, acht Jahre länger als sein Freund Horst Seehofer. Die ersten gemeinsamen Wege schlagen Scheu und Seehofer ab 1983 ein, als Scheu für Oberfranken in den Bundestag gewählt wurde.

Ein Freund als Richter

Scheu engagierte sich viel mit dem Medizinrecht. Wie es so kommt, gerät in den 90-Jahren der damalige Gesundheitsminister Seehofer im Zuge der HIV-Infektionswelle von Blutern in Kritik. Seehofer tut das, was kein Politiker zuvor getan hat: Er leitet gegen sich selbst einen Untersuchungsausschuss. Als Vorsitzender des Bundestags-Untersuchungsausschusses "HIV-Infektionen durch Blut und Blutprodukte” wurde damals der Freund und Richter Scheu ausgesucht. Mit aller Schärfe erfährt Seehofer die "richterliche Unabhängigkeit" von Scheu: "Als ich zu Gericht gefahren bin, dachte ich noch, dass es ein ganz gemütlicher Nachmittag werden würde." Heute weiß er, "dass er dem Gefängnis noch nie so nahe war, wie damals durch seinen Freund Gerhard Scheu", sagt Seehofer.

In der Politik würde Seehofer gerne mehr solche Kollegen begrüßen: "Ich wünsche mir Typen." Dass ein Scheu einen Saal zum Beben bringt, kann man sich an diesem Nachmittag zwar nur schwer vorstellen - Beharrlichkeit, Willensstärke und Einzigartigkeit hört man dem 71-Jährigen mit seiner Staccato-Stimme aber sofort raus. Seehofer sagt es: "Gerhard Scheu ist Gerhard Scheu."

"Gelobtes Land"

Am Ende seiner Rede ergreift der Bayerische Ministerpräsident die Gelegenheit, um auf die "extrem besorgniserregende" Lage in der Ukraine aufmerksam zu machen. Während in Weilersbach bei Speis und Trank gefeiert wird, sorgen sich andere um Frieden, Sicherheit und Freiheit. "Der Mensch ist ein eigenartiges Wesen", sagt Seehofer, "wir müssen die Augen öffnen, um Dinge wert zu schätzen." An diesem Nachmittag sind die Augen für Kleinigkeiten offen: Scheus 50 Jahre CSU werden gebührend mit einer Ehrenurkunde zelebriert. Auch Seehofer geht nicht leer aus: Mit dem fränkischen Präsentkorb unterm Arm wird er vielleicht auch seine Ehefrau wieder guter Laune stimmen können. Seehofer verspricht an diesem Nachmittag zwei Dinge, beruflich und privat.

Für den neu gewählten Landrat Hermann Ulm (CSU) und den Landkreis Forchheim habe er zwar nicht immer gleich einen offenen Geldbeutel, mit Sicherheit aber "immer ein offenes Ohr." Außerdem: Sollte Scheus Tochter eines Tages vor den Altar treten und ihren Juristenfreund ehelichen, werde Seehofer wieder die Reise nach Weilersbach antreten.