Antwort auf keinen Leserbrief

Es ist vielleicht etwas ungewöhnlich. Denn in diesem Artikel gibt es Antworten auf einen Brief, den die Herzogenauracherin Schreiberin eigentlich gar nicht als Leserbrief veröffentlicht wissen will. Daher taucht der Name der Dame an dieser Stelle gar nicht auf, nur der Wohnort - und ihr Brief nur in Auszügen.
Die Dame startet unter Hinweis auf die erschiene Infobox am 15. August mit (diese steht nochmals in diesem Artikel): "Eisenflechter ist keine Fachkraft, die es sehr selten gibt. Jeder Maurer, Baufacharbeiter, Betonbauer, Stahlbetonbauer lernt im Rahmen seiner Berufsausbildung Eisenflechten."
Das ist nicht ganz richtig. Der Eisenflechter oder auch Eisenbieger ist ein eigener Beruf. Allerdings: Für die Tätigkeit als Eisenbieger und Eisenflechter ist eine Ausbildung als Baufacharbeiter im Hochbau eine gute Voraussetzung. Auch andere Fachkräfte aus der Baubranche können den Beruf ausüben. Richtig ist, dass in der Branche wegen Mangel an Fachkräften gerne Willige schnell angelernt werden, um die körperlich anstrengende Arbeit zu absolvieren. So schreibt es zumindest das Fachmagazin Baufachkraft.
Steinzeit in Afrika?
Doch weg vom Berufsbild. Die Schreiberin äußert: "Äthiopien stellt allen Bürgern aufgrund ihrer Geburtsurkunden Personalausweise aus, die alle fünf Jahre erneuert werden müssen. Das Land hat eine funktionierende Verwaltung. (Warum denken bloß immer alle, in Afrika herrscht noch die Steinzeit?) Wenn also in Deutschland ein Migrant nur eine Kopie seines Geburtsausweises vorlegen kann, ist er offensichtlich nicht der, für den er sich ausgibt. So einfach ist das."
Nein, so einfach ist das nicht. Die neu aufgeflammten Kämpfe zwischen den Volksgruppen im Süden Äthiopiens haben nach Angaben der Vereinten Nationen (UN) allein im Juni 2018 mehr als 800 000 Menschen in die Flucht geschlagen. Bei vielen Menschen passiert die Flucht Hals über Kopf, immer mit der Prämisse, das eigene Leben retten zu wollen. An Geld, die jeweiligen Papiere, die benötigt werden, etc. ist in solch einem Fall, eigentlich nachvollziehbarer Art und Weise, nicht unbedingt zu denken.
Staatsmedien in Bayern?
Wie Äthiopien innerhalb der Weltengemeinschaft eingestuft wird, welche Art der Unterdrückung dort herrscht oder auch nicht, dazu gibt es unterschiedlichste Berichte der jeweiligen Nationen. Die Bundeszentrale für politische Bildung schreibt dazu: "Die seit 1991 regierende Koalition der Ethiopian People's Revolutionary Democratic Front übt uneingeschränkte, fast diktatorische Macht aus, insbesondere seit die Opposition bei den Parlamentswahlen 2015 auch ihren letzten Sitz im Parlament verloren hat. In der zweiten Kammer sowie in den neun Regionalparlamenten sitzt ebenfalls kein einziger Oppositionspolitiker mehr."
Beim Grund für ihren Leserbrief, der eigentlich keiner ist, gibt die Dame an: "Ich bin die Agitation und Propaganda so leid, die Sie wie alle anderen Staatsmedien verbreiten." Ein Blick in die Bücher hilft weiter: In Deutschland gibt es keine Staatsmedien. Beim Rundfunk gibt es private Unternehmen und den öffentlich-rechtlich finanzierten Rundfunk.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wurde nach dem Zweiten Weltkrieg als Gegenentwurf zum Großdeutschen Rundfunk der Nazis etabliert. Die Nationalsozialisten hatten die Medien gleichgeschaltet und den Rundfunk verstaatlicht und zentralisiert - er diente Reichspropagandaminister Joseph Goebbels als Instrument. Daher lernte man: Der Staat darf nicht diktieren, wie das Programm von ARD, ZDF oder Deutschlandradio aussieht.
Verantwortung der Journalisten
Und bei den Tageszeitungen? Laut des Verlegerverbandes erscheinen täglich in Deutschland 351 Tageszeitungen mit 1528 lokalen Ausgaben in einer - gedruckten - Gesamtauflage von 16,8 Millionen Exemplaren. Daneben kommen 21 Wochenzeitungen mit 1,7 Millionen Exemplaren und sieben Sonntagszeitungen mit einer Auflage von 2,9 Millionen heraus. Auch hier hat der Staat die Unabhängigkeit der Presse zu wahren. Die "Staatsmedien" gibt es einfach nicht.
Zum Abschluss heißt es in dem Schreiben: "Und Sie verdrängen offensichtlich, dass, wenn Deutschland untergeht, Sie und Ihre Familien voll mit in den Untergang gerissen werden. Davonkommen werden, wie immer, nur die Gottsöbersten. Das sollte eigentlich ein triftiger Grund für Sie sein, gegen den Untergang anzukämpfen, so lange es noch möglich scheint."
Der Wahrheit verpflichtet
Journalisten sind sich in der Regel ihrer Verantwortung bewusst. Daher arbeiten wir immer mit mehr als einer Quelle. Wir versuchen nicht in Filterblasen zu leben und sprechen mit den Betroffenen ebenso wie mit denen, die Gesetze machen, dagegen sind oder denen alles egal ist. Und wir korrigieren Irrtümer oder falsche Aussagen, auch wenn diese nicht als Leserbrief erscheinen sollten. Denn die Wahrheit ist der Auftraggeber des ordentlich arbeitenden Journalisten.
Ach ja, zu den Tomaten konnte man lesen: "Auf die italienischen Tomaten gehe ich gar nicht mehr ein, sonst gibt es Ketchup bei Ihnen." War wohl zu gut recherchiert? Die Fakten sind bekannt...
Das waren die zwei absurden Geschichten am Rande
Eisenflechter - Ein in Herzogenaurach untergebrachter Flüchtling aus Äthiopien ist Eisenflechter. Die Branche sucht diese Fachkräfte, die es sehr selten gibt. Und so hat der Mann auch schnell eine Stelle in einer Firma im Aurachtal bekommen. Doch das Landratsamt machte einen Strich durch die Rechnung. Denn der Mann konnte nur eine Kopie seines Geburtsausweises aus Äthiopien vorlegen, nicht das Original. Das wird er als Flüchtling auch nie bekommen. Er darf hier nicht mehr als Eisenflechter arbeiten.
Tomaten - Italien verkauft Tomaten in großem Stil nach Ghana. Die werden dort nicht nur verkauft, sondern machen den ghanaischen Tomatenmarkt durch eine aggressive Marktpolitik kaputt. Den Tomatenpflückern aus Ghana bleibt nach dem Entzug der Lebensgrundlage oft nur noch die Chance, ihr Heimatland zu verlassen. Nach Tausenden von Kilometer durch die Wüste und über das Meer landen sie oft in Italien. Dort arbeiten sie oft als Tagelöhner - und zwar als Tomatenpflücker. Die dann wieder nach Ghana gehen.