Wie die moderne Spurensicherung Morde aufklären hilft

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Hauptkommissar Volker Bähring zeigt, wie heute Fingerabdrücke genommen werden: Hand auf den Scanner (grün) und in Sekundenschnelle erscheinen die Abdrücke auf dem Bildschirm. Fotos: Ulrike Nauer
Hauptkommissar Volker Bähring zeigt, wie heute Fingerabdrücke genommen werden: Hand auf den Scanner (grün) und in Sekundenschnelle erscheinen die Abdrücke auf dem Bildschirm. Fotos: Ulrike Nauer
Früher brauchte es für Fingerabdrücke Tinte und Roller, wie Volker Bähring (links) und K7-Leiter Volkmar Heinlein zeigen.
Früher brauchte es für Fingerabdrücke Tinte und Roller, wie Volker Bähring (links) und K7-Leiter Volkmar Heinlein zeigen.
 
DNA-Tests mit sogenannten Bakterietten sind heute Routine.
DNA-Tests mit sogenannten Bakterietten sind heute Routine.
 
 

Die Kriminaltechnik hat in den letzten zwei Jahrzehnten einen großen Sprung gemacht. Vor allem die Digitalisierung , etwa beim Sichern von Fingerabdrücken, beschleunigt die Fahndung. Kommissariatsleiter Volkmar Heinlein erklärt die Spurensicherung anhand des aktuellen Mord-Prozesses in Coburg.

"Ihr Fingerabdruck hat ein Bogenmuster", sagt Volkmar Heinlein und deutet auf den Bildschirm, wo drei fast perfekte Abdrücke von Zeige-, Mittel- und Ringfinger zu sehen sind. Der kleine Finger ist rot umrandet - "mangelhaft". Im Normalfall wäre das aber kein Problem, sagt der Leiter des Kommissariats 7 ("Zentrale Dienste") der Coburger Kriminalpolizei. Die Prozedur lässt sich so lange wiederholen, bis alles passt.

Früher wären jetzt auch die Fingerkuppen schwarz gewesen, aber seit zehn Jahren geht das Erfassen der Fingerabdrücke digital und damit ganz sauber vonstatten. Einfach die Finger auf die grüne Fläche des Scanners legen, ein paar Sekunden später ist jede noch so feine Linie der Fingerkuppen auf den Bildschirm gebannt. Der Abdruck kann problemlos vergrößert und analysiert werden und lässt sich natürlich blitzschnell mit den rund drei Millionen Personen vergleichen, die in der AFIS-Datenbank des Bundeskriminalamtes erfasst sind (AFIS steht für Automatisiertes Fingerabdruck Identifizierungs System).

Spuren ins Kuvert gesteckt

"Jahrzehntelang mussten Spuren im Original ans Landeskriminalamt geschickt werden", berichtet Heinlein. Das heißt, Finger- oder Handabdrücke wurden in ein Kuvert gesteckt und per Post nach München geschickt, wo sie von Sachverständigen des LKA Bayern bearbeitet und analysiert wurden.

Um die Mitarbeiter der "sichernden Kriminaltechnik", wie es heute im Fachjargon heißt, für die gestiegenen Anforderungen zu schulen, werden in Bayern intensive Fortbildungsmaßnahmen angeboten, entweder beim LKA oder im Fortbildungsinstitut der Bayerischen Polizei in Ainring. "Dabei spielt neben fachlichen Themen auch der Arbeitsschutz eine große Rolle", sagt Volkmar Heinlein. Schließlich müssten die Beamten im Labor zuweilen auch mit Gefahrstoffen umgehen.

Ein solcher Stoff ist beispielsweise "Rußpulver". Mehr als 100 Jahre war der feine Staub das erprobte Mittel, wenn es darum ging, Fingerabdrücke abzustäuben und zu sichern. "Es brachte sehr gute Ergebnisse, wird aber aus gesundheitlichen Gründen in Bayern seit geraumer Zeit nicht mehr eingesetzt", erläutert der K7-Leiter. Als Ersatz greift die Polizei heute auf Mangandioxid oder "Mazifer" zurück. In den übrigen Bundesländern und beim BKA ist der Einsatz von Rußpulver derzeit weiterhin erlaubt.

Neben den Fingerspuren nimmt die Auswertung von DNA-Spuren heute einen dominanten Stellenwert ein. DNA ist die englische Abkürzung für Desoxyribonukleinsäure - ein Biomolekül, auf dem die Erbinformation eines jeden Lebewesens gespeichert ist. DNA steckt also in jedem Haar, in jeder Hautschuppe. "Kaum jemand ist in der Lage, keine solchen Spuren zu hinterlassen", sagt Volkmar Heinlein. "Also ist immer etwas da, was uns weiterhilft."

Anfangs noch weite Wege

Heinlein erinnert in diesem Zusammenhang an einen Fall aus dem Jahr 1992 - "ein Tötungsdelikt im Asylbewerberheim von Weismain." Damals steckte der gesamte Komplex DNA-Analyse noch in den Kinderschuhen. Im konkreten Fall gab es aber zu erwartende DNA-Spuren an einem Tatwerkzeug, doch diese mussten zur Auswertung in die Schweiz, an die Universität Bern, geschickt werden - leider ohne Erfolg. Der Täter wurde zwar identifiziert, konnte sich aber absetzen und wurde nie gefasst.

Heute bräuchte man nur das Fragment einer Spur und ein Quäntchen Glück, dass der Täter schon beim BKA oder in einer der europäischen Datenbanken erfasst ist. Für 2014 verzeichnet die Coburger Kriminalpolizei bislang schon 160 Treffer in den DNA-Datenbanken. Selbst Mitteilungen aus Ländern wie Litauen seien keine Seltenheit mehr, erläutert Heinlein. "Vor zehn Jahren wäre das noch undenkbar gewesen."

Dass der moderne Weg der Verbrecherjagd personalintensiv und nicht gerade billig ist, ist klar. "Die moderne Kriminaltechnik kostet Geld", betont der Chef der Coburger Kriminalpolizei, Bernd Rebhan. "Da geht es gleich um ein paar Millionen." Doch die Effektivität wiegt den Mehraufwand auf und das heutige Verfahren geht einfach deutlich schneller und spare wertvolle Zeit.

Welch große Rolle DNA-Spuren bei der Aufklärung von Verbrechen spielen, zeigt auch ein aktueller Fall: der gewaltsame Tod von Wolfgang R., der derzeit vor dem Landgericht Coburg verhandelt wird. Rund 700 Tatort-Spuren, davon etwa 235 DNA-Spuren, stellten die Beamten im Haus des Opfers in Beiersdorf und im Zusammenhang mit der Tat sicher. Dokumentiert ist der Fall in hunderten von Fotos und in insgesamt vier dicken Ordnern. "Jeder Abrieb muss gesichert und beschrieben werden", erklärt Bernd Rebhan. "Schließlich muss alles gerichtsfest sein. Dazu braucht es ein sehr gutes Gespür dafür, wo tatbezogene Spuren zu finden sein könnten."

Intensive Spurensuche

"In der heißen Phase waren wir zu neunt im Einsatz", ergänzt Heinlein. Er selbst suchte auch mit. Vier, fünf Tage waren er und seine Kollegen permanent am Tatort beschäftigt - eine zeit- aber auch kräfteraubende Tätigkeit, gerade in den ersten Stunden, wenn das Opfer noch nicht geborgen ist. Einerseits wolle man den Toten nicht zu lange liegen lassen, andererseits müssten gerade hier wichtige Spuren und Erkenntnisse - etwa die Körpertemperatur oder die Temperatur der Umgebung - dokumentiert werden.

Die Anspannung halte bei derartigen Fällen über Monate an, sagt Heinlein. "Wir versuchen, alle Spurenarten abzuarbeiten." Irgendwann ist das Mögliche getan und es kehrt Routine ein - bis der Gerichtsprozess beginnt. "Dann muss man sich alles wieder intensiv ins Gedächtnis rufen." Das ist nicht immer leicht, denn in der Zwischenzeit sind schon wieder so viele neue Dinge passiert. Das Verbrechen schläft nicht - da geht es Coburg nicht anders als dem Rest der Welt.