Mit großen Erwartungen sind die Politiker aus der Region nach München gefahren. Nicht das "schlechte Ergebnis" für Seehofer, eher der Auftritt der Kanzlerin hat die Stimmung gedrückt. Die Konkurrenz befürchtet einen Dämpfer für Bayern.
Der bayerische Ministerpräsident stellt auf offener Bühne die Bundeskanzlerin bloß und fährt dann das schlechteste Ergebnis zur Wahl eines CSU-Vorsitzenden ein, das es bisher gegeben hat. Aber es war in erster Linie der Auftritt der Bundeskanzlerin, der nach Meinung der CSU-Politiker aus der Region die Stimmung beim Parteitag in München gedrückt hat. Die Erwartungen sind von ihr nicht erfüllt worden.
"Vom Auftritt der Kanzlerin war ich sehr enttäuscht", sagt MdL und Kreisvorsitzender Michael Hofmann (Neuses). Er meine damit nicht ihre Aussagen, sondern wie die Bundeskanzlerin ihre Rede abgewickelt habe. Eine kurze, lustlose Rede, wenig empathisch. Gefeiert wurden an dem Parteitag auch 70 Jahre CSU. Doch nur zu einem kurzen "Herzlichen Glückwunsch" ließ sich Angela Merkel hinreißen, erzählt der Landtagsabgeordnete. "Es war sehr distanziert, aber nie unhöflich", meint Hofmann.
"Ich hätte erwartet, dass die Kanzlerin mehr auf die Delegierten eingeht", sagt Thomas Silberhorn, der den Stimmkreis Bamberg/Forchheim im Bundestag vertritt. Denn die Mehrheit der Delegierten waren Kommunalpolitiker, die vor Ort mit der Aufnahme und der Unterbringung der Flüchtlinge betraut sind. In der Kommunikation hätte man näher zusammenfinden können.
Nur verhaltener Beifall
Auch Thomas Werner, Ortsvorsitzender der Forchheimer CSU, zeigte sich von der mit Spannung erwarteten Rede der Kanzlerin enttäuscht. Der Beifall, den sie erhalten hat, sei deshalb eher verhalten gewesen. Schlimm sei das aber nicht, findet Werner: "In einer kleinen Familie muss man nicht immer gleicher Meinung sein. Man muss Probleme ansprechen dürfen. Das muss eine Familie aushalten.
Der respektvolle Umgang ist wichtig."
Die Flüchtlingskrise habe über allem gestanden und die Stimmung gedämpft, das hat Werner auch in Gesprächen mit Kollegen bestätigt bekommen. Die CSU fordert eine Obergrenze bei der Asylbewerberfrage. Die Kanzlerin redete von einer Reduzierung der Flüchtlinge. "Unsere Erwartungen sind höher", bedauert Silberhorn die Chancen, die beim Parteitag vergeben worden sind.
Von einer schwierigen Situation spricht Michael Hofmann. Aus Gesprächen mit Bürgern kenne er deren Verunsicherung. Vermittelt werde von der Bundesregierung aber der Eindruck, dass nichts mehr unter Kontrolle ist, da keine Antworten auf die vielen Fragen gegeben werden. Hofmann: "Wir wissen nicht einmal genau, wie viele Flüchtlinge überhaupt hier sind." Die Kanzlerin hätte das in ihrer Rede einfach offen ansprechen sollen.
Glauber sieht einen Cowboyfilm
Einig sind sich die Politiker darin, dass den Flüchtlingen geholfen werden muss. Auch in puncto Obergrenzen stimmen die Politiker der Konkurrenzparteien zu. Doch: "Dass Horst Seehofer Angela Merkel auf offener Bühne vorführt, das geht nicht. Er ist auch der bayerische Ministerpräsident und vertritt in Berlin bayerische Interessen", kritisiert MdL Thorsten Glauber von den Freien Wählern. Und weiter: "Ein Showdown auf offener Bühne wie in einem Cowboyfilm löst die Probleme nicht, es stößt die Menschen vor den Kopf."
Regelrecht erschrocken über das Verhalten ist Reiner Büttner, Kreisvorsitzender der SPD. "Es zeigt die Zerrissenheit in der CSU. Sie fordern Sachen, die sich in sich selbst widersprechen.
Einerseits heben sie die Familie hoch, andererseits sind sie gegen den Familiennachzug." Auch er fürchtet einen Schaden für den Freistaat durch Seehofers Verhalten. Die Politik allgemein werde diskreditiert und Bayern lächerlich gemacht. Auch Manfred Hümmer, Kreisvorsitzender der Freien Wähler, sieht eine Kluft beim Thema Flüchtlingspolitik innerhalb der CSU. Er erkenne einen rechtspopulistischen Ruck der CSU, weil diese Wählerzuspruch für rechtspopulistische Parteien befürchte. Hinzu komme Seehofers Verhalten gegenüber Markus Söder - das schlechte Ergebnis für den CSU-Chef überrascht Hümmer deshalb nicht.
Von einem schlechten Wahlergebnis bei 87,2 Prozent Zustimmung für Horst Seehofer möchte kein CSU-Politiker aus der Region sprechen. "Es war ein ordentliches Ergebnis. Cem Özdemir ist mit 77 Prozent gewählt worden und war hochzufrieden.
Für uns wäre das fast ein Rücktrittsgrund", sagt Michael Hofmann scherzend. Einen alleinigen Grund für dieses Ergebnis scheine es nicht zu geben. Einig sind sich die Christsozialen, dass dieses Ergebnis viel Raum für Interpretationen lasse.
MdB Silberhorn spricht von einem ehrlichen Ergebnis. "Es ist zwischen den Wahlen", sagt er. Vor den Wahlen fallen die Ergebnisse meist höher aus, da die Partei dann Geschlossenheit demonstriere. Dieses große Signal an die Wählerschaft war diesmal nicht gefragt. Ungefähr 800 stimmberechtigte Delegierte waren in München, mit etwa 80 habe er sich über die Wahl unterhalten, schätzt MdL Michael Hofmann. Das Verhalten gegenüber Markus Söder hätten viele als Grund genannt, Horst Seehofer nicht gewählt zu haben. Dem stimmt auch Thomas Werner zu. Nur wenige hätten Seehofers Verhalten gegenüber der Bundeskanzlerin abstrafen wollen.
JU-Chefin übt Kritik
Kerstin Nestrojil, Kreisvorsitzende der Jungen Union Forchheim, sieht das anders und prangert Seehofers Umgang mit der Bundeskanzlerin an: "Jemanden eine Viertelstunde vor 1000 Leuten auf der Bühne neben sich stehen zu lassen und diejenige während der gesamten Zeit zu belehren, ohne dass diejenige nochmals Gelegenheit hat, darauf zu reagieren, ist kein respektvolles Handeln." Diese öffentliche Demütigung habe sich aus ihrer Sicht dann auf das Wahlergebnis ausgewirkt. Dabei findet es Nestrojil "durchaus richtig", der Kanzlerin eine andere Richtung aufzuzeigen, da nicht unbegrenzt Menschen aufgenommen werden könnten. Allerdings müsse dies mit Respekt geschehen.