Laut dem aktuellen Versorgungs-Atlas der Kassenärztlichen Vereinigung gibt es im Kreis Forchheim mehr als genug Hausärzte.
Die Zahl der niedergelassenen Hausärzte ist im Landkreis
Forchheim höher als der zugrunde liegende Bedarfswert. Das ist die Kernaussage im aktuellen Versorgungs-Atlas der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB). Für drei Planungsbereiche im Kreis ist sogar von einer "Überversorgung" die Rede.
"Diese entsteht, wenn der Versorgungsgrad bei mehr als 110 Prozent liegt", erklärt Birgit Grain von der KVB, der die ambulante medizinische Versorgung in Bayern statistisch erfasst. Die Prozentzahlen orientieren sich an einem Bedarfswert, der vom gemeinsamen Bundesausschuss festgelegt wird, in dem Vertreter der Krankenkassen, der Ärzte, der Krankenhäuser und der Politik sitzen. Seit 2012 gilt bezüglich des Bedarfswerts die Gleichung: "Für je 1671 Menschen soll es einen Hausarzt geben."
84 Zulassungen
Der Landkreis Forchheim steht im Zahlenwerk sehr gut da. In den Planungsbereichen Forchheim und Neunkirchen am Brand liegt der Versorgungsgrad weit jenseits der 110-Prozent-Marke. Gleiches gilt für den Planungsbereich Pegnitz, zu dem Gößweinstein gehört. Als "regelversorgt" gilt der Planungsbereich Eckental, der wie Neunkirchen Kommunen aus den Kreisen Forchheim und Erlangen-Höchstadt umfasst. Auch hier wird an der 110-Prozent-Marke gekratzt, ab der kein neuer Arzt eine Zulassung erhält - außer es hört ein anderer auf.
In allen Kommunen zusammen gibt es im Kreis 84 von der KVB aufgelistete, niedergelassene Hausärzte. Auf die Einwohnerzahl von 114 834 (Stand: 31.12.2015) hochgerechnet, entspricht dies einem Hausarzt pro 1367 Einwohnern. Ein Wert, der allerdings dadurch verfälscht wird, dass nicht jeder Arzt eine Vollzeitstelle ausführt und die Quote der Medizinier, die ihre Praxis in Teilzeit betreiben im Kreis recht hoch ist.
Der Altersschnitt der Ärzte ist in den Forchheimer Planungsbereichen geringer als insgesamt in Oberfranken (55,4 Jahre) und Mittelfranken (54,4).
Was jedoch so gut klingt, hat für Bärbel Matiaske mit der Realität wenig zu tun. "Wenn wir eine Statistik von über 110 Prozent haben, Ärzte aber bis zum Umfallen arbeiten, dann kann etwas nicht stimmen", sagt die Kreis-Geschäftsstellenleiterin der "Gesundheitsregion Plus".
"Ein System von gestern"
Ihrer Meinung nach ist die derzeitige Bedarfsermittlung "ein System von gestern" und keine "Planung für die Zukunft". Immerhin steige der Bedarf an Medizinern in einer stetig alternden Gesellschaft ständig an, weshalb Matiaske dafür plädiert, für Hausärzte über eine Aussetzung der Zulassungsbeschränkungen ernsthaft nachzudenken. "Wir haben im Kreis Forchheim einen Weiterbildungsverbund gegründet, um junge Ärzte vor Ort auszubilden, die später die Praxis ihres Ausbilders übernehmen könnten."
Das - so Matiaske - sichere jedoch nur den Bestand, nicht den höheren Bedarf. "Einem Arzt eine Praxis-Eröffnung im Raum Forchheim zu verweigern, nur weil ein Planungsbereich knapp über 110 Prozent eines statistischen Wertes liegt, ist nicht zielführend."
Schließlich gebe es auch im Kreis Forchheim Orte, von denen aus die Fahrt zum nächsten Hausarzt gerade für ältere Mitbürger ein Problem darstellt. "Es gibt den Trend, dass sich die Ärzte in der Kreisstadt ansiedeln. Zur umfassenden Versorgung der Bevölkerung werden sie aber auch in der Fläche wohnortnah benötigt."
Kritik, die die KVB teilweise teilt. Birgit Grain: "Auch wir stellen den Bedarfsplan in Frage und hoffen, dass er realitätsnäher überarbeitet wird." Die KVB versuche an regionalen Stellschrauben zu drehen. So wurden zum Beispiel neue Mittelbereiche gestaltet. Grain: "Erlangen und Nürnberg wurden vom Umland getrennt und die neuen Bereiche Neunkirchen und Eckental eingeführt."
Interview mit der KVB-Vorstandbeauftragten
Beate Reinhardt ist Regionale Vorstandsbeauftragte (RVB) der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) in Oberfranken. Im Duo mit Augenarzt Peter Heinz (Schlüsselfeld/Kreis Bamberg) vertritt die 50-jährige Allgemeinärztin aus Effeltrich rund 2000 Mediziner.
Für den Laien: Was macht ein Regionaler Vorstandsbeauftragter?
Beate Reinhardt: Wir sind Bindeglied zwischen ambulanten Ärzten, KVB-Vorstand und Öffentlichkeit.
Was ist Ihre wichtigste Aufgabe?
Der Erhalt des eigentlich genialen Gesundheitssystems mit freiberuflichen Ärzten. Außerdem will ich mich dafür einsetzen, dass Arznei- und Heilmittel auch künftig für die Patienten verfügbar sind und Ärzte keine Angst mehr vor Regressen haben müssen.
Wie wollen Sie das bewältigen?
Zum einen sind wir ständig mit Mitgliedern und Politik im Dialog. Zum anderen soll der Masterplan 2020 den Ärztenachwuchs sichern. Wir benötigen mehr Studenten, von denen wiederum mehr Absolventen ins ambulante System gehen müssen und die KVB fördert das.
Wie bewerten Sie die Hausärzte-Versorgung im Kreis Forchheim?
Im bayerischen Vergleich sind wir sehr gut aufgestellt. Wir haben eine tolle Ärzteschaft und eine gute Altersverteilung.
Wo gibt es Verbesserungsbedarf?
Wir müssen das ambulante System für den Nachwuchs attraktiv gestalten. Das heißt, alle in der Gesundheitspolitik vertretenen Akteure müssen Anstrengungen unternehmen, zum Beispiel in neue Gebäude investieren oder die Weiterbildung vor Ort sichern. Und auch die Verbesserung der Lebensqualität auf dem Land ist ein wichtiger Faktor.
Rund um die bundesweite Bedarfsplanung gibt es auch Kritik. Sehen Sie Reformbedarf?
Welcher Wert den Bedarf gut beschreibt, ist sicher diskussionsfähig. Trotzdem bin froh, dass überhaupt ein Bedarf für ländliche Regionen definiert wird. Das gab es früher nicht. Außerdem finde ich die Aufsplitterung der Mittelbereiche, die die Städte vom Umland trennt, sehr gut. Klar ist: Wir sind die Generation, die an der Versorgungsforschung dranbleiben muss.
Kommentar des Autors
Andreas Schmitt: Ja, der Kreis Forchheim besitzt im Vergleich mit anderen Regionen eine gute hausärztliche Versorgung. Das stimmt, ist aber nur die halbe Wahrheit: Denn wer in einem reformbedürftigen System besser als andere ist, ist noch lange nicht "überversorgt".