Der eine Balken oder Eine märchenhafte Suche nach Netz in der Fränkischen Schweiz

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Die Zukunft ist jetzt. Oder sind wir noch von gestern? Was den Handyempfang in der oberfränkischen Region anbelangt, scheinen die Meinungen geteilt - die einen nervt's, die anderen stört's nicht. Auf der Suche nach Netz im Landkreis Forchheim. Eine Glosse .

Es ist einmal ein junger Mensch, der auszieht, die Zukunft zu lernen. Viele Jahre lebt er schon zufrieden abgeschieden an den Ufern eines reißenden Stromes am Rande der Obstfelder, der über die Jahre und aus wirtschaftlicher Notwendigkeit heraus zu einem Kanal begradigt worden ist. Der reißt zwar nicht mehr viel, passt sich aber geradlinig ins Landschaftsbild. Jener Mensch hörte von einem sagenumwobenen Berg, auf dessen mehr als 530 Meter in die Höhe ragendem Plateau eine unsichtbare Kraft existieren soll, die sein Leben verändern könnte.

Schon unzählige Male reimte er sich diese märchenhafte Idee aus knarzenden und ständig abreißenden Botschaften seines Mobiltelefons zusammen. "Irgendwo dort oben, weit über den Dingen (etwa Funkmasten) stehend", munkeln die Alten und hoffen die Jungen, "soll es Handyempfang geben." Unfassbar!

Also packt unser Menschlein sein Bündel. Grabscht sich sein Überlebenspaket (eine Dreifachsteckdose, Smartwatch und neuestes Samsung iPhone Irgendwas) und macht sich auf die Socken zu diesem fantastischen Ort. Zu seinem Schicksalsberg. Weil Rösser aus der Mode und öffentliche, mit erneuerbaren Antrieben gelenkte Sammelgefährte rar waren, entscheidet er sich für seinen Sechszylinder. In grün, der Umwelt wegen.

Dank des eingebauten Navigationsgerätes im 30 Zoll-Cockpitmonitor muss er sich wenigstens nicht ablenken lassen von der atemberaubenden Landschaft östlich der längst von royalem Dunst befreiten Königsstadt, welche er kurz zuvor passiert hatte. Am Ende hätte er noch erkannt, dass sein Vorhaben nichtig ist und er sein Seelenheil lieber in der Rückbesinnung auf die Natur und in der Abkehr von der bedingungslosen und bis zur extremistisch-technoiden Abhängigkeit alles Blinkenden und Surrenden hätte suchen sollen. Puuh, das wäre um ein Haar schiefgegangen.

Immerhin geht es nicht nur um ihn allein. Millionen Menschen rund um den Globus, beziehungsweise auf ganz Google Maps, werden ausgebeutet, um den lächerlich ausufernden Bedarf an intelligenten Kleinstgeräten zu decken. Sollte das alles umsonst gewesen sein? Fiele der fressorgiengleiche Hunger nach Bits und Bytes weg, müssten sich die globalen Großunternehmen andere Methoden ausdenken, um arme HungerlöhnerInnen zu drangsalieren. Diese Bürde können wir den Turbokapitaltreibenden ja wohl kaum aufhalsen wollen. Also braust unser Menschlein weiter, das Handy noch immer ohne Netz auf doppelt-hoppeligem Boden fest umklammert. Die Häuserschluchten der Kreisstadt verschwinden im staubigen Rückspiegel, während die Tankanzeige schnurstracks mit den Empfangsbalken seines sauteuren Telefons im Gleichtakt tanzt und nur eine Richtung kennt: Leere.

"So fühlt sich das also an", sinniert unser Homo Faber wie im Rausch. "Wie die Ruhe auf den Sturm wartet, muss ich wohl mein letztes Fünkchen geben, um mich dem großen Ziel des vollen Empfangs als würdig zu erweisen." Entschlossenheit legt sich über sein von der permanenten Bildschirmberieselung müdes Gesicht. Er lässt seinen SUV noch lauter aufheulen und jagt dem erhofften Strahlenparadies entgegen.

Er ist da. Parkt. Die Aussicht ist atemberaubend, nicht einmal die wutschnaubenden Wanderer können das Erlebnis trügen. War doch deren Entscheidung, das Auto unten abzustellen. Außerdem ist er gleich am Ziel seiner Träume...

"Quik, quik." Das digitalgesteuerte Schloss des Straßenpanzers rastet ein, der märchenhafte Antiheld am Steuer rastet aus. Schier unmenschliche Qualen hatte er auf sich genommen, um seinem Leben endlich einen Sinn geben zu können. Und jetzt das. "Kein Netz", leuchtet ihm wie ein virtueller Schlag ins Gesicht entgegen. Deprimiert lässt er sich auf einen Felsen sinken, aktiviert die Kamerafunktion seines Smartphones im Selfiemodus, um seinen Kummer mit der sozialen Welt zu teilen. Wenn er doch nur Netz hätte ...