Seit 22 Jahren schlüpft Ludwig Schmitt am 6. Dezember in einen roten Mantel und gibt im Dormitzer Kindergarten den Nikolaus. Aber auch an den sonstigen Tagen des Jahres nimmt sich der 60-Jährige den Bischof zum Vorbild und ist für seine Mitmenschen da.
Draußen, vom Wald da kommt er her: Ludwig Schmitt, der seit 22 Jahren den Nikolaus spielt. Den Umweg durch den Wald zum Kindergarten läuft er in der Verkleidung des Bischofs Nikolaus extra. Nicht nur, damit der besagten Strophe des fränkischen Gedichts auch tatsächlich Genüge getan wird; sondern auch weil er weiß, dass sich die Kindergartenkinder schon die Nase an der Fensterfront platt drücken, um ihn mit seinem Bischofsstab und dem goldenen Buch endlich zu sehen.
Wenn Schmitt dann mit dem voller Geschenke beladenen Schlitten in die Gruppenräume kommt, ist es mucksmäuschenstill. Ehrfürchtig blicken sie zu dem mächtig wirkenden Mann auf. Einen Thron, mit Samt bekleidet, haben sie für ihn vorbereitet, denn ihr Bischof Nikolaus soll nicht einfach irgendwo sitzen.
Eine Figur des Schreckens
Die Kinder reden mit ihm und lauschen seinen Geschichten. Damals vor 22 Jahren, als Ludwig Schmitt zum ersten Mal in den Bischofsmantel schlüpfte, waren die Kinder im Vergleich noch sehr unruhig. Sie schrien und rannten weg, als sie ihn sahen. "Warte und wehe, wenn der Nikolaus kommt", hieß damals noch die Drohbotschaft. Die Eltern erzählten sie ihren Kindern meist mit dem Ziel, sie damit zu einem braven Verhalten zu animieren.
Der Nikolaus war damals eine Schreckensfigur und das unruhige Verhalten der Kinder schlicht Ausdruck der Angst. "Das hat sich mit den Jahren gelegt", sagt Schmitt. Als seine eigenen Kinder Thomas und Max den Kindergarten besuchte, verkleidete sich noch eine Erzieherin als Nikolaus. Natürlich erkannten die Kinder sie meist an ihrer Stimme. Ein Mann muss ins Haus, zumindest an diesem einen Tag, dachte sich Schmitt.
Die mentale Vorbereitung auf seine Rolle als Nikolaus beginnt für den inzwischen 60-Jährigen noch heute zwei Wochen vor dem 6. Dezember mit einem Glas Rotwein bei Kerzenschein auf dem Sofa. Dann liest er Jahr für Jahr aufs Neue die vielen Legenden um den Heiligen. Deshalb weiß Schmitt auch, dass der Brauch des Lobens und Tadelns ursprünglich auf den 28. Dezember, dem "Fest der unschuldigen Kinder" zurückgeht und erst später auf den 6. Dezember gelegt wurde.
Liebe kann man nicht kaufen
Denn Nikolaus ist auch als Kinderfreund bekannt gewesen. Ein solcher Freund der Kinder ist auch Ludwig Schmitt, und die Kinder wissen dies auch.
Deshalb bereiten sie sich auch mit Freude auf den besonderen Tag vor, hören Geschichten über den Bischof oder auch eine Geschichte über Avarizzo. Der soll ein Mann mit einem Herz aus Stein gewesen sein, bis ihn Nikolaus in die Arme nahm und ihm Gottes Liebe ins Herz geschüttet hat. "Liebe kann man eben nicht kaufen", erklärt Ludwig Schmitt dann den Kindern. "Der Bischof ist ein Vorbild. Er ist für andere da und teilt mit ihnen", erklärt Schmitt. Die Kinder wissen, dass die Braven gelobt und die Egoisten geschimpft werden. Hier spannt der Dormitzer dann den Bogen in die Gegenwart. Er zeigt den Kindern, wie aktuell diese Werte noch immer sind. Er hilft den Kindern mit einfachen Fragen, ihr eigenes Verhalten unter die Lupe zu nehmen. Wann und wo helfen sie beispielsweise der Oma oder den Nachbarn?
Das Schicksal der Flüchtlinge
Auch das Schicksal der Flüchtlingskinder wird Schmitt als Bischof Nikolaus heuer ansprechen. Es geht um jungen Flüchtlinge, die keine Eltern mehr haben, die alleine hier in fremden Land sind und oft nicht wissen, was aus ihnen wird. Ihr Schicksal soll die Dormitzer Kinder zu Dankbarkeit, aber vor allem Mitgefühl animieren. Was ist Glück?
Das ist noch so eine Frage, über die Schmitt mit den Dormitzer Kindern ganz sicher sprechen wird. "Ich arbeite methodisch mit den Kindern", sagt Schmitt.
In seinem bürgerlichen Beruf arbeitet er seit über 40 Jahren Kaufmann bei den Stadtwerken in Erlangen. "Es zieht mich immer zu den jungen Leuten hin", erklärt er seine Freude, mit Kindern und Jugendlichen arbeiten zu dürfen.
So ist er auch Ausbilder und Prüfer bei der IHK für kaufmännische Berufe und aus dem Dormitzer "Leuchtturm" nicht wegzudenken. Besser gesagt: Ohne Ludwig Schmitt würde es auch den Dormitzer Jugendclub "Leuchtturm" nicht geben. Er hat ihn vor 15 Jahren aufgebaut und auch das kürzlich abgeschlossene Projekt mit dem Buch über Dormitz von 1870 bis 1970 betreut.
An der Seite der Engel
Und Schmitt hilft den Jugendlichen auch bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz oder einem Arbeitsplatz. "Das ist eine schöne Aufgabe", sagt Schmitt über seine Arbeit mit den jungen Menschen.
Er eifert darin durchaus dem Vorbild des Bischof Nikolaus nach. Das lässt sich ohne allzu große Übertreibung wirklich sagen. Den Nikolaus spielt Schmitt im Übrigen nicht nur im Kindergarten, sondern auch auf dem Dormitzer Weihnachtsmarkt, wo er mit einem Engel an seiner Seite aus der Kirche kommt.
Dann mischt er sich unter die Menschen, spricht mit ihnen und wärmt ihnen das Herz. Wenn er dann durch die Dormitzer Straßen läuft, sieht er oft, wie sich die Kinder ihre Nasen an den Fenstern platt drücken. Manche kommen dann auch zu ihm heraus. Schließlich ist Ludwig Schmitt nicht irgendwer. Er ist Bischof Nikolaus.