Im Spätsommer des vergangenen Jahres sorgten Schüsse in Röttenbach im Kreis Erlangen-Höchstadt für Schlagzeilen. Nun steht der Schütze vor Gericht.
                           
          
           
   
          Täter und Opfer sitzen sich zum Prozessauftakt direkt gegenüber. Die Blicke der ehemaligen Lebensgefährten treffen sich trotzdem nicht. Zu viel ist zwischen den Ex-Partnern offensichtlich vorgefallen, als dass sich die beiden noch freiwillig in die Augen schauen wollen. 
Gemeinsam lebte das Paar mit seinen drei Kindern über 30 Jahre in wilder Ehe im schwäbischen Unterland. Es sei "die Hölle" gewesen, wird die Frau später im Zeugenstand erklären. Deswegen sei sie 2014 abgehauen und von Heilbronn nach Franken geflohen, um sich vor ihrem Lebenspartner - letztendlich erfolglos - zu verstecken. Doch zunächst muss der Angeklagte seine Geschichte erzählen. Oberstaatsanwalt Peter Adelhardt wirft dem 57-Jährigen versuchten Mord vor.
An einem Septemberabend im vergangenen Jahr habe er dem Opfer aufgelauert und um kurz nach 23 Uhr zwei Schüsse auf seine "Ex" abgegeben. Der Mordversuch war tagelang das Thema im beschaulichen Röttenbach bei Erlangen. Die Medien verfolgten landesweit die Suche nach dem Schützen. Nach vier Tagen stellte sich der Mann mit den kurzen Beinen und dem schwarzen Haarkranz den Behörden in seiner Heimatstadt in Baden-Württemberg. Nur den schwarzen Schnurrbart hatte er damals abrasiert.
An diesem Dienstagmorgen sitzt er auf der Anklagebank im Schwurgerichtssaal 600. In der Untersuchungshaft hatte er offensichtlich Zeit genug, den Schnauzer wieder nachwachsen zu lassen. Dann beginnt er zu erzählen. Mit der Trennung hatte er sich abgefunden, sagt er. Nur seine erwachsene Tochter hatte er treffen wollen. Deshalb sei er nach Röttenbach gefahren und habe sich dort drei Tage in einer Pension eingemietet. Die letzte Nacht wird er bereits auf der Flucht verbringen.
Wer ihm den Aufenthaltsort seiner Ex verraten hat, will der Mann nicht verraten. Das Familiengericht hatte ihm jedenfalls den Umgang mit seiner früheren Familie verboten. Einen Tag wartet er vergeblich vor dem Anwesen in dem schönen Vorort von Erlangen. 
  
  Schüsse im Gerangel gelöst
 
Schließlich fährt er zu einer Spielhalle an der Autobahn. Dort bietet ihm ein Mann eine alte Pistole inklusive Munition an. Für 120 Euro wechselt die geladene Waffe auf dem Parkplatz vor der Spielhalle den Besitzer. Mit der historischen Knarre fuhr er zurück nach Röttenbach, sagt er. Um kurz nach 23 Uhr will er die Frau vor ihrem Auto auf der Straße angesprochen haben, um mit ihr über die Tochter zu sprechen. "Wie haben Sie sie angesprochen?", will die Vorsitzende Richterin Barbara Richter-Zeininger von dem Angeklagten wissen. "Auf Deutsch", sagt er. Im Gerangel hätten sich die Schüsse gelöst. Danach sei er weggelaufen und hätte die Waffe in einen Gulli geworfen. Heute wolle er sich dafür entschuldigen.
Danach tritt das Opfer in den Zeugenstand. Ihre Version des verhängnisvollen Abends hört sich in den entscheidenden Punkten vollkommen unterschiedlich an. Er habe sie angeschrien und sei auf sie zugerannt. In "seiner Sprache" habe er sie angeschrien: "Jetzt hab ich dich! Jetzt bring ich dich um!", soll sie der Ex auf "Romanes", der Sprache der Sinti und Roma, angebrüllt haben. In der Dunkelheit habe sie nur seine Stimme und seine Augen unter der Kapuze erkannt. Alles sei ganz schnell gegangen. Dann habe er sie schon so heftig mit der Waffe auf den Kopf geschlagen, dass sie an der Stirn eine Platzwunde erlitten habe. Danach seien zwei Schüsse gefallen.
Einer ging mitten durch die Schulter. Der andere verfehlte knapp den Hals. Danach sei sie blutüberströmt auf dem Boden liegen geblieben. Ihr Ex-Mann habe vermutlich gedacht, sie sei tot. Jedenfalls sei "der Angsthase" wohl aus Panik und vor Aufregung weggelaufen. Als die Polizei die Frau zwei Tage nach der Tat im Krankenhaus verhört, erinnert sie sich daran, dass er vor dem zweiten Schuss "in seiner Sprache" angekündigt habe: "Jetzt bringe ich Dich um!" 
Danach berichtet die 54-jährige Frisörin von ihrem gemeinsamen Leben, dass sie heute "die Hölle" nennt. Jung lernt sie den Mann kennen. Zu diesem Zeitpunkt habe sie schon eine Tochter. Die habe ihr Ex nie akzeptiert. Früh habe er ihr klar gemacht, dass sie ihn niemals verlassen dürfe. Gewalt dominiert das Familienleben. Trotzdem zeugt das Paar drei Kinder.
  
  Ein Leben in Angst
 
"Ich durfte nichts machen. Ich durfte nur arbeiten und für das Geld sorgen", erzählt sie. Er sei chronisch eifersüchtig gewesen. "Ich hab gewusst, dass ich aus der Beziehung niemals lebend herauskommen werde", sagt die Frau und dreht mit einem Ruck ihren Kopf zur Anklagebank und schaut ihrem Ex direkt in die Augen. Und dann sagt sie ihm direkt ins Gesicht, was für ein widerlicher Mensch er in all den Jahren zu ihr und den Kindern gewesen sei. Wie er die ganze Familie regelmäßig geschlagen und misshandelt habe.
Dann dreht die Frau ihren Kopf wieder ruckartig nach vorne und schaut zur Richterin. Die erste Runde in diesem Verfahren ist in den Augen der meisten Prozessbeobachter wohl an das Opfer gegangen. Insgesamt sind sechs Verhandlungstage angesetzt.
Die Verteidigung hat am Rande des Prozesses angekündigt, insbesondere die Tatwaffe ins Blickfeld rücken wollen. Mit dieser Waffe sei es technisch unmöglich gewesen, zwei Schüsse innerhalb kurzer Zeit abzugeben. Am 16. April soll das Urteil gesprochen werden.