In Röttenbach gibt es 100 Interessenten, die gerne ein Haus bauen würden, aber keine Grundstücke, die zum Verkauf stehen.
Wohin und wie kann sich Röttenbach entwickeln? Diese Frage beschäftigt seit dem Wahlkampf den Ort. "Das ist ein Thema, das polarisiert, wie wir gemerkt haben", führte Bürgermeister Ludwig Wahl (FW) in die Ratssitzung in der Lohmühlhalle ein.
Die wichtigsten Tagesordnungspunkte waren die Vorstellung einer Machbarkeitsstudie zur Ortsentwicklung und der Antrag von Freien Wählern und CSU für ein Ratsbegehren, durch das die Entscheidung, ob am Westrand der Kommune neues Bauland ausgewiesen werden soll, in die Hände der Bürger legt.
Deren ausführliche Beteiligung ist sichergestellt. Am Montag, 19. September, findet ab 19 Uhr in der Lohmühlhalle eine öffentliche Projektwerkstatt statt. Hier kommen vor allem Fachleute zu verschiedenen Themenbereichen der Ortsentwicklung zu Wort.
Weiter ist eine zweite Veranstaltung geplant, in der die Kommunalpolitiker und Vertreter der Befürworter der Ausweisung und der Kritiker ihre Positionen darlegen können. Am Sonntag, 16. Oktober, findet dann der Bürgerentscheid statt. Das beschloss der Rat gegen die Stimme von Lothar Saulich (SPD), der betonte, dass er nicht inhaltlich dagegen zu sei, sondern den Zeitplan für gründliche Information für zu ambitioniert halte.
Norbert Holzmann begründete für die Freien Wähler den Antrag. Da es 100 Bauwillige im Ort gibt, reichen die Möglichkeiten der Nachverdichtung und Abrundung innerorts nicht aus. "Der Wunsch, im Geburtsort zu bleiben, ist für mich entscheidend." Er erinnerte daran, dass andernorts Kommunen Ansiedlungszuschüsse an junge Familien zahlen.
CSU-Fraktionssprecher Harald Rotschka sah auch die Auswirkungen auf die kommunalen Finanzen.
Röttenbach finanziert sich zum größten Teil aus der Einkommenssteuerbeteiligung. Im letzten Jahr waren das 2,4 Millionen Euro. Da dem Ort durch die vielen Bauherren aus den 1970er Jahren Überalterung drohe, erwartet er durch die wachsende Rentnerzahl deutliche Mindereinnahmen. "Wir sehen es als die beste Lösung an, wenn die Röttenbacher selber entscheiden."
Für die SPD wandte sich Richard Schleicher gegen das Missverständnis, seine Fraktion wolle nicht zustimmen. "Aber die kritischen Punkte müssen gründlich diskutiert werden. Wir wollen keine Fronten aufbauen, sondern gestalten." Saulich monierte, dass nicht genügend "valide Eckdaten" vorlägen. Dem widersprach Wahl.
Es lägen viele Fakten bereits vor, beispielsweise eine hydraulische Berechnung der Abwassereinrichtungen.
Es fehlen kleine Wohnungen
Die Ausgangslage war der Wunsch nach moderatem Wachstum, stellte der federführende Studienleiter Matthias Rühl vom Ingenieurbüro Stadt & Land an den Anfang seiner Ausführungen. Die Machbarkeitsstudie wird in den nächsten Tagen von der Gemeinde zum Download auf ihre Homepage
www.roettenbach-erh.de gestellt. "Unsere Aufgabe war eine langfristige Betrachtung", betonte Rühl.
Ein wesentlicher Punkt war die Ermittlung der benötigten Wohnbaufläche. In Röttenbach halten sich bislang die Zuzüge und Abwanderungen in etwa die Waage.
Es gibt noch einen leichten Geburtenüberschuss.
Signifikant für Röttenbach ist der Anteil der Bürger über 65 Jahre. Es sind 35 Prozent der Ortsbevölkerung oder rund 900 Personen. Ihre Anzahl wird bis 2021 auf rund 1200 Personen anwachsen.
Problematisch ist auch die Größe des vorhandenen Wohnraums. Nur 17 Prozent der Wohnungen haben ein bis drei Zimmer, hingegen 40 Prozent sechs und mehr Räume. "Es fehlen Wohnungen im kleinen Segment, für Ältere, für Singles, und barrierefreier Wohnraum." Zwar gebe es rund zehn Hektar Baulücken in Wohn- und Mischgebieten. Deren Aktivierung ist aber gescheitert. "In drei Abfragedurchgängen wurden null Quadratmeter angeboten." Rühl geht in seinen Berechnungen für das nächste Jahrzehnt von 176 fehlenden Wohneinheiten in Röttenbach aus.
Rühl erwartet überalternde Baugebiete.
Es werde freiwerdende Flächen geben, aber diese liegen in Bebauungsgebieten mit unzeitgemäßen Planregelungen - zum Beispiel nur einstöckige Bauweise - und in sehr großen Grundstücken. Hier könne die Gemeinde aber nur eingreifen, soweit der Nachbarschaftsschutz es zulasse.
Der Gemeinderat versuchte, die aktuell bekannte Nachfrage von 100 Familien, die ein Haus bauen wollen, zu hinterfragen. Man sah die Auswirkungen der Niedrigzinspolitik und die Ansiedlung in Nachbarorten, insbesondere die "514 Wohneinheiten" (Rotschka), die in Adelsdorf entstehen werden. Christopher Warter (FW), einer der Jüngsten im Rat, sieht keine Lösung des Problems, wenn man sich nur auf die innerörtliche Entwicklung verlasse: "So entsteht nur Druck, den Traum vom eigenen Haus in Röttenbach aufzugeben. Die jungen Familien gehen dann woanders hin."
Der Bürgermeister hält die derzeitigen Nachfragen für realistisch und belastbar.
Als das Baugebiet Bucher Weg IV mit 17 Grundstücken zu vergeben war, gab es 34 Bewerber. Keiner sei abgesprungen, vielmehr hätten sich etliche wieder auf die Liste der Gemeinde setzen lassen.
Norbert Holzmann (FW) rät weiterhin zu einem zweigleisigen Vorgehen, fragt sich aber, wie man bebauungsplanmäßig den Dorfkern so "lukrativ" gestalten könne, dass Eigentümer Grundstücke verkaufen. Willi Lorz (FW) fasste die Situation zusammen: "Wir müssen uns bewegen. Wenn wir es nicht tun, bewegt sich unsere Jugend und dann sind wir ein Altersheim."