Bevor am Wochenende das Gräfenberger Bürgerfest steigt, müssen sich alle Beteiligten noch fit fürs Mittelalter machen.
Ein weit geschnittenes und dunkles Kleid reicht Franziska Rabe weiter. Auch Männer trugen im Mittelalter lange Kleider. Und damit die Reise ins 12. Jahrhundert in eine der dunkelsten und zugleich faszinierendsten Epochen auch wirklich authentisch wirkt, hat sich das Gräfenberger Festkomitee richtig ins Zeug gelegt. An diesem Wochenende feiern sie in Gräfenberg das Bürgerfest, und da soll alles möglichst perfekt sein.
Das Kleid ist neben den Beutelchen, Hüten, Fahnen und Schleppen eines von 300 Gewandungen, die sonst im Schrank der Gewandschneiderey im historischen Rathaus hängen. "Noch mal so viel haben die Gräfenberger selbst in ihren Schränken hängen", glaubt aber die Gewandschneiderin Franziska Rabe.
Viele Prinzessinnen Seit 2004 wird das Bürgerfest gewandet gefeiert und alle Beteiligten und Gäste ins Mittelalter versetzt.
Dann trifft man überall um den historischen Marktplatz herum eine Stadtwache, die den Pflasterzoll einfordert, Fanfarenbläser, Edelmänner, Reiter und die vielen Prinzessinnen, die im wirklichen Mittelalter wohl eher seltener vertreten sind als beim Gräfenberger Festspektakel. Seit Monaten trifft sich Franziska Rabe mit ihrem Team und Bürgern in der Gewandschneiderey.
Der inzwischen beträchtliche Fundus wird auf Vordermann gebracht, Nähte ausgebessert, Größen wieder richtig sortiert. Dem einen ist das Gewand zu eng geworden, eine andere Jugendliche möchte sich ein Gewand als Edeldame nähen.
Nichts Genaues Franziska Rabe blättert die Muster durch, berät bei der Farbe der Stoffe und gibt Ratschläge, wo immer sie gebraucht werden.
Am Festtag selbst spielen sie in Gräfenberg die Hochzeit des Ritters Wirnt von Gravenberg nach.
Obwohl gerade dieser Höhepunkt historisch nicht verbürgt ist. Denn von Ritter Wirnt ist außer seiner Dichtung nichts bekannt. Auch nicht, ob und wen er geheiratet hat.
Beim Gräfenberger Bürgerfest lassen sie ihn nun Wiltraude aus Wolfsberg heiraten. Läuft die Dame links oder rechts? Wer folgt dem Brautpaar? Diese und weitere Fragen hat Gertraud Kasch mit ihren Festzugmitwirkenden in den zurückliegenden Wochen geklärt. Denn nicht nur der Ritter und seine Braut, sondern die gesamte Gefolgschaft, Bauern, aber auch Handwerksleute laufen mit.
Kai Laufer ist Leiter der Schauspieltruppe und hat bei den Treffen in den vergangenen zwei Monaten jedem der 50 Statisten jede Handbewegung bis ins kleinste Detail gezeigt. "Den Sack bitte hier hinstellen. Der Knicks wird so gemacht", sagt Kai Laufer und präsentiert sogar den Tanz des Schönlings.
Laufer zeigt auch, wo die Hochzeitsgeschenke abgestellt werden sollen und wie die Mitwirkenden regungslos verharren. Statisten sind all jene Laienschauspieler, die in dem Theaterstück von der Hochzeit des Ritter Wirnt von Gravenberg keine Sprechrolle haben.
Dennoch muss alles genau passen, denn das Stück wird in zwei Ebenen erzählt: mitten bei der Hochzeitsfeier des Ritters und seiner Braut sowie in der Gegenwart. Wie das funktioniert? "Der Narr lässt eine Rassel erklingen. Damit kommt das Leben im Mittelalter zum Stillstand", erklärt Kai Laufer, der selbst in die Rolle des Narren schlüpft. Der darf dem Publikum auch die Wahrheit darüber erzählen, was hinter dem freundlichem Grinsen des Brautvaters steht.
Schwere Sprache Wer lügt, was denkt der Oheim und ist die Aussteuer wirklich so wertvoll, wie die Brautmutter groß verkündet?
Laufer schüttelt wieder die Rassel. Wie nach dem Dornröschenschlaf erwacht auch auf der Bühne alles zum Leben und macht genau dort weiter, wo die Handlung Minuten zuvor eingefroren wurde. Peter Rammensee spielt den Herold. Zudem darf er die Erzählung von einer Rolle ablesen.
Den Text auswendig zu lernen, wäre zu viel verlangt. Denn der altdeutsche Text ist schwer verständlich, und noch schwerer ist es, ihn sich zu merken. Auf der anderen Seite beschreibt der Text eben wunderbar anschaulich, wie es im Mittelalter so zugegangen ist.