Die Schüler des Herzogenauracher Liebfrauenhauses verkaufen Brot für den guten Zweck. Und lernen dabei ganz nebenbei noch planen, durchführen und verkaufen. Das "Soli-Brot" ist somit ein lehrreiches Projekt für alle Beteiligten.
Wo ist denn nur die 3a? Das Brot wird kalt und kälter, aber die Klasse 3a ist nicht auffindbar. Sinja Ruppert und Elisabeth Mackel schauen verzweifelt die Treppe hinauf. "Doch noch mal ganz nach oben?" Der gelbe Korb mit den 16 Laiben Brot wird langsam schwer. Irgendwie scheint ausgerechnet heute der Wurm drin zu sein. Brot zu backen ist nicht schwer, es zu verteilen umso mehr -, so ist es, in den beiden Augenpaaren zu lesen. Dabei hat die beiden letzten Freitage doch alles so gut geklappt.
Doch Stopp! Ganz von vorne! Um was geht es denn überhaupt? Im Liebfrauenhaus gibt es seit sechs Jahren die Aktion "Soli-Brot". Christian Herpolsheimer, der Lehrer der 6a erklärt, um was es dabei geht. "Diese Aktion ist an den letzten drei Freitagen vor den Osterferien. Die Bäckerei Polster liefert uns Brote, die wir wieder in den Klassen verteilen." Das Besondere sind nicht nur die Brote, dazu später mehr, es ist der Hintergrund bei diesem Verkauf. 1,50 Euro kostet der Laib - 50 Cent davon gehen an die Aktion Misereor, dem Hilfswerk der Katholiken in Deutschland für die Entwicklungszusammenarbeit mit den Armen in den Ländern des Südens.
Und diese Aktion kommt an. Vielleicht auch darin begründet, dass die Schüler nicht als "Handlanger" genutzt werden, um die Brote "an den Mann zu bringen", sondern, weil die Schüler das ganze Projekt intensiv mitplanen und durchführen. "Bereits im Vorfeld wird die Information gesammelt, wer alles Brot haben mag, "manche mögen sogar zwei Brote". Es wird kassiert, es wird geplant und bestellt, zum Schluss dann noch verteilt.
600 Brote an drei Freitagen 600 Brote waren es heuer, die an den drei Freitagen verteilt wurden, bei gut 350 Schülern im Liebfrauenhaus eine ordentliche Zahl. Damit diese ihre Brote möglichst noch warm erhalten, muss es dann aber auch schnell gehen. "Vier starke Jungs, vier starke Mädels zur Küche", ruft der Klassenlehrer. Diese schieben aus der im benachbarten Seniorenheim ansässigen Küche die Brote dann über den Hof in die Schulküche.
Dort stehen die restlichen Schüler der 6a parat. Denn die Brote werden natürlich verpackt. In den ersten Jahren habe man die Erfahrung gemacht, dass ohne die Tüte das ganze aufgestäubte Mehl im Schulranzen bleibt und nur aufwendig entfernt werden kann. Darum legte die Bäckerei Polster die Papiertüten noch mit drauf, sodass es einen sauberen Transport nach Hause gibt.
Doch beim Verpacken fing der lange Weg für Sinja und Elisabeth an. Die Hände waren gewaschen, schließlich werden Lebensmittel angefasst, alle waren bereit, um die Laibe zu verpacken. Doch es fehlten die Tüten. War es die Bäckerei Polster, die die Tüten vergessen hatte? Lehrer Herpolsheimer reagiert schnell. "Das ist der Vorteil unserer Verbindung zum Seniorenheim!" Dort gibt es nämlich Tüten. Während des Verpackens wiederum kommt der Chef der Bäckerei über den Hof gerannt und hat die Papiertüten in der Hand. "Sind vergessen gegangen!"
Schüler lernen viel dabei Doch mit solchen Situationen umzugehen, ist für die Schüler nur förderlich. Anfang der Woche hatte Schulleiter Michael Richter bei einem Informationsabend für potenzielle "Neuschüler" genau dieses Konzept vorgestellt. In den Leitlinien heißt es: "Die Solidarität und Anwaltschaft für die bedürftigen und am Rande stehenden Menschen stellt den Ansatzpunkt unseres Handelns dar. In der Erziehung setzen wir bei den Stärken und Fähigkeiten der Kinder an und unterstützen sie in ihrem Reifungsprozess zu eigenständigen und selbstverantwortlichen Persönlichkeiten."
Das "Soli-Brot-Projekt" ist ein Beispiel dafür. Und so geben die beiden Schülerinnen auch nicht auf, als die Klasse 3/4 nicht in ihrem Raum ist. Die Lehrerin ist krank, da wird umgeplant. Zurück vom 2. Stock in das Erdgeschoss, Alternativplan besorgen, zurück in den 2. Stock und das Brot einfach in den Klassenraum stellen.
Eine zweite Fuhre soll dann in die 3a gehen. Doch diese findet sich weder im 1. noch im 2. Stock. Es ist die einzige dritte Klasse, die im Erdgeschoss untergebracht ist. "Wir schaffen es doch noch rechtzeitig vor dem Pausengong" - doch zu früh gefreut. Denn diese Klasse hat ihre Brote bereits vor sich liegen.
Sofort reinbeißen Kein Verzweifeln, denn die Aktion ist cool. Auch wenn die beiden Mädchen nicht die großen "Brotfreunde" sind. Schokolade wäre schon eher etwas - da würden sie sofort zugreifen. Gesundes? "Ja, Äpfel", antwortet Sinja - "aber mit Schokolade überzogen", wirft Elisabeth ein. Jeder hat so seine Vorlieben. Die Jungs Laza, Marvin und Philip haben da eine ganz andere Meinung. "Das Solibrot schmeckt einfach nur gut", sagt Laza. Das liegt daran, dass es warm ist, dass das Mehl an den Händen bleibt, dass Brot generell gut schmeckt. Viele der Schüler beißen bereits in der Schule herzlich zu, die Eltern bekommen von dem Brot manchmal gar nichts mehr mit.
Den Chef der Bäckerei, Christian Polster, freut das. "Es macht Spaß. Es ist ein Zielpublikum, das wir zum Teil nur schwer bekommen. Schauen Sie zu den Fast-Food-Ketten, da sitzen die Schüler eher." Daher kommt er der Schule auch entgegen. "Wir produzieren zum Selbstkostenpreis", ergänzt er. Er findet es toll, dass die Schüler so begeistert auf sein Brot reagieren.
Es ist tatsächlich so. Als Sinja und Elisabeth nach langen Irrwegen durch die Schule endlich die Brote bei der 4a abliefern, ist die Begeisterung dort groß. Einige packen ihr Brot tatsächlich sofort aus und es gilt, dass das Brot auch ohne Belag gut schmeckt.
So ganz nebenbei erfahren die Schüler, worum es bei dieser Aktion überhaupt geht. "Jeden Tag satt werden - für rund 870 Millionen Menschen weltweit ein unerfüllbarer Wunsch", postuliert Misereor. Und so ist es ein Thema im Unterricht, dass Millionen Menschen an Krankheiten infolge von Mangelernährung sterben. "Unser tägliches Brot gib uns heute", dass dies keine Selbstverständlichkeit ist, kommt bei den Schülern an.
Michael bringt es auf den Punkt: "Ich finde das Brot lecker und es hilft anderen Menschen auf der Welt." Mehr gibt es eigentlich nicht zu sagen und die beiden "Brotverteilerinnen" bringen den leeren Korb zurück in die Küche. Der lange Weg hat sich gelohnt, wenn die Gesichter zufrieden sind.